Amphibien durch Pestizide gefährdet
(AZ, Universiät Koblenz-Landau) Konsequenter Amphibienschutz muss auch mögliche Pestizidbelastungen der Landlebensräume betrachten. Die Sterblichkeitsraten durch Pestizidanwendungen können signifikante Effekte auf den Erhaltungszustand von in den Anhängen der FFH-Richtlinie gelisteten Arten haben und sollten sowohl bei der Managementplanung als auch bei der Gebietsausweisung berücksichtigt werden.
Die Bestände von Amphibien sind weltweit in den letzten Jahrzenten massiv zurückgegangen und viele Arten sind derweil stark gefährdet. Einen nicht zu vernachlässigenden Anteil an dem globalen Rückgang könnte der Einsatz von Pestiziden haben (Brühl et al. 2013). Bei Schutzmaßnahmen für Amphibien sind zumeist die Laichgewässer im Fokus, die zwar eine essentielle Lebensraumkomponente darstellen, aber letztendlich „nur“ den gleichen Stellenwert haben, wie die Landlebensräume. Gerade die Landlebensräume sind oft schwer abzugrenzen und durch eine Vielzahl unterschiedlicher Nutzungen gekennzeichnet, oft auch durch Flächen konventioneller Landwirtschaft mit Pestizideinsatz.
Gerade bei der Wanderung der Amphibien zu den Laichplätzen durchqueren sie oft auch landwirtschaftlich genutzte Anbauflächen, in denen zeitgleich Pestizide ausgebracht werden. Wissenschaftler der Universität Koblenz-Landau und des Leibniz-Zentrums für Agrarlandforschung veröffentlichten dazu aktuell eine Studie, welche die Effekte der landwirtschaftlichen Praxis auf Amphibien untersucht. Beobachtet wurden vier Arten der europäischen FFH-Richtlinie: Moorfrosch/Rana arvalis, Knoblauchkröte/Pelobates fuscus (beide Anhang IV) sowie Rotbauchunke/Bombina bombina und Kammmolch/Triturus cristatus (beide in den Anhänge II und IV genannt). Die Forscher fanden heraus, dass die Pestizid-Belastung von Amphibien insbesondere vom Zeitpunkt der Laichwanderung abhängt. Spät wandernde Arten, wie Unken und die Knoblauchkröte, sind stärker durch Pestizide gefährdet als früh wandernde Arten wie der Moorfrosch. In der Untersuchung waren beispielhaft bis zu 86 % einer Knoblauchkröten-Population von einer Fungizid-Anwendung in Winterraps-Feldern betroffen, wobei die Pflanzen allerdings bereits so groß waren, dass sie rund 80 % des ausgebrachten Pflanzenschutzmittels aufnehmen konnten. Im zweiten Beispiel wurden in Maisfeldern 17 % einer Rotbauchunken-Population der vollen Herbizidmenge ausgesetzt, da das Spritzmittel vor dem Aufkeimen des Maises ausgebracht wurde und der Boden daher nicht mit Pflanzen bedeckt war. Somit variiert die Intensität des Pestizidkontakts vor allem mit der Wanderzeit, der Aufnahme von Pestiziden durch die bereits unterschiedlich stark ausgebildete Pflanzendecke und dem Anteil der Population, die betroffen ist.
Forschungsbedarf sehen die Forscher noch darin, wie stark die tatsächliche Schadwirkung auf die Amphibien ist, da bislang nur wenige Laborstudien zur Toxizität von Pestiziden vorliegen. Erste Ergebnisse zeigten jedoch, dass es durch Pestizide zu Sterblichkeitsraten von bis zu 100 % bei voller Felddosis kommen kann, und selbst wenn nur 10 % der Ausbringmenge Kontakt zu den Tieren haben, bereits bis zu 40 % Sterblichkeit auftreten kann. Hierbei sind die wahrscheinlich nicht zu vernachlässigenden Effekte, die sich erst nach einer größeren Zeitspanne auf die Populationsgröße auswirken, nicht mit einbezogen, so die Wissenschaftler. Diese möglichen Auswirkungen auf Amphibien sollten im europäischen Zulassungsprozess für Pestizide zukünftig berücksichtigt werden, um den Rückgang der biologischen Vielfalt zu verlangsamen. In europaweiter Betrachtung sind stark in ihren Lebensräumen durch Pestizide gefährdete Arten zwar bislang weniger in ihrem Bestand gefährdet, dennoch sollte die Managementplanung bei weniger gefährdeten Arten die mögliche Gefährdung durch Pestizide gut beobachten, sofern die Tiere einem hohen Risiko des Pestizidkontaktes ausgesetzt sind. Global gefährdete Amphibien sind in Europa bislang zumeist einem geringeren Pestizidrisiko ausgesetzt.
Damit kann aus der Studie in Kombination mit Wagner et al. (2014) abgeleitet werden, dass der Pestizideinsatz während der Landphase sehr deutliche Effekte auf die Populationen europarechtlich streng geschützter Arten haben kann und ein signifikanter Gefährdungsfaktor für lokale Populationen oder den großräumigen Erhaltungszustand sein kann. Die Ergebnisse der Studie sind von großer Relevanz für die Managementplanung und Gebietsabgrenzung von Natura 2000-Gebieten. Um die potenzielle Gefahr von Pflanzenschutzmitteln auf Lurche durch ein zeitliches Überlappen der Pestizidausbringung und Laichwanderung zu reduzieren, sollten Pestizide nur kombiniert mit einem lokalen Monitoring von Amphibienwanderungen ausgebracht werden, so eine konkrete Empfehlung der Autoren.
Mehr:
Lenhardt, P. P., Brühl, C. A. & Berger, G. (2014): Temporal coincidence of amphibian migration and pesticide applications on arable fields in spring. – Basic and Applied Ecology; http://dx.doi.org/10.1016/j.baae.2014.10.005.
Wagner, N., Rödder, D., Brühl, C. A., Veith, M., Lenhardt, P. P. & Lötters, S. (2014): Evaluating the risk of pesticide exposure for amphibian species listed in Annex II of the European Union Habitats Directive. – Biological Conservation 176: 64–70.
Brühl, C. A., Schmidt, T. Pieper, S. & Alscher, A. (2013): Terrestrial pesticide exposure of amphibians: An underestimated cause of global decline? – Scientific Reports 3: 1135; DOI: 10.1038/srep01135.
Zitiervorschlag: Zehm, A. & Universität Koblenz-Landau (2015): Amphibien durch Pestizide gefährdet. – ANLiegen Natur 37/1, S. 11–12; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/amphibien_pestizide/.
Danke für die schöne Zusammenfassung der für Normalkartierer und -gutachter nicht zugänglichen Artikel. Doch was nützt der Hinweis auf die Relevanz für FFH-Managementpläne, wenn die Wanderungen gar nicht erfasst werden und die Gebietsabgrenzungen selbst bei erkannten Fehlern festzementiert sind …
In einer Sendung von Netz Natur im Schweizer Fernsehen (SRF) wird sehr informativ und umfassend über den Amphibienschutz in der Schweiz berichtet
http://www.srf.ch/sendungen/netz-natur/froesche-co-so-ein-teich
Kommentar zu Neonicotinoiden (NN):
Die Aussagen des Professor Wenzel kann ich voll bestätigen. Unsere Firma (re-natur) produziert und vertreibt Nützlinge (Insekten, Milben und Nematoden) zur Biologischen Schädlingsbekämpfung. In konventionellen Betrieben, die neben den Nützlingen auch Pestizide einsetzen, kommt es häufig zu Problemen, die sich in der Form äußern, dass die Wirkung der ausgebrachten Nützlinge ausbleibt. Häufig sind es die NN, die die Hymenopteren, insbesondere die Schlupfwespen stark schädigen. Die Wirkung ist ähnlich wie die bei den verwandten Honigbienen (beides Stechimmen (Aculeata)). Die Tiere werden nicht unmittelbar getötet, sondern zunächst verwirrt und sie meiden die Bereiche, die mit NN behandelt wurden teilweise bis zu einem Jahr. Natürlich kommt der Einsatz von Hummelvölkern zur Bestäubung in diesen Kulturen auch nicht zum Erfolg. Wir müssen wohl umdenken und den LD-50-Test zumindest ergänzen und auch die staatenbildenden Insekten anders betrachten. Das Volk ist zu testen und nicht das Individuum! Hoffentlich ändert sich auch von der Zulassungsseite diesbezüglich bald etwas, bevor wir merken, welchen Nutzen unsere Kulturen den Nützlingen zu verdanken haben. Dann hätte insbesondere der Ökoanbau den größten Schaden.
Helmut Haardt