Geschickte Beleuchtung setzt Kulturdenkmäler ins rechte Licht ohne Tieren zu schaden
(MO) Um Kirchen, Burgen und Schlösser auch nachts gut aussehen zu lassen, werden sie oft hell angestrahlt – zum Schaden vieler Tierarten. Wie sich die zunehmende Lichtverschmutzung möglichst gering halten lässt, zeigt das Projekt „Life at Night“ am Beispiel Sloweniens. Metallhalogen-Dampflampen (MH-Lampen) mit geringem Blauanteil und individuelle Abdeckvorrichtungen verringern die Anlockung von Nachtinsekten und ermöglichen Fledermäusen ein natürliches Verhalten.
Immer mehr Städte und Gemeinden setzen ihre Sehenswürdigkeiten noch lange nach Sonnenuntergang durch Kunstlicht in Szene. Schätzungen zufolge gehen in den Industrienationen heute bereits 5 bis 20 % der nächtlichen Lichtverschmutzung von der Beleuchtung historischer Bauten aus. Allein in Slowenien sind 1.445 katholische Kirchen als Kulturdenkmäler ausgewiesen – und fast alle werden nachts künstlich erhellt. Häufig sind die Lichtquellen am Boden angebracht und richten ihre Strahlen an der Gebäudefront entlang senkrecht nach oben in den Nachthimmel. Dabei gehen 60 bis 80 % des Lichts ungenutzt an der Fassade vorbei in die Umgebung. Für viele Wildtiere stellt dieser Eingriff – neben dem Verlust von Lebensraum – die größte Bedrohung dar. Vom Licht abgelenkt, hören Nachtfalter auf zu fressen und sich zu paaren, verglühen in der Hitze der Strahlen oder werden zur leichten Beute von Fraßfeinden. Stark beeinträchtigt sind auch Fledermäuse: Einige Arten ändern ihre gewohnten Flugrouten oder -zeiten.
Um diese Lichtverschmutzung zu reduzieren, hat ein interdisziplinäres Forschungs-Team – im Rahmen von LIFE+ das „Life at Night“-Projekt ins Leben gerufen. Gesucht wurde nach einer umweltfreundlicheren und dennoch effektiven Beleuchtung von Kulturdenkmälern. Maßgeblich dem Elektroingenieur Andrej Mohar ist es zu verdanken, dass Slowenien 2007 – als erstes und bislang einziges Land der Welt – ein Gesetz gegen Lichtverschmutzung erlassen hat. Wie zahlreiche Studien belegen, werden Nachtfalter besonders von Lichtquellen mit hohem Blauanteil angezogen. Daher entwickelte Andrej Mohar MH-Lampen mit geringem Blauanteil: eine gelb-weiße Lampe mit einer Farbtemperatur von 4.200 Kelvin, die mithilfe eines Filters das UV-Licht zurückhält, sowie eine blau-weiße Lampe mit einer Farbtemperatur von 3.000 Kelvin, die zusätzlich auch Blaulicht mit Wellenlängen unter 480 nm ausblendet. Zusätzlich können an beide Lampentypen Masken mit der individuellen Silhouette konkreter Kirchen angebracht werden. Sie sorgen dafür, dass höchstens 10 % des Lichts die Fassade verfehlt und als Störlicht in den umgebenden Nachthimmel entweicht.
In einem aufwendigen Experiment konnten die Biologen zeigen, dass Nachtfalter und Fledermäuse durch die neuen Lampentypen tatsächlich weniger beeinträchtigt werden als durch die herkömmliche Beleuchtung. Dazu wählten sie 21 Kirchen aus, die außerhalb von Siedlungen in der freien Landschaft stehen und teilten sie in Testgruppen ein. Die Fassaden jeder Gruppe wurden – in wechselnder Reihenfolge – jeweils ein Jahr lang mit der herkömmlichen Lichtquelle und mit den beiden neu entwickelten MH-Lampen angestrahlt. Während der dreijährigen Versuchszeit waren Dutzende ehrenamtliche Helfer damit beschäftigt, in sechs Neumond-Nächten zwischen Mai und September nach einem standardisierten Protokoll die vom Licht angelockten Nachtfalter abzufangen. Sie fanden 611 verschiedene Arten – das entspricht 20 % der in Slowenien vorkommenden Spezies. Die gelb-weißen MH-Lampen zogen viermal weniger Arten und sechsmal weniger Individuen in ihren Bann als die herkömmlichen Lichtquellen. Die gelbweißen Lampen waren die schonendsten: Verglichen mit den blau-weißen MH-Lampen lockten sie 30 % weniger Arten und 40 % weniger Individuen an.
Auch Fledermäuse profitierten von einer maßvollen Beleuchtung. Das wird durch die Studie beispielhaft an der Kleinen Hufeisennase belegt. Waren die Kirchen mit MH-Lampen angestrahlt, dann flogen die Tiere abends im Mittel 20 Minuten früher zu ihren Beutezügen aus als zu Zeiten, da dieselben Kirchen auf herkömmliche Art beleuchtet waren. Dieser Unterschied kann den Jagderfolg von Rhinolophus hipposideros entscheidend beeinflussen und kann dadurch weitreichende Folgen für die Fitness der gesamten Population haben. Fliegen die Tiere zu spät aus, verpassen sie die Aktivitätsphasen ihrer Beute-Insekten – und können sowohl sich selbst, als auch ihren Nachwuchs schlechter ernähren. Durch eine umweltfreundlichere Beleuchtung lässt sich dieser fatalen Entwicklung entgegenwirken. Noch besser und wirklich „umweltfreundlich“ – so betonen die Autoren des „Life at Night projects“ – wäre allerdings ein völliger Verzicht auf die nächtliche Beleuchtung von Kirchen und anderen Kulturdenkmälern.
Mehr:
Mohar, A. et al. (2014): Nature-friendlier lighting of objects of cultural heritage (churches) – Recommendations. – LIFE+ Life at Night project, 32 S.; http://www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/additional_data/an37200notizen_2015_kulturdenkmaeler_life_bericht_engl.pdf (1,5 MB).
Eine Zusammenfassung in Flyer-Form findet sich auf: http://temnonebo.splet.arnes.si/files/2010/08/nature_friendlier_lighting_churces_leaflet_web.pdf.
Zitiervorschlag: Offenberger, M. (2015): Geschickte Beleuchtung setzt Kulturdenkmäler ins rechte Licht ohne Tieren zu schaden. – ANLiegen Natur 37/2; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/kulturdenkmaeler/.
Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Aktivitäten und Informationen im „Sternenpark im Biosphärenreservat Rhön“, z.B. das Infoportal für Gemeinden zur nachhaltigen Lichtnutzung:
http://www.sternenpark-rhoen.de/informationsportal-fr-kommunen/nachhaltigen-lichtnutzung/index.html
http://www.sternenpark-rhoen.de/sternenpark/was-ist-ein-sternenpark/index.html
Evelin Köstler
Die Life-Projektseite ist wieder online und die Projekt-Publikationen wieder erreichbar; siehe: http://www.lifeatnight.si
Die Publicationen finden sich unter:
http://www.lifeatnight.si/en/index.php?option=com_content&view=article&id=110&Itemid=214
Das Hauptdokument ist nun auch wieder verfügbar unter:
http://www.lifeatnight.si/en/images/stories/booklet_nature_friendler_lightning_churces_web.pdf