Ein neuer Biotopverbund entlang des Main-Donau-Kanals verbindet wertvolle Lebensräume
(Monika Offenberger) Der Main-Donau-Kanal und seine Dämme bekommen zunehmend Bedeutung als Linienbiotop, das unterschiedliche Lebensräume verbindet. In den Sonnenwiesen, Gehölzinseln und Strauchriegeln am Uferdamm hält sich eine stabile Population der Kreuzotter. Streuobstwiesen und Sandmagerrasen bieten Rückzugsgebiete für eine Vielzahl seltener Blütenpflanzen, Insekten, Reptilien und Vögel. Zugleich wird der Biotopverbund „Landgang“ von erholungssuchenden Anwohnern und Urlaubern genutzt. Das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Nürnberg (WSA) und die Regierung von Mittelfranken pflegen und erweitern die Flächen gemeinsam mit lokalen Landschaftspflegeverbänden, dem Landesbund für Vogelschutz und weiteren Partnern.
Der Main-Donau-Kanal wurde vor 25 Jahren für den Verkehr freigegeben und verbindet auf einer Länge von 170 Kilometern den Main bei Bamberg mit der Donau bei Kelheim. Seit 2010 Jahren arbeiten Behörden und Verbände im Biodiversitätsprojekt „Landgang“ gemeinsam daran, entlang der Wasserstraße Lebensräume für die heimische Fauna und Flora zu schaffen und zu erhalten. Den Ausschlag für diese überaus fruchtbare Zusammenarbeit gab ein Stück Damm im Bereich der Schleuse Eibach am Nürnberger Hafen. Weil dort Kreuzottern leben und sich auf der besonnten Böschung ebenso gerne aufhalten wie die zahlreichen Spaziergänger, Jogger, Radfahrer oder Hundebesitzer, kamen sich Tier und Mensch ins Gehege. „Am Anfang war die Stimmung sehr aufgeheizt“, erinnert sich Dr. Stefan Böger, Naturschutzreferent an der Regierung von Mittelfranken, und benennt das Problem: „Viele Bürger wollen diesen Lebensraum als Freizeitfläche nutzen. Gleichzeitig muss dort aber die Wasserschifffahrtsverwaltung die Dammsicherheit gewährleisten und außerdem noch die Vorgaben zum Artenschutz erfüllen. Da fühlten sich dann einige Leute von den Schlangen bedroht und erzählten sich die wildesten Gerüchte, wie gefährlich sie sind “. Schließlich lagen sieben erschlagene Kreuzottern im Gebüsch – ein erheblicher Verlust für die auf 50 bis 70 Tiere geschätzte Population.
So konnte es nicht weitergehen. Daher ließ die Regierung von Mittelfranken zunächst den Bestand der stark gefährdeten Reptilien erfassen und ein Konzept erstellen, wie man sie dort erhalten und zugleich die verschiedenen Nutzer zufriedenstellen kann. „Mit diesem Schutzkonzept in der Hand, haben wir dann alle Beteiligten an den Runden Tisch geholt“, erzählt Stefan Böger: „Das Wasserstraßenschifffahrtsamt ist für den Dammbereich zuständig, die Stadt Nürnberg für den Schutz der Kreuzottern, die Bayerischen Staatsforsten für den Eibacher Forst, wo auch viele Schlangen vorkommen. Zusammen mit dem Landesbund für Vogelschutz, den Landschaftspflegeverbänden Schwabach, Nürnberg und Mittelfranken und weiteren Partnern haben wir die Vorschläge der Gutachter inzwischen weitgehend umgesetzt“. Heute gilt in einem kleinen Bereich zwischen den beiden Wegen an der Dammkrone und am Waldrand, wo die Kreuzottern bevorzugt liegen, ein Betretungsverbot. „Dort können wir die Population halten, ohne die Bürger merklich einzuschränken. Das wird akzeptiert und hat die Situation am Kanal deutlich entspannt.“ Neben dem Damm nutzen die Kreuzottern auch ein rund 280 Hektar großes Gebiet im Eibacher Forst. Dort haben die Bayerischen Staatsforsten durch Aufweiten der Rückegassen und gezielte Auslichtungen besonnte Wanderkorridore, Buchten und Lichtinseln geschaffen und so das Jagdrevier für die Schlangen deutlich attraktiver gemacht.
Dass die Kreuzottern ausreichend Nahrung finden, liegt an der zielgerichteten Bewirtschaftung von Wald und Kanalufer. „Die Dammbereiche sind kurzrasig, mit offenen Stellen dabei; das mögen die Eidechsen und so haben die Schlangen genug zum Fressen. Allerdings werden die Dämme nicht wegen der Eidechsen gepflegt, sondern vorrangig, damit sie ihre Schutzfunktion erfüllen können“, führt Böger aus und bringt damit den Leitgedanken des Biotopverbunds auf den Punkt: „Die Vegetation entlang des Kanals muss ohnehin nach bestimmten Vorgaben gepflegt werden. Wir haben gezeigt, dass sich diese sehr gut mit naturschutzfachlichen Zielen unter einen Hut bringen lassen, indem man zum Beispiel mäht statt mulcht, die Mahdtermine abspricht und das Mahdgut entfernt.“ So entstand die Idee, die Zusammenarbeit von Behörden und Verbänden fortzuführen und auf den gesamten Kanal auszuweiten. Heute, acht Jahre nach dem ersten Runden Tisch zum Schutz der Kreuzotter, umfasst die Kulisse neben Dammbereichen mehr als 250 Biotope, darunter Wiesen, Hecken, Streuobstbestände und Feuchtbereiche. Zu den Highlights zählen neben wertvollen Magerrasen auf dem Damm besonders artenreiche Wiesen im südlichen Bereich bei Heubühl, die das vom Aussterben bedrohte Wanzen-Knabenkraut Anacamptis coriophora und ein weiteres Dutzend Orchideen beheimaten. Auch die Vogelwelt profitiert von den neuen Lebensräumen: So leben nun im Bereich der Schleuse Eibach 40 bis 50 Prozent mehr Garten-, Dorn- und Klappergrasmücken.
Der Biotopverbund soll in den nächsten Jahren laufend ausgeweitet werden. „Wir haben ein Gutachten erstellen lassen, wo es wertvolle Flächen gibt und was man damit machen könnte. Jetzt gilt es, die Eigentümer zum Mitmachen zu gewinnen“, sagt Stefan Böger. Der Naturschutzreferent sieht seine Aufgabe darin, die beteiligten Akteure zu beraten und teilweise auch zu finanzieren: „Die Wasserschifffahrtsverwaltung und die Staatsforsten pflegen auf eigene Kosten. Die Landschaftspflegeverbände Mittelfranken, Nürnberg und Schwabach arbeiten seit Jahren konstruktiv mit den Gemeinden und Landwirten zusammen; sie erhalten von uns Geld für die Vermittlung und Beratung der Grundstückseigner. Die Maßnahmen selbst werden aus verschiedenen Töpfen finanziert, zum Beispiel durch das Landschaftspflegeprogramm oder auch über kommunale Ökokonten“ Dabei gilt es stets, das übergeordnete Ziel vor Augen zu haben: „Es geht nicht nur um einzelne Hecken oder Wiesen. Wir wollen den Kanalbereich insgesamt aufwerten“. Profitieren sollen nicht nur seltene Tier- und Pflanzenarten, so Böger: „Die Gemeinden, die sich am ´Landgang´ beteiligen, schaffen damit attraktive Ausflugsziele für ihre Einwohner und Touristen.“
Die Internetseiten www.landgang.info geben eine Übersicht über die verschiedenen Biotope und laufenden Pflegemaßnahmen für besonders schützenswerte Arten und informieren über die Geschichte des Main-Donau-Kanals und die Entstehungsgeschichte des Biotopverbunds ´Landgang´.
Offenberger, M. (2018): Ein neuer Biotopverbund entlang des Main-Donau-Kanals verbindet wertvolle Lebensräume. – ANLiegen Natur 40/2; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/biotopverbund_main_donau/.
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