Künstliche Sitz- und Singwarten als Artenhilfsmaßnahme für das Braunkehlchen (Saxicola rubetra)
(Margarete Siering und Jürgen Feulner) Das Braunkehlchen (Saxicola rubetra) war noch vor wenigen Jahrzehnten in nahezu ganz Europa ein recht häufiger Brutvogel. Seither wurden insbesondere in den letzten beiden Jahrzehnten teils dramatische Bestandseinbrüche um 50 bis 90 % beobachtet (Bastian & Feulner 2015).
In Bayern gilt die Art als „vom Aussterben bedroht“ (Rudolph et al. 2016). Der Rückgang von extensiv bewirtschaftetem, strukturreichem Grünland und der Verlust von 90 % der Brachflächen in Deutschland seit 1990 sind wichtige Ursachen für diese dramatische Entwicklung. Ein weiterer essenzieller Faktor ist, dass die verbliebenen Grünland- und Brachestrukturen häufig nur eine mäßige Vertikalstrukturiertheit aufweisen und dem Braunkehlchen daher häufig nicht genügend Sitz- und Singwarten bieten (von Lossow et al. 2015).
Um dem entgegenzuwirken, werden seit 2014 im Regnitzgrund bei Hof und seit 2015 im Rotmaintal bei Kulmbach in großer Anzahl künstliche Sitz- und Singwarten ausgebracht. Der Brutbestand hat sich seit Ausbringung der Warten in beiden Gebieten deutlich vergrößert. Im Rotmaintal vergrößerte sich der Bestand von 2 Brutpaaren in 2014 auf 12 Brutpaare in 2016.
Die Ergebnisse aus beiden Projektgebieten lassen Rückschlüsse zu, dass Braunkehlchen zumindest kurzfristig verwaiste Brutgebiete bei entsprechender Biotopausstattung wiederbesiedeln können. Im Rotmaintal ließ sich damit binnen weniger Jahre die größte verbliebene Braunkehlchen-Population Oberfrankens 2016 entwickeln. Dabei spielte die Darbietung von Schlüsselreizen in großer Anzahl (übergroßes Angebot an Warten = „Überreizmethode“) vermutlich eine bedeutende Rolle.
Die Erfolge der ersten Projektjahre zeigen, dass die Überreizmethode überall in offener Landschaft funktionieren kann. Grundvoraussetzungen sind aber das Vorhandensein eines geeigneten Habitats, ausreichende Nahrungsverfügbarkeit und eine ausreichende Flächengröße. Gebiete, die von Braunkehlchen regelmäßig auf dem Durchzug besucht werden beziehungsweise bis vor kurzem besiedelt waren, sind vermutlich erfolgversprechender.
Was können lokale Naturschutzgruppen und Landwirte tun, um die Bestände des Braunkehlchens in Bayern wieder zu stärken? Das Bayerische Landesamt für Umwelt empfiehlt folgende Maßnahmen:
- Förderung und Erhalt von Saumbiotopen und Brachflächen in der Agrarlandschaft
- Unregelmäßiges, mosaikartiges Mähen, Erhalt von extensivem Grünland
- Anwendung von Maßnahmen geeigneter Agrarumweltprogramme (zum Beispiel Brachestreifen am Rand oder in der Mitte des Feldstücks von 5 bis 20 % der Fläche)
- Dichtes Ausbringen der Sitz- und Singwarten in kreisförmigen Gruppen von zirka 15 m Durchmesser (Wartendichte zirka 50 bis 70/100 m²)
- Ausbringen der Warten noch vor dem Frühjahrszug (bis Anfang April)
- Ausbringung von Bambusstöcken mit einer Länge von etwa 120 cm. Diese erscheinen derzeit am praktikabelsten, weil sie sich einerseits gut handhaben lassen und gleichzeitig so dünn sind, dass sie sich als Ansitz für Rabenvögel (Corviden) kaum eignen; es eignen sich aber auch die getrockneten Jahrestriebe von verschiedensten Gehölzen bis hin zu Obstbaumschnitt
- In die Mitte des Warten-Clusters kann man einen zirka 2 bis 2,5 m langen, dünnen Bambusstock ausbringen, der als überragende Singwarte dient
- Dringend erforderlich ist eine Absprache mit Flächenbewirtschaftern und Unterer Naturschutzbehörde
- Vor der landwirtschaftlichen Bodenbewirtschaftung werden die Singwarten wieder eingeholt
Mehr:
FEULNER, J. (2017): Untersuchung zu Braunkehlchen (Saxicola rubetra) im Rotmaintal bei Kulmbach – Erfolgskontrolle der Artmaßnahme „Künstliche Sitz- und Singwarten“ im Jahr 2016, Bayerisches Landesamt für Umwelt (Hrsg.): S. 54; www.bestellen.bayern.de/shoplink/lfu_nat_00323.htm.
BASTIAN, H.-V. & FEULNER, J. (2015): Vom Allerweltsvogel zur Rarität: Ist eine Trendumkehr beim Braunkehlchen möglich? – Falke 62/10: 12–18.
LOSSOW, von G. & RUDOLPH, B.-U. (2015): 35 Jahre Wiesenbrüterschutz in Bayern – Situation, Analyse, Bewertung, Perspektiven. – Bayerisches Landesamt für Umwelt (Hrsg.): S. 180.
RUDOLPH, B.-U., SCHWANDNER, J. & FÜNFSTÜCK, H.-J. (2016): Rote Liste und Liste der Brutvögel Bayerns. – Bayerisches Landesamt für Umwelt (Hrsg.), Augsburg.
SIERING, M. & FEULNER, J. (2018): Das Ausbringen künstlicher Sitz- und Singwarten als Artenhilfsmaßnahme für das Braunkehlchen (Saxicola rubetra). – ANLiegen Natur 40/1; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/singwarten_braunkehlchen/.
Sehr geehrte Damen und Herren,
der Vorschlag von Sitz- und Singwarten wäre eine relativ einfache Möglichkeit, die man hier im Chiemgau in den Mooren gut anwenden könnte. Ich möchte dafür in der LBV-Kreisgruppe Rosenheim und Traunstein werben, habe aber das Problem, dass man Ihren Artikel nicht richtig ausdrucken kann (für Diskussionen), er hört dann immer am 4. Punkt der Aufzählung von Maßnahmen auf. Ihr Link zur Druckfunktion funktioniert gar nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrike Riedel
Kreisgruppe Rosenheim LBV
Sehr geehrte Frau Riedel,
vielen Dank für Ihr Interesse und den Hinweis, dass die Druckfunktion in unserem Blog nicht funktioniert. Wir werden uns darum kümmern.
Parallel übersende ich Ihnen den Text per E-Mail als Pdf, damit Sie ihn wie geplant an Interessierte weitergeben können.
Herzliche Grüße