6.4.2 Beweidung von Stillgewässer-Lebensräumen
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Zusammenfassung
Stillgewässer, deren Zustand aus naturschutzfachlicher Sicht als gut bewertet wird, müssen nicht beweidet werden, doch schadet eine extensive Beweidung meist nicht. Werden nur Teile eines Gewässers oder wenige kleine Gewässer in eine Weidefläche einbezogen, können jedoch selbst wenige Weidetiere erhebliche Auswirkungen auf die Vegetation haben. Soll die Habitat- und Strukturvielfalt im Uferbereich erhöht werden oder will man Arten fördern, die auf offene Uferstellen oder vegetationsarme Gewässer angewiesen sind, stellt Beweidung mit Rindern, Pferden oder Wasserbüffeln eine probate Methode dar. Auch Schweine sind grundsätzlich geeignet, doch wird ihre Haltung durch Vorschriften hinsichtlich der Zäunung erschwert (vergleiche Kapitel Schweine).
Rinder eignen sich zur Auflichtung von Röhricht-Beständen in Flachwasserzonen. Im Bild Galloways beim Fraß von Rohrkolben in einer Kiesgrube bei Heldenstein, Landkreis Mühldorf.
Foto: Andreas Zahn.
Grundinformationen zur Beweidung von Stillgewässern
Weiher und Teiche dienten auch in Bayern früher oft als Viehtränke, eine Beweidung der Ufer war üblich. In Süd- und Osteuropa sind von Weidetieren beeinflusste Gewässerufer noch heute ein alltägliches Bild. In Auen verzögert die Beweidung die Verlandung der vom Fluss abgeschnittenen Altwässer durch den Verbiss der Verlandungsröhrichte. Das führt zur Verlängerung der Lebensdauer von Stillwassern in der Aue (GARNIEL 1999).
Werden Stillgewässer in Weiden einbezogen, so muss mit erheblichen Auswirkungen auf die Vegetation gerechnet werden. Im Einzelfall hängt dies neben den Faktoren Weidetierart und -dichte vor allem vom Verhältnis der beweideten Gewässerufer (beziehungsweise der Ausdehnung der Röhrichtzone) zur gesamten Weide und der Schmackhaftigkeit der Vegetation auf der Restfläche ab. Je kleiner der Anteil der beweideten Uferfläche an der gesamten Weidefläche ist, umso stärker sind die Auswirkungen auf die Vegetation und damit auf die Tierwelt dieses Bereichs. Starke Auswirkungen kann es auch in generell extensiven Weidesystemen geben, wenn zum Beispiel
- bei Koppelhaltung die Viehdichte am Ufer zeitweise hoch ist,
- der Bewuchs am Ufer für die Weidetiere besonders schmackhaft ist oder
- wenn auf großen Weiden nur wenige kleine Gewässer als Tränke zur Verfügung stehen.
Sind auf großen Standweiden (insbesondere Ganzjahresweiden) zahlreiche oder große Gewässer vorhanden, werden sie von Rindern und Pferden mitunter nur an bestimmten „traditionellen“ Trink- und Badeplätzen aufgesucht, während andere Bereiche kaum betreten werden (KRÜGER 2006). Dieses Verhalten führt zumeist zu einer erhöhten Habitatvielfalt.
Generell gilt: Je größer die Weide sowie die Gewässerflächen und je vielfältiger Struktur, Größe und Verteilung der Gewässer auf einer Extensivweide sind, umso weniger muss steuernd eingegriffen werden (BUNZEL-DRÜKE et al. 2008).
Wie der Einfluss der Beweidung auf ein Gewässer zu werten ist, hängt von den Zielen des Naturschutzes ab, sodass im Einzelfall geprüft werden muss, welches Schutzziel vorrangig ist. Was für die Kreuzkröte (Bufo calamita) ideal ist, bedeutet für schilfbrütende Vogelarten unter Umständen eine völlige Zerstörung des Habitats. Nach RINGLER (2009) werden beispielsweise Kleingewässer auf Almen durch Beweidung im Extremfall zertrampelt und sind dann vegetationslos, was neben seltenen Pflanzenarten zum Beispiel auch viele Libellenarten oder die Larven mancher Amphibien schädigt. Andererseits können solche Tümpel für Habitatspezialisten - wie die Gelbbauchunke (Bombina variegata) - von Bedeutung sein. Besonders stark verändern sich Gewässer mit weichen Böden, zum Beispiel in Torfmooren. Nach MUTH & ROHRMOSER (2002) wird die Ufervegetation rasch zertreten, es entstehen nackte Torfstellen. Die Torfmoose verschwinden. Fadenbinse und Braunsegge bleiben zurück. Mit dem Viehtritt entsteht Torfschlamm, der die gesamte Schlenke ausfüllen kann. Die moortypische Fauna wird stark geschädigt.
Weidetiertritt am Ufer führt zu Störungen der Vegetation, schafft aber geeignete Habitate für die Kleine Pechlibelle (Ischnura pumilio).
Foto: Andreas Zahn.
Bis zu einem gewissen Grad fördern Beweidung und Viehtritt die Pionierstandorte an Gewässern und die daran angepassten Pionierpflanzen sowie hoch spezialisierte Wirbellose (LLUR 2010). Soll die Habitat- und Strukturvielfalt im Uferbereich eines Gewässers erhöht werden oder will man Arten fördern, die auf offene Uferstellen oder vegetationsarme Gewässer angewiesen sind, stellt Beweidung eine gute Methode dar, wobei nicht alle Weidetierarten geeignet sind. Während Schafe und Ziegen Uferbereiche eher meiden und kaum im Gewässer Nahrung aufnehmen, fressen Rinder, Pferde und besonders Wasserbüffel mitunter intensiv im Flachwasser, wodurch Schilf- und Rohrkolbenbestände in flachen Gewässern völlig beseitigt werden können. Rinder weiden in bis über 50 cm tiefen Gewässerabschnitten an Röhricht und Pferde können sogar mit den Hufen submerse Vegetation zu Haufen scharren, um sie zu fressen, wenn sie über die Wasseroberfläche ragt (ZAHN, persönliche Beobachtung). Ausgedehnte Flachwasserbereiche und periodisch überschwemmte Zonen lassen sich besonders gut durch Wasserbüffel beweiden. Sie suchen solche Flächen lieber auf als Rinder und Pferde. Sie können dadurch Dominanzbestände stärker auflockern (WIEGLEB & KRAWCZYNSKI 2010). Auch mit Schweinen lassen sich Röhrichte öffnen und vegetationsarme Ufer schaffen, doch wird ihre Haltung durch Vorschriften hinsichtlich Hygiene und Zäunung extrem erschwert (vergleiche Kapitel Schweine).
Besteht die Gefahr, dass die angestrebte Ufervegetation zu stark beeinträchtigt wird, kann erwogen werden, Teile eines Stillgewässers zeitweise oder dauerhaft auszuzäunen. Bei Kleingewässern lassen sich Elektrolitzen und Drähte ebenso wie mechanische Zäune (Stacheldraht) meist quer über das Gewässer spannen. Werden Stillgewässer mit starken Wasserstandsschwankungen einbezogen, ist die Zäunung erschwert. Insbesondere Elektrozäune stellen bei ansteigendem Wasserstand ein Risiko dar. Daher kann es sinnvoll sein, die beweideten Gewässerabschnitte eher durch mechanische Zäune abzugrenzen und einen Elektrozaun nur zusätzlich (oberhalb des üblicherweise erreichten Hochwasserstandes) anzubringen.
Einzäunung einer Pferdeweide in einer Hartholzaue (Marchegg, Österreich). Auf stromführende Teile wird komplett verzichtet und die frei schwingenden Stangen im Gewässer sind im Hochwasserfall für Treibgut passierbar.
Foto: Andreas Zehm.
Für Pferde, Rinder, Ziegen und Schafe kann die Zäunung im Falle größerer, tiefer Gewässer so gestaltet werden, dass sie am Ufer endet und ein mechanischer Zaun ein Stück in das Gewässer hinführt. Die Weidetiere würden nur in einer Notsituation schwimmen. Wasserbüffel schwimmen jedoch problemlos und lassen sich dadurch nicht aufhalten.
Durch Auszäunung eines Gewässerteils entwickelt sich die Vegetation eines Weihers auf einer Rinderstandweide sehr unterschiedlich.
Foto: Andreas Zahn.
Wenn auf einer Weide nur wenige Kleingewässer vorhanden sind, deren Vegetation zu stark zerstört wird, kann die Anlage weiterer Gewässer die Attraktivität der Einzelgewässer (zum Beispiel als Tränke) vermindern. Der Druck auf die Vegetation könnte so ebenfalls reduziert werden. Eine Auszäunung kann sich unter diesen Voraussetzungen mitunter erübrigen. Ist die Reduktion der Vegetation an einem Gewässer gewünscht und sollen lediglich einige geschützte Rückzugsräume erhalten werden, so können Gruppen aus groben Steinblöcken, Haufen aus starken Ästen oder Baumstubben das Betreten bestimmter Uferbereiche für die Weidetiere erschweren. Durch grobe Blocksteine oder schwere Baumstubben lassen sich auch Rückzugsräume im Gewässer schaffen, die von den Weidetieren kaum betreten werden.
Auswirkungen auf die Vegetation
Ufer eutropher Stillgewässer bieten Rindern, Pferden und Wasserbüffeln oft sehr attraktive Nahrungspflanzen wie Rohrkolben (Typha) oder Schilf (Phragmites), sodass sie intensiv beweidet werden, selbst wenn die Besatzdichte gering ist. Dabei werden auch Neophyten wie das Indische Springkraut (Impatiens glandulifera) gefressen. Durch die Reduktion des Röhrichts nimmt die Artenzahl im Uferbereich zunächst zu, bei stark von den Weidetieren frequentierten Gewässern jedoch wieder ab. Der Nährstoffgehalt der Gewässer erhöht sich durch Beweidung in der Regel nicht. Da die Tiere am Ufer zwar fressen, doch überwiegend in trockeneren Bereichen lagern, wo sie auch verstärkt Kot abgeben, erfolgt langfristig eher ein Nährstoffaustrag aus nassen Uferzonen. Gerade bei kleineren Gewässern kann jedoch die Abgabe von Kot und Urin für einige Zeit zu einer deutlichen Eutrophierung des Gewässers führen.
Am Neusiedler See (Österreich) konnte die Ausbreitung von Schilf (Phragmites communis) an den ökologisch besonders wertvollen Rändern der „Lacken“ (salzhaltige, zum Teil periodische Flachgewässer) durch Beweidung weitgehend gestoppt beziehungsweise stark verschilfte Bereiche konnten wieder in Salzrasen rückgeführt werden (KORNER et al. 2008). Dieser Rückgang verbesserte sowohl die Habitatbedingungen für seltene Pflanzenarten der Salzrasen und der Zwergbinsen-Gesellschaften als auch für Limikolen und andere Wasservögel. Die Reduktion des Schilfs ist vor allem auf die Zerstörung der Rhizome durch Tritteinwirkung zurückzuführen und weniger auf den Biomasseentzug. Die Beweidung durch Pferde stellte sich bei der Zurückdrängung des Schilfs als effektiver heraus als die durch Rinder, doch drängen auch letztere Schilf gut zurück.
Wie AHRENDT (2004) feststellte, werden an den beweideten Nuthseen bei Hommersum (Nordrhein-Westfalen) die nassen Flutrasen von den Rindern erst im Hochsommer regelmäßig aufgesucht, wobei sie dann Binsenhorste zunehmend verbeißen, was konkurrenzschwache, seltene Sumpfpflanzen wie Sumpf-Sternmiere (Stellaria palustris), Sumpf-Blutauge (Potentilla palustris), Sumpfquendel (Lythrum portula), Wasserfeder (Hottonia palustris), Schild-Ehrenpreis (Veronica scutellata) oder Blasen-Segge (Carex vesicaria) fördert und ein Vegetationsmosaik aus kurzhalmigen Flutrasen, starr aufrechten Binsen-Beständen und lückigen Schlammfluren schafft.
Büffelsuhlen, die in Mitteleuropa von den Tieren nur in den heißesten Perioden intensiv genutzt werden (ZAHN et al. 2015), stellen Habitate für kleine, konkurrenzschwache Pflanzenarten wie Mäuseschwänzchen (Myosurus minimus) oder Sumpf-Dreizack (Triglochin palustre) dar (WIEGLEB & KRAWCZYNSKI 2010).
Durch behirtete Rindernutzung werden die Gewässerufer im Seewinkel des Neusiedler Sees (Österreich) vegetationsarm gehalten.
Foto: Andreas Zahn.
Auswirkungen auf die Fauna
Das Erhalten beziehungsweise die Neuschaffung vegetationsarmer Ufer durch Beweidung ist europaweit eine übliche Methode bei der Pflege von Nahrungshabitaten für Limikolen. Am Neusiedler See wurde die Beweidung der Ufer wieder aufgenommen, nachdem die Limikolenbestände mit zunehmender Verschilfung der Lacken im Seewinkel abgenommen hatten (KORNER et al. 1999). Am Illmitzer Zicksee (einer der Lacken im Seewinkel) wird seit 1987 sehr erfolgreich eine Rinderherde (120 Muttertiere) eingesetzt, um geeignete Lackenbereiche mit niedriger bis mittelhoher Vegetation zu erhalten. Die Flächen werden über das gesamte Jahr mit einer Besatzdichte von maximal 1 GVE/ha, der Großteil des Weidegebietes jedoch mit weniger als 0,5 GVE/ha bestoßen. Amphibien-Laichgewässer lassen sich so für Laubfrosch (Hyla arborea), Gelbbauchunke (Bombina variegata) oder Wechselkröte (Bufo viridis) in einem vegetationsarmen Zustand halten (ZAHN 2006; ZAHN & NIEDERMEIER 2004). Auch Grasfrösche (Rana temporaria) nutzen die durch Beweidung offen gehaltenen Flachwasserzonen gerne als Laichplatz. Andere Amphibienarten wie Erdkröte (Bufo bufo), Molche und Grünfrösche tolerieren die Beweidung der Gewässer zumindest (ZAHN, persönliche Beobachtung).
Ausgedehnte Schilfreinbestände sind nach WIEGLEB & KRAWCZYNSKI (2010) aufgrund der Arten- und Strukturarmut selbst für viele schilfbewohnende Vogelarten wie Rallen (Rallidae) keine optimalen Habitate. Entstehen durch Beweidung kleinflächig offene Boden- und Wasserstellen sowie lokale Vorkommen anderer Pflanzengemeinschaften, wird die Habitatvielfalt erhöht. Das erhöht für Vogelarten wie Rallen, Schnepfen oder Reiher das Nahrungsangebot, was sich aus faunistischer Sicht günstig auswirkt, solange der Röhrichtbestand insgesamt erhalten bleibt.
Auch Pionierarten unter den Libellen, wie Plattbauch (Libellula depressa), Großer Blaupfeil (Orthetrum cancellatum) oder Heidelibelle (Sympetrum spec.), profitieren von der Beweidung der Gewässerufer (ENGE 2008). Andererseits schädigt nach MUTH & ROHRMOSER (2002) die Beweidung von Gewässern in Torfmooren die hier vorkommenden seltenen Libellenarten. Durch den Viehtritt entsteht Torfschlamm, der die gesamte Schlenke ausfüllen kann, aber auch Schwingrasen werden begünstigt, sodass die für Libellen wichtigen freien Wasserflächen zurückgehen. Kot und Urin begünstigen Algenwachstum und minerotraphente Pflanzenarten. Larven anspruchsvoller Moorlibellen wie Mosaikjungfern (Aeshna) gehen zurück oder fehlen aufgrund des Verlustes von Ufermoosen (Verstecke) und der freien Wasserfläche sowie aufgrund der geänderten Licht- und Temperaturverhältnisse.
Nach PAINTER (1999) kann die Beweidung von Tümpeln und Gräben zwar die Artenvielfalt von Wasserinsekten und Weichtieren erhöhen, jedoch unterscheidet sich das Artenspektrum beweideter und unbeweideter Gewässer. Die höchste Artenvielfalt wird erreicht, wenn nur ein Teil der Gewässer beziehungsweise des Ufers beweidet wird.
Grasfrösche (Laichballen im Vordergrund) ziehen bei Jettenbach (Landkreis Mühldorf) durch Beweidung offen gehaltene Gewässer den Gewässern mit Schilfbeständen vor.
Foto: Andreas Zahn.
Fallbeispiel
Rinderbeweidung im NSG Bültsee (KÄMMER 2001, ohne Datum)
Der Bültsee liegt 6 km nordwestlich von Eckernförde und gilt als einer der letzten nährstoffarmen Seen in Schleswig-Holstein. 1996 begann die Beweidung der Uferbereiche am Nordufer des Bültsees mit Galloways, um vegetationsarme, offene Uferbereiche als geeignete Standorte für die Strandlings-Gesellschaft (Littorelletea) mit Strandling (Littorella uniflora) oder Gewöhnlichem Pillenfarn (Pilularia globulifera) zu erhalten.
Die Besatzdichte in den Weidelandschaften am See liegt je nach Standort zwischen 0,3 und 0,6 GV/ha. Zunächst erfolgte die Beweidung auf großen Koppeln. In den letzten Projektjahren fand eine Ganzjahresbeweidung auf 33 ha durch 16 Galloways mit Nachzucht statt. Zu Beginn der Vegetationsperiode schafften es die Galloways nicht, den Aufwuchs kurz zu halten. So hatten die seltenen Pflanzen der trockenen Hänge (aber auch die in den Uferbereichen) die Möglichkeit, ihren generativen Entwicklungszyklus abzuschließen und sich zu vermehren. Erst im Winter wurde die Vegetation ganz abgefressen.
Da die Galloways bevorzugt im Uferbereichen weiden und dabei vor allem Schilf, aber auch andere Pflanzen fressen, die ihre Nährstoffe aus dem Seegrund beziehen, führte dies langfristig zu einer Nährstoffverlagerung vom See weg, hin zu den Ruheplätzen, an denen die Wiederkäuer lagern. Der ehemals dichte Schilfbestand am Ostufer wurde soweit aufgelockert, dass sich der Strandling (Littorella uniflora) in den entstandenen Lücken großflächig ansiedeln konnte.
Angaben zu speziellen Lebensräumen
Stillgewässer der in Bayern anzutreffenden FFH-Lebensraumtypen:
- Lebensraumtyp 3130: In Stillgewässern mit Pioniervegetation ist Beweidung bedingt möglich.
- Lebensraumtyp 3140: In Stillgewässern mit Armleuchteralgen ist Beweidung bedingt möglich, jedoch nur, sofern durch intensives Monitoring festgestellt wird, dass die auf nährstoffarme Bedingungen angewiesene Flora nicht gechädigt wird.
- Lebensraumtyp 3150: In Nährstoffreichen Stillgewässer ist Beweidung bedingt möglich.
- Lebensraumtyp 3160: Dystrophe Stillgewässer können nicht beweidet werden.
Diese Gewässer-Lebensraumtypen benötigen in der Regel keine Beweidung zur Erhaltung, doch kann eine Beweidung hochwüchsige, konkurrenzstarke Pflanzenbestände auflichten und so lebensraumtypische, konkurrenzschwache Arten fördern (LLUR 2010). Bei nährstoffreichen Gewässern ist eine extensive Beweidung mitunter hilfreich, um die Sukzession beziehungsweise die Verlandung zu bremsen.
Das gilt auch für die in den FFH-Lebensraumtypen auftretenden Großröhrichte (Biotoptyp VH3140) und Kleinröhrichte (Biotoptyp VK3140), deren Initialvegetation (Biotoptyp SI3140) sowie Großseggenriede der Verlandungszone (Biotoptyp VC3140). Dabei ist jeweils eine Erfolgskontrolle erforderlich, um bei einer zu starken Beeinträchtigung der Vegetation Uferbereiche auszäunen zu können.
Bei natürlich eutrophen Seen (Magnopotamions oder Hydrocharitions, Lebensraumtyp 3150) kann eine Beweidung die typischen Vegetationsabfolgen im See und in seinen Verlandungsbereichen stören, sodass sie unterbleiben sollte. Allerdings spricht dies nicht gegen eine Beweidung der angrenzenden Kontaktlebensräume wie Nasswiesen und Seggenriede, solange die Röhrichte im Bereich zwischen Hochwasser- und Niedrigwasserlinie ausgenommen bleiben (LLUR 2010). In einzelnen Fällen (meist an größeren Binnenseen in mehr oder weniger kleinen Uferabschnitten) ist eine Beweidung der direkten Ufer (Eulitoral) aus Artenschutzgründen jedoch sinnvoll, um zum Beispiel Brut- und Rastplätze für Vogelarten zu erhalten, und wird auch in der Europäischen Wasserrahmenrichtlinien-Maßnahmen-Datenbank als FFH-Maßnahme geführt.
Die durch Huminsäuren braungefärbten Stillgewässer des Lebensraumtyp 3160 befinden sich meist direkt auf Torfsubstraten oder im Kontakt zu Torfsubstraten in Mooren. Der Eintrag von Nährstoffen und die Beeinträchtigung der Uferstruktur durch Trittbelastung kann den Lebensraumtyp stark schädigen. Eine Beweidung der angrenzenden Kontaktlebensräume kann unter Berücksichtigung verschiedener Vorsichtsmaßnahmen aber durchaus sinnvoll sein.
Literatur
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Autor:
Dr. Andreas Zahn
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andreas.zahn@iiv.de
Gutachter:
Prof. Dr. Eckhard Jedicke
Dr. Andreas Zehm
Zitiervorschlag:
Zahn, A. (2014): Beweidung von Stillgewässer-Lebensräumen. – In: Burkart-Aicher, B. et al., Online-Handbuch "Beweidung im Naturschutz", Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL), Laufen, www.anl.bayern.de/fachinformationen/beweidung/handbuchinhalt.htm.
Ansprechpartnerin an der ANL:
Dr. Bettina Burkart-Aicher
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