Natürliche Astbrüche gehören auch bei anfälligen Baumarten zu den naturgebundenen Lebensrisiken
(Paul-Bastian Nagel) Gesunde, aber natürlicherweise bruchanfällige Weichhölzer wie Pappeln müssen nicht als grundsätzlich zu beseitigende Gefahrenquellen eingestuft werden. Auch wenn bei manchen Baumarten ein erhöhtes Risiko besteht, dass auch im gesunden Zustand Äste abbrechen, müssen nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 6. März 2014 – III ZR 352/13) keine besonderen Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Eine Beseitigung entsprechender Gehölze ist auch an Verkehrswegen unter Beachtung der Sicherungs- und Überwachungspflichten nicht erforderlich.
HILSBERG (2014) fasst in einem Kurzbeitrag die Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) zusammen. In dem Rechtsstreit ging es um einen Schaden, der durch einen herabfallenden, belaubten Ast einer Pappel an einem parkenden Auto entstanden ist. Die Stadt hatte durch regelmäßige Baumkontrollen keine Anzeichen für eine Erkrankung oder Vermorschung der Pappel feststellen können. Die sachgemäße Überwachung wurde daher bereits durch die Vorinstanz bestätigt. Allerdings wurde durch das Oberlandesgericht Thüringen ein erhöhtes, nicht tolerierbares, Lebensrisiko aufgrund eines artspezifischen Risikos von Astbrüchen unterstellt. Die Stadt habe auch deswegen ihre Verkehrssicherungspflicht nicht erfüllt, weil die Pappel an einem Parkplatz stehe und damit die Gefahrenlage für Sach- und Personenschäden aufgrund der höheren Frequentierung und längeren Aufenthaltsdauer höher zu bewerten sei. Diesem erhöhten Risiko habe die Stadt nicht durch besondere Schutzmaßnahmen, beispielsweise durch Absperrungen oder Warnschilder, Rechnung getragen.
Nach Auffassung des BGH würde dies jedoch die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht überspannen: „Die Behörden genügen ihrer diesbezüglichen Sicherungs- und Überwachungspflicht, wenn sie – außer der stets gebotenen regelmäßigen Beobachtung auf trockenes Laub, dürre Äste, Beschädigungen oder Frostrisse – eine eingehende Untersuchung der Bäume dann vornehmen, wenn besondere Umstände – wie das Alter des Baums, sein Erhaltungszustand, die Eigenart seiner Stellung, der statische Aufbau des Gehölzes oder ähnliches – sie angezeigt erscheinen lassen.“ Ein natürlicher Astbruch, für den vorher keine besonderen Anzeichen bestanden hätten, gehöre auch bei hierfür anfälligeren Baumarten grundsätzlich zu den naturgebundenen und daher hinzunehmenden Lebensrisiken. Im Übrigen sei das Risiko an einem Parkplatz nicht anders zu bewerten als an einer Straße. Die Verkehrssicherungspflicht verlange es daher nicht, gesunde, nur naturbedingt vergleichsweise bruchgefährdetere Baumarten an Straßen oder Parkplätzen zu beseitigen oder Baumteile abzuschneiden.
Mehr:
HILSBERG, R. (2014): BGH-Urteil: Keine Fällpflicht für Pappeln. – TASPO BaumZeitung, 02: 12–14; http://baum-des-jahres.de/fileadmin/user_upload/rund_um_den_Buam/Baumzeitung_02_2014_BZ_02-1.pdf.
BUNDESGERICHTSHOF (2014): Urteil des III. Zivilsenats vom 06.03.2014 – III ZR 352/13; http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&nr=67207&linked=urt&Blank=1&file=dokument.pdf.
Zitiervorschlag: Nagel, P.-B. (2015): Natürliche Astbrüche gehören auch bei anfälligen Baumarten zu den naturgebundenen Lebensrisiken. – ANLiegen Natur 37/1, S. 96; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/verkehrssicherung_pappeln/.