Finanzausgleich für Naturschutzleistungen hilft, Einschränkungen und Nutzen besser zu verteilen
(MO) Europas Schutzgebiete wirken sich insgesamt positiv auf den Erhalt der biologischen Vielfalt aus. Allerdings profitieren nicht alle Arten gleichermaßen von den Schutzbemühungen. Verbesserungsbedarf besteht vor allem für Amphibien und andere Arten, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Dies ergab ein EU-weites Forschungsprojekt unter Leitung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung UFZ in Leipzig. Die Wissenschaftler empfehlen, Naturschutzleistungen im kommunalen Finanzausgleich zu honorieren sowie auch auf den Flächen zwischen den Schutzgebieten Mindeststandards für den Naturschutz einzuhalten.
Faktoren, die die biologische Vielfalt einer Region beeinflussen, wirken auf verschiedenen geografischen und administrativen Ebenen. Das SCALES-Projekt, bei dem insgesamt 31 Institutionen aus Europa, Australien und Taiwan beteiligt waren, hat daher die Skalierung solcher Faktoren untersucht. Dabei wurde besonders das europäische Naturschutznetzwerk „Natura 2000“ genauer unter die Lupe genommen. Mit mehr als 26.000 terrestrischen Gebieten, die zusammen rund 18 % der EU-Landfläche umfassen, ist Natura 2000 inzwischen das größte Naturschutz-Netzwerk der Welt.
„Die Etablierung von Natura 2000 als ein großskaliges politisch-ökologisches Netzwerk ist zwar ein großer Schritt zum Schutz der Artenvielfalt in Europa, jedoch sind weitere Schritte erforderlich“, betont Projektkoordinator Prof. Klaus Henle vom UFZ. So mangelt es häufig an geeigneten Verbindungen zwischen einzelnen Schutzgebieten. Das birgt besonders für seltene Arten die Gefahr, dass Populationen isoliert und vom genetischen Austausch mit anderen Beständen ausgeschlossen werden und mittel- bis langfristig verschwinden. Daher fordert Henle: „In den nächsten Jahren sollte ein Schwerpunkt auf der räumlichen Anordnung der Schutzgebiete und der ungeschützten Flächen dazwischen liegen. Wichtig ist, diese so zu managen, dass sie die notwendige Ausbreitung der Organismen ermöglichen“. Aus Sicht der Forscher könnten von diesen Vorschlägen sowohl der Naturschutz als auch die Wirtschaft profitieren. Natürliche Strukturen wie Hecken oder Feldraine dienen bedrohten Tier- und Pflanzenarten als wichtige Vernetzungselemente und Korridore durch die Agrarlandschaften. Gleichzeitig fördern sie höhere Ernte-Erträge, indem sie der Bodenerosion entgegenwirken und Bestäuber-Insekten nähren.
Des Weiteren haben die Wissenschaftler bestehende Ansätze und neue Vorschläge für einen ökologischen kommunalen Finanzausgleich untersucht. Viele Kommunen erbringen Naturschutzleistungen, von denen auch übergeordnete Ebenen und benachbarte Kommunen profitieren. Ein Beispiel sind Erholungsgebiete im Einzugsbereich einer Großstadt. Doch nur in wenigen EU-Ländern werden solche ökologischen Leistungen im Finanzausgleich berücksichtigt: In Frankreich beispielsweise profitieren nur wenige Kommunen, die in Schutzgebieten mit den höchsten Landnutzungseinschränkungen wie Nationalparks oder marinen Naturparks liegen, von ihren ökologischen Leistungen. Dagegen werden in Portugal Natura 2000-Flächen und alle anderen nationalen Schutzgebietskategorien im kommunalen Finanzausgleich berücksichtigt. Damit kommt diesem Land eine Vorreiterrolle zu: Es ist der erste und (bislang) einzige EU-Mitgliedsstaat, der Schutzgebiete flächendeckend als Indikator für Finanzzuweisungen an die kommunale Ebene eingeführt hat. „An diesem Beispiel konnten wir zeigen, dass dies gerade in ländlichen Gemeinden mit hohen Schutzgebietsanteilen beträchtlich zum kommunalen Haushalt beiträgt. So gingen im Jahr 2008, ein Jahr nach der Einführung des Ökofinanzausgleichs in Portugal, bis zu 34 % der kommunalen Einnahmen auf Naturschutzgebiete zurück“, berichtet Dr. Irene Ring vom UFZ.
In einem weiteren EU-Projekt namens POLICYMIX gingen Irene Ring und Kollegen der Frage nach, wie sich die Berücksichtigung ökologischer Leistungen im Länderfinanzausgleich auf den Haushalt verschiedener Bundesländer in Deutschland auswirken würde. Die Zuweisungen an die Länder bemessen sich an deren Finanzkraft und am Finanzbedarf; als Indikatoren für den Finanzbedarf dienen im Wesentlichen abstrakte Größen wie die Einwohnerzahl und -dichte. Die Überlegungen gehen dahin, auch ökologische Kriterien in die Berechnung einzubeziehen und damit überregional bedeutsame Naturschutzleistungen zu honorieren, die dem ganzen Bund zugutekommen. So könnten Länder wie Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, die einen überdurchschnittlich großen Anteil ihrer Landesfläche als Schutzgebiete ausgewiesen haben, stärker als bisher vom Länderfinanzausgleich profitieren. Nun ist es Sache des Bundes, die Idee zu prüfen und umzusetzen.
Mehr:
Henle, K. et al. (2014): Scaling in Ecology and Biodiversity Conservation. – Pensoft-Verlag, Advanced Books;www.ab.pensoft.net/articles.php?id=1169.
Schröter-Schlaack, C. et al. (2014): Intergovernmental fiscal transfers to support local conservation action in Europe – Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie 58(2–3): 8–114; www.wirtschaftsgeographie.com/archiv/download/read/06-2014.pdf.
Barton, D., Ring, I. & Rusch, G. (2014) Policyscapes – Nature-based policy mixes for biodiversity conservation and ecosystem services provision. – Policy Brief 2: 20 pp; http://policymix.nina.no/Portals/policymix/POLICYMIX%20Policy%20brief%202_print.pdf.
Die wichtigsten Ergebnisse der EU-Projekte POLICYMIX (Assessing the role of economic instruments in policy mixes for biodiversity conservation and ecosystem services provision) und SCALES (Securing the Conservation of biodiversity across Administrative Levels and spatial, temporal, and Ecological Scales) finden sich auf:policymix.nina.no und www.scales-project.net.
Zitiervorschlag: Offenberger, M. (2015): Finanzausgleich für Naturschutzleistungen hilft, Einschränkungen und Nutzen besser zu verteilen. – ANLiegen Natur 37/2; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/natura_2000/.