„Ausdunkelung“ – eine Möglichkeit, das Wasserkreuzkraut (Senecio aquaticus) zu reduzieren?
(Marie-Therese Bleicher und Harald Albrecht) Arten der Gattung Kreuzkraut (Senecio) enthalten Pyrrolizidin-Alkaloide, die als Giftstoffe für Tier und Mensch schädlich sind. Im Feuchtgrünland Süddeutschlands, Österreichs und der Schweiz hat das Wasser-Kreuzkraut (Senecio aquaticus) regional in den letzten Jahren zugenommen. Ein neues Forschungsprojekt in Bayern und Baden-Württemberg testet Bewirtschaftungsverfahren, wie durch Förderung der Begleitvegetation die lichtbedürftige Problemart reduziert werden kann.
Nutzungsänderungen führten in den letzten Jahren zu einer starken Veränderung der Grünlandvegetation. Neben einem Verlust von Artenvielfalt führte dies in manchen Beständen auch zum massiven Aufkommen unerwünschter Arten, so unter anderem von Wasserkreuzkraut (Senecio aquaticus). War die Art früher eine mittelhäufige charakteristische Art des Feuchtgrünlandes Mitteleuropas („Wasserkreuzkraut-Wiesen“), entstanden in Österreich, Süddeutschland und der Schweiz in den letzten Jahren regional sehr individuenreiche Bestände nach Nutzungsänderungen (BERGHOFER 2017; SUTTNER et al. 2016). Dies ist vor allem in der Tierhaltung kritisch, da Kreuzkräuter in allen Pflanzenteilen giftige Pyrrolizidin-Alkaloide enthalten, die chronische bis akute Gesundheitsprobleme verursachen können.
In bisherigen Ansätzen erwiesen sich händisches Ausstechen und der Einsatz von Herbiziden als wirkungsvoll (GEHRING & THYSSEN 2016; SUTER & LÜSCHER 2008). Diese Methoden sind aber oft aus wirtschaftlichen Gründen nicht anwendbar, aufgrund von Umweltauflagen nicht zulässig oder reduzieren gleichzeitig die Artenvielfalt auf ein Minimum (GEHRING & THYSSEN 2015, 2016). Zudem sind Herbizide oft wenig nachhaltig, da S. aquaticus nach erfolgreicher Behandlung vielfach rasch wieder auftritt (GEHRING & THYSSEN 2016) und erneut große Bestände aufbaut. Eine Ursache dafür ist, dass S. aquaticus große Samenvorräte im Boden bildet, aus dem es sich in Bestandslücken schnell regenerieren kann, oder es fliegen Samen des windverbreiteten Korbblütlers wieder ein.
Eine besonders für extensiv bewirtschaftete Flächen zur Schwächung von Wasserkreuzkraut bedeutsame Maßnahme ist die Regulierung durch ein angepasstes Schnitt-Regime. So gelang BASSLER et al. (2013, 2016) durch phänologisch an die Blühphasen angepasste Schnitte (siehe unten) eine effektive Reduktion. Auch Nutzungsverzicht kann eine Reduktion bewirken (BARTELHEIMER et al. 2010).
Ansatz im Forschungsprojekt der TUM
Bislang fehlen aber systematische Untersuchungen, die die Entwicklung von effizienten Regulierungsstrategien für extensiv genutzte, naturschutzfachlich relevante Flächen erforschen. Deshalb führt der Lehrstuhl Renaturierungsökologie der Technischen Universität München (TUM) in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU), der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) und weiteren Projektpartnern ein dreijähriges Forschungsprojekt durch. Ziel ist, die Kreuzkraut-Populationen zu reduzieren und ein geeignetes Folgemanagement zu etablieren, um die erneute Zunahme zu verhindern.
Zentraler Ansatz ist eine Ausdunkelung, bei der durch seltenere beziehungsweise spätere Mahd ein hoher und konkurrenzkräftiger Pflanzenbestand entsteht, der das lichtbedürftige Wasserkreuzkraut unterdrückt. Grundlagen sind eine Förderung der Beschattung der bodennahen Blattrosette und ein zeitlich optimiertes Schnittregime zur Reduktion der Biomasse- und Samenproduktion. Zudem wird ein Schnittregime getestet, das durch Schnitt zur Blütezeit versucht, die Reproduktion von Wasserkreuzkraut zu minimieren. Die Schnittzeitpunkte sind an BASSLER et al. (2013, 2016) angelehnt, die nach einem Grünfutterschnitt im Juni zwei weitere Schnitttermine zur Hauptblütezeit empfehlen, um die Samenproduktion des Wasserkreuzkrautes zu unterbinden. Ein weiteres wichtiges Ziel der Untersuchungen ist die Schonung der Biodiversität in naturschutzfachlich wertvollem Grünland. Ergänzende Gewächshausversuche erforschen die Wirkung von Schnitt auf die ober- und unterirdische Biomasse-Verteilung und die Regenerationsfähigkeit aus der Wurzel.
Die insgesamt 13 Versuchsflächen im bayerischen und württembergischen Allgäu wurden in sechs magere, unproduktive Niedermoor-Standorte (Typ A) und sieben Flächen mit wüchsigerem, humosem Oberboden (Typ B) unterteilt. Alle Flächen werden entsprechend den folgenden acht Varianten extensiv bewirtschaftet:
Typ A: „Magere, unproduktive Standorte“
- Ein Jahr Brache; in den Folgejahren Schnitt 01.07. beziehungsweise 01.09.
- Zwei Jahre Brache, im Folgejahr Schnitt 01.07.
- Zwei Jahre Spätmahd zum 15.08., im Folgejahr Schnitt 01.07., jeweils mit Festmistdüngung
Typ B: „Produktivere Standorte“
- Ein Jahr Brache; in den Folgejahren Schnitt 01.07. und 01.09.
- Zwei Jahre Spätmahd zum 15.08. beziehungsweise 15.10.; im Folgejahr Schnitt 01.07. und 01.09.
- Drei Jahre Spätmahd zum 15.10.
- Zwei Jahre Schnitt vor Blüte (15.06.); anschließend Ausdunkelung durch Folgeaufwuchs; im Folgejahr Schnitt 01.07. und 01.09. beziehungsweise 15.06. und 15.08.
- 3-Schnitt-Variante nach Bassler 2016 (Mahd 15.06., 15.07. und 01.09.)
Als Referenzflächen wurden jeweils eine Parzelle mit einem regional typischen Bewirtschaftungsregime sowie eine Parzelle auf der vom Landwirt bewirtschafteten umgebenden Fläche eingerichtet.
Erste Ergebnisse
Nach dem ersten Versuchsjahr zeichnet sich vor allem in den Spätmahd- und Brache-Varianten eine Abnahme der Individuenzahl des Kreuzkrautes ab. Im Gegensatz dazu sind die Individuenzahlen in den Referenzparzellen mit regionstypischer Bewirtschaftung sowie in der 3-Schnitt-Variante, die bei BASSLER et al. (2016) zu einer besonders deutlichen Reduktion geführt hatte, gestiegen. Die Varianten, in denen eine Ausdunkelung durch den zweiten Aufwuchs nach einem Schnitt im Juni erzielt werden soll, weisen eine ähnliche Individuenzahl wie zu Beginn auf. Inwieweit die Veränderungen auf die 2018 langanhaltende Sommertrockenheit, die generell zu einer Abnahme von S. aquaticus geführt hatte, zurückzuführen ist, bleibt abzuwarten.
Literatur
BARTELHEIMER, M., GOWING, D. & SILVERTOWN, J. (2010): Explaining hydrological niches: The decisive role of below-ground competition in two closely related Senecio species. – J. Ecology 98(1): 126–136.
BASSLER, G., KARRER, G. & KRIECHBAUM, M. (2013): Mechanical control of marsh ragwort (Senecio aquaticus Hill) by cutting. – Grassland Sci Eur 18: 496–498.
BASSLER, G., KARRER, G. & KRIECHBAUM, M. (2016): The impact of different cutting regimes on population density of Jacobaea aquatica (Hill). – In: G. Gaertn., B. Mey. & Scherb. and grassland vegetation. – Agric., Ecosys. a. Environ. 226: 18–24.
Berghofer, M. (2017): Einfluss der Nutzung auf das Vorkommen des Wasserkreuzkrauts (Senecio aquaticus Hill .) in landwirtschaftlichen Flächen im Landkreis Garmisch-Partenkirchen. – ANLiegen Natur 39/1: 41–45; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/wasserkreuzkraut/.
Gehring, K. & Thyssen, S. (2015): Kreuzkraut – eine große Gefahr für die Gesundheit von Pferden und Rindern; www.lfl.bayern.de/ips/unkraut/032238/.
Gehring, K. & Thyssen, S. (2016): Regulierungsmöglichkeiten von Wasser-Kreuzkraut (Senecio aquaticus) im Dauergrünland. – 27. Dt. Arbeitsbespr. Unkrautbiologie und -bekämpfung, Sektion 3: Herbizid-Management: 145–153.
Suter, M. & Lüscher, A. (2008): Occurrence of Senecio aquaticus and grassland management. – App. Veg. Sc. 11: 317–324.
Suttner, G., Weisser, W. W. & Kollmann, J. (2016): Hat die Problemart Senecio aquaticus (Wasser-Greiskraut) im Grünland zugenommen? – Nat. Landsch. 91: 544–552.
Korrespondierende Autorin: Bleicher, Marie-Therese, marie-therese.bleicher@tum.de , Lehrstuhl für Renaturierungsökologie, TU München, Emil-Ramann-Str. 6, 85354 Freising
Bleicher, M.-T. & Albrecht, H. (2019): „Ausdunkelung“ – eine Möglichkeit, das Wasserkreuzkraut (Senecio aquaticus) zu reduzieren? – ANLiegen Natur 41/1; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/ausdunkelung_wasserkreuzkraut/.
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