Biodiversität auf oberbayerischen Almen und Bergmähdern erhalten und fördern
Artenreichtum durch Nutzung
Die montane Höhenstufe des zentralen Bereichs der Bayerischen Alpen (Mittelstock) stellt ein qualitativ und quantitativ bedeutendes Zentrum der Artenvielfalt dar. Durch die jahrtausendelange almwirtschaftliche Nutzung konnten sich in diesem Raum Tier- und Pflanzenarten der alpinen Stufe mit denen der Tallagen vermengen und Offenlandlebensräume ausbilden, die zu den artenreichsten Deutschlands gehören. Trotz dieser auf den ersten Blick guten Ausgangssituation ist genau diese Zone stark bedroht, da sich die Nutzungsbedingungen der Almwirtschaft geändert haben. Viele Almbauern können die Almwirtschaft nur noch im Nebenerwerb betreiben. Dies erschwert es, die offenen Almen zu erhalten und ihr Zuwachsen zu verhindern.
Erfassung von Arten als Grundlage für eine Zusammenarbeit
In einem Biodiversitätsprojekt wurden von 2012 bis 2017 Schwerpunkte der biologischen Vielfalt der oberbayerischen Almregion ermittelt. Dazu wurden die Daten der Alpenbiotopkartierung ausgewertet und detailliert eigene floristisch-vegetationskundliche und faunistische Bestandserhebungen durchgeführt. Durch Kombination der ermittelten Daten wurden die "Hotspots“ der Biodiversität“ für die Almen erarbeitet. Ausgewählte Leitarten geben als Indikatorarten Aufschluss über spezifische Standortverhältnisse und Nutzungsbedingungen.
Gleichzeitig wurde die Zusammenarbeit mit der Almwirtschaft verbessert. Das langfristige Ziel war, gegenseitiges Verständnis und Vertrauen zu schaffen, um traditionelle Nutzungsformen in den Alpen wiederzubeleben. Durch die Zusammenarbeit von Landwirtschaft und Naturschutz und die Umsetzung gemeinsam entwickelter Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen wurde in den Landkreisen Garmisch-Partenkirchen, Bad Tölz-Wolfratshausen, Miesbach und Rosenheim ein wichtiger Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt geleistet. Die auf aktuellen Erhebungsdaten basierenden Artenschutz-Konzepte können beispielsweise von den örtlichen Landschaftspflegeverbänden aufgegriffen und umgesetzt werden.
Beispiel: Vorgehen auf einer Niederalm im Landkreis Miesbach
Ausgangslage der Alm
- Unterschiedliche Geologie: Tiefgründige Mergel und flachgründiger Hauptdolomit im Wechsel
- Durch die Geologie bedingt, eine vielfältige Vegetation aus artenreichen Weiderasen und kleinen Quellmooren (Davallseggenriede) auf den tiefgründigen Standorten sowie Kalkmagerrasen auf den flachgründigen Standorten
- Bemerkenswerte Pflanzenarten, wie beispielsweise Lappländisches Knabenkraut (Dactylorhiza lapponica), Gamander-Sommerwurz (Orobanche teucrii) und Stechpalme (Ilex aquifolium)
- Wertgebende Wildrosen: Filzrose (Rosa tomentosa) und Kleinblütige Rose (Rosa micrantha)
- Sehr hohe Biodiversität (zum Beispiel 36 Tagfalterarten)
Problematik
Neben der Verbuschung durch aufkommende Gehölze im Unterhang macht der starke Adlerfarn-Aufwuchs (Pteridium aquifolium) seit Jahren große Probleme und mindert den Wert der Weidefläche.
Verbesserung der Almflächen
Die auf Grundlage der Datenerhebung geplanten Maßnahmen wurden gemeinsam mit den Almbauern im Gelände besprochen und folgendermaßen durchgeführt:
- Mehrmalige Mahd der Adlerfarn-Bestände bis Ende Juni auf allen von Adlerfarn bewachsenen Flächen
- Kontrollierte Entbuschung (zum Beispiel Brombeere), wobei wertgebende Wildrosen geschont werden
- Teilweise Mahd sowie kontrollierte Entfernung stickstoffzeigender Stauden (zum Beispiel Sumpf- und Ackerkratzdistel)
- Aufkommende Einzelgehölze zum Erhalt der Lichtweide entfernen
- Monitoring der bereits gut entbuschten Flächen im Zentrum der Alm
- Gegebenenfalls Nachpflege aufkommender Störzeiger, wie Disteln, Brombeeren und Hochstauden
Die Maßnahmen wurden nach Ablauf des Projekts von der unteren Naturschutzbehörde Miesbach in den letzten Jahren erfolgreich fortgeführt und abgeschlossen. Das Projekt hat hierfür einen wichtigen Anstoß geliefert und eine nachhaltige Wirkung entfaltet.
Das Projekt ist 2017 vorerst abgelaufen. Es hat gezeigt, dass die modellhaft praktizierte Vorgehensweise auf verschiedenen Almen im oberbayerischen Alpenraum Maßnahmenumsetzungen in Gang gebracht hat und aus fachlicher Sicht für untere Naturschutzbehörden und beteiligte Landschaftspflegeverbände eine wichtige Unterstützung war. Gerade in Anbetracht der veralteten Datenlage (Alpenbiotopkartierung, Artenschutzkartierung und der vielerorts fehlenden faunistischen Fachdaten) wird der projektbezogene Einsatz von Experten zur aktualisierten Erfassung der Biodiversität auf ausgewählten Almen und einer daran anknüpfenden, fachlich fundierten Vorbereitung von Maßnahmenumsetzungen dringend empfohlen. Der innovative Ansatz, die Bewirtschafter von Anfang an in die Konzepterstellung miteinzubeziehen, hat mit Sicherheit sehr zum Erfolg des Projekts beigetragen und die Kooperationsbereitschaft der Almbauern entscheidend gefördert.
Initiator/Träger:
Regierung von Oberbayern
Werkvertragsnehmer:
Arbeitsgemeinschaft Vegetation der Alpen (AVEGA)
Kooperationspartner:
Almwirtschaftlicher Verein Oberbayern
Landratsämter der Landkreise Bad Tölz-Wolfratshausen, Berchtesgaden, Garmisch-Partenkirchen, Miesbach, Rosenheim, Traunstein, Berchtesgadener Land
Örtliche Landwirte
Landkreise:
Garmisch-Partenkirchen, Bad Tölz-Wolfratshausen, Miesbach und Rosenheim
Ansprechpartner:
Christiane Mayr (Regierung von Oberbayern)
Weitergehende Informationen
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Was ist biologische Vielfalt?
Biologische Vielfalt (Biodiversität) lebt auf vielen Ebenen: Die unterschiedliche genetische Ausstattung bestimmt die Vielfalt der Arten, die zusammen eine Vielzahl verschiedener Lebensräume besiedeln.
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