7.13 Beweidung mit Elchen
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Zusammenfassung
Elche benötigen große Mengen an eiweißreicher und leicht verdaulicher Nahrung, im Winter etwa zehn Kilogramm täglich, im Sommer mindestens das Doppelte, eine laktierende Elchkuh im Sommer sogar bis zu 40 Kilogramm. Der Elch kann bis zu vier Meter hohe Jungbäume zu Boden drücken. So erfüllt er die ökologische Funktion, Brachflächen länger offen zu halten – das schafft Raum für spezielle Biotope mit lichtliebenden Kräuterarten. Bietet die Region nicht mehr ausreichend Nahrung, zieht er weiter und verbreitet er über sein Fell Pflanzensamen über weite Distanzen. Dennoch ist er zum Einsatz in der Landschaftspflege nur bedingt geeignet: Der Flächenbedarf für Elche in unserer eng gegliederten Landschaft ist oftmals das Ausschlusskriterium. Aufgrund des hohen finanziellen Aufwandes für die Zäunung und dem notwendigen kostenintensiven Betreuungsaufwand kommen Elche nur äußerst selten für Beweidungsprojekte in Frage.
Naturschutzrelevante Informationen zu Biologie, Verhalten und Nutzungsgeschichte von Elchen
Elche gehören zur natürlichen Großtierfauna Mitteleuropas und waren bis ins mittlere Mittelalter hier heimisch (BURKART 2003). Die Ausbreitung des Elches nach Süden wird von den Sommertemperaturen begrenzt, da ihm warmes (mehr als 10°C) und trockenes Klima nicht bekommt. Bevorzugte Lebensräume des Elches sind Flussauen sowie Moor- und Sumpfgebiete. Er ist im Sommer überwiegend Einzelgänger (abgesehen von Weibchen mit Jungtieren), im Winter meist in Kleingruppen. Elche, insbesondere Jungtiere, unternehmen häufig ausgedehnte Wanderungen. Elche werden zwar in manchen Ländern gezähmt und zum Beispiel für den Lastentransport genutzt, sie wurden jedoch nie domestiziert.
Der Elch ist sowohl tag- als auch (besonders im Sommer) nachtaktiv. Auf Nahrungssuche legen Elche weite Strecken zurück. Elchmütter und brünftige Bullen können sehr angriffslustig sein.
Fraßverhalten von Elchen
Wegen seines kurzen Halses und der hohen Läufe nehmen Elche bevorzugt 50 bis 300 cm hohe Vegetation auf, die bequem mit dem Maul erreicht werden kann. Sie benötigen im Winter täglich bis zu 10 kg, im Sommer sogar bis zu 40 kg Frischfuttermenge (HEPTNER & NASIMOWITSCH 1974). Als Konzentratselektierer (Laub- und Strauchfresser) und Wiederkäuer stellt der Elch besondere Ansprüche an seine Futterversorgung (BUNZEL-DRÜKE et al. 2008). Im Sommer werden neben frischen Blättern von Gehölzen viele Arten der Feuchtgebiete, wie Pfeilkraut, Sumpfdotterblume, Kalmus, Froschlöffel, Mädesüß, Hahnenfuß, Sumpfblutauge, Fieberklee, Rohrkolben, Schachtelhalm, See- und Teichrose sowie auch submerse Vegetation, gefressen.
Elche streifen gern die Blätter von den Zweigen ab; der verbleibende Teil ist oft kaum in der Lage, sich zu regenerieren. Das Ergebnis sind zweigreiche, gestutzte Büsche, deren Ausschläge wiederum eine ideale Nahrung darstellen. Im Winter werden vor allem Zweige verschiedener Gehölze aufgenommen. Gerne gefressen werden Eberesche, alle Weidenarten, Espe und Eiche, Kiefer, Hasel, Faulbaum und Ahorn. Erle und Fichte sind weniger beliebt, auch Birken werden nicht stark befressen (BURKART 2006; GĘBCZYŃSKA & RACZYŃSKI 2001). Vorwiegend werden Knospen und Zweigspitzen der Gehölze verbissen. Besonders gegen Ende des Winters schälen Elche auch die Rinde dünnerer Bäume. Sie graben zudem im Schnee nach Nahrung.
Nach BURKART (2003) wurden zum Beispiel Weiden ganzjährig intensiv verbissen, Birken hingegen erst ab Juni und Kiefern im Winter. Zitterpappeln wurden im Frühjahr kurz vor dem Austrieb stark geschält. Die Elche knickten zudem viele Bäume bis zu einem Brusthöhendurchmesser von 4 bis 6 cm um, insbesondere der Bulle während der Brunst. Im Herbst und Winter wurde Heidekraut verstärkt beweidet.
Einfluss von Elchen auf Vegetation und Landschaft
Die Elche nehmen deutlichen Einfluss auf die Vegetation, insbesondere auf die Artenzusammensetzung und die Wuchsform. Der entscheidende Verbiss findet im Winter statt. Zu dieser Zeit werden auch harzende Gehölze wie Kiefern stärker verbissen (BUNZEL-DRÜKE et al. 2008; HEPTNER & NASIMOWITSCH 1974). Offene Bodenstellen entstehen bei extensiver Haltung nur in geringem Umfang (BURKART 2004).
Ein Aufkommen von Gehölzen wird unter natürlichen Bedingungen vermutlich nicht verhindert, in Gehegen ist dies jedoch in Abhängigkeit vom Arteninventar denkbar. Beobachtungen zeigen, dass beispielsweise in einem Gehege nur vereinzelt vorkommende Baum- oder Straucharten (zum Beispiel Prunus serotina) massiv geschädigt wurden (BURKART 2006).
Einfluss von Elchen auf die Fauna
Durch die Schädigung der Gehölze können auf Totholz angewiesene Arten gefördert werden. Elche benötigen massive Zäune, die – je nach Bauart – für andere Großtiere schlecht passierbar sind. Für kleinere Arten wie Rehe und Wildschweine sind Durchlässe möglich. Elchgehege, die nicht betreten werden dürfen, bieten Wildtieren einen Schutz vor Störungen durch den Menschen.
Empfohlenes Elch-Weidemanagement
Elche werden praktisch nur für großflächige Ganzjahresbeweidungsprojekte und unter Einbeziehung anderer Tierarten in Frage kommen. Wird die Gehölzvegetation unerwünscht zu sehr geschädigt, kann die Einrichtung eines kleineren Wintergatters mit Zufütterung erwogen werden. Für eine artgerechte Haltung müssen Gewässer in ausreichender Größe und Anzahl vorhanden sein.
Besatzdichte und Herdengröße für Elchweiden
Elche benötigen großräumige Gehege mit Wald, Freiflächen und Wasserflächen. Für jedes adulte Tier ist allein vom Platzbedarf eine Mindestfläche von 10.000 m² erforderlich (BMEL 1995, 2014). Werden Elche zur Landschaftspflege eingesetzt, müssen die Areale in der Regel noch deutlich größer sein. Es sollte ein Geschlechterverhältnis von etwa 1:3 angestrebt werden.
Welche Elch-Herkunft?
Es sollten Elche aus (mittel-)europäischen Populationen verwendet werden.
Kombination von Elchen mit anderen Weidetieren
Da von Elchen beweidete Gehege sehr weitläufig sein sollten, um den Ansprüchen dieses Tiers zu genügen, der Äsungsdruck auf die Vegetation dadurch aber herabgesetzt wird, kann eine Kombination mit anderen Weidetieren erforderlich werden. Getestet wurde in der Oberlausitz die Kombination mit Schafen, Ziegen oder Pferden. Ziegen eignen sich zwar für die Zurückdrängung von Gehölzen sehr gut, bevorzugen im Gegensatz zu den Elchen aber trockene Flächen. Eine kleinflächige Koppelung mit Umtrieb ist bei Schafen und Ziegen stets erforderlich und bedeutet einen hohen Mehraufwand im Management. Hinsichtlich Beweidungsleistung und Stückzahl pro Fläche passen Pferd und Elch am besten zusammen (STRIESE, mündliche Mitteilung).
Elchbulle „Toke“ mit ostpolnischen Konik-Wildpferden auf der Naturerbefläche Daubaner Wald im Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft.
Foto: Jahn Gahsche.
Zäunung für Elchweiden
Beim sprungstarken Elch ist eine Zaunhöhe von 2,50 m einzuhalten. Er muss so fest sein, dass er von den Tieren nicht niedergedrückt werden kann. In der Oberlausitz hat sich ein 2,5 m hoher Zaun aus Knotengeflecht mit 50 cm Bodenfreiheit als Durchschlupf für kleinere Wildtiere bewährt. Eine 1,3 m hohe Absperrung aus Kiefernstangen/Elektodraht auf der Innenseite verhindert, dass die Tiere direkt an den Zaun treten können.
Land- und betriebswirtschaftliche Aspekte, Tierschutz
Elche scheinen im Gehege eine vergleichsweise hohe Krankheitsanfälligkeit (Parasiten) aufzuweisen. Schon aufgrund der Zäunung ist die Haltung von Elchen sehr aufwendig. Ihre Verwendung in großen Gehegen kann jedoch aus Gründen der Öffentlichkeitsarbeit (Tourismus) erwogen werden. Eine Nutzung der Tiere (Fleisch) ist denkbar.
Fazit
Aufgrund des Aufwandes für die Zäunung kommen Elche nur selten für Beweidungsprojekte in Frage. Eine Kombination mit anderen Arten – für die Bodenvegetation – ist aufgrund ihres speziellen Fraßverhaltens sinnvoll.
Literatur
BMEL (= Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Hrsg., 2014): Gutachten über Mindestanforderungen an die Haltung von Säugetieren, 300 S.; www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Tier/Tierschutz/GutachtenLeitlinien/HaltungSaeugetiere.pdf (Stand 18.05.2016).
Bunzel-Drüke, M., Böhm, C., Finck, P., Kämmer, G., Luick, R., Reisinger, E., Riecken, U., Riedl, J., Scharf, M. & Zimball, O. (2008): "Wilde Weiden", Praxisleitfaden für Ganzjahresbeweidung in Naturschutz und Landschaftsentwicklung. – Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz im Kreis Soest e.V. (ABU), Bad Sassendorf-Lohne, ISBN 978-3-0002-4385-1: 215 S.
Burkart, B. (2003): Der Einfluss von Schafen, Ziegen und Elchen auf die Vegetation des ehemaligen Panzerschießplatzes Dauban. – Culterra Schriftenreihe des Instituts für Landespflege 31: 217–234.
Burkart, B. (2004): Zur Eignung von Elchen für Offenlandmanagement – erste Erfahrungen aus dem Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft. – In: Beiträge der Akademie für Natur- und Umweltschutz Baden-Württemberg, Band 36: 10–15.
Burkart, B. (2006): Offenlandmanagement mit Haus- und Wildtieren am Beispiel des ehemaligen Truppenübungsplatzes Dauban/Oberlausitz. – Culterra Schriftenreihe des Instituts für Landespflege 45: 302 S.
Gębczyńska, Z. & Raczyński, J. (2001): Der Elch im naturnahen Landschaftsbild des Biebrzatales. – Natur- und Kulturlandschaft 4: 367–374.
Heptner, W. G. & Nasimowitsch, A. A. (1974): Der Elch Alces alces. – Wittenberg: 239 S.
Autor:
Dr. Andreas Zahn
Hermann-Löns-Straße 4
84478 Waldkraiburg
Telefon +49 8638 86117
andreas.zahn@iiv.de
Gutachter:
Michael Striese
Zitiervorschlag:
Zahn, A. (2014): Beweidung mit Elchen. – In: Burkart-Aicher, B. et al., Online-Handbuch "Beweidung im Naturschutz", Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL), Laufen; www.anl.bayern.de/fachinformationen/beweidung/handbuchinhalt.htm.
Ansprechpartnerin an der ANL:
Dr. Bettina Burkart-Aicher
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