Alte Eichen in Mittelfranken erhalten
Laufzeit: ab 2016
Alte Bäume in der freien Landschaft sind oft von weither zu sehen und dienen so als Orientierungspunkte und Landmarken. Manche von ihnen sind echte Persönlichkeiten; wegen ihrer unverwechselbaren Gestalt nimmt man sie bewusster als Individuen wahr als andere Pflanzen. Erst bei näherem Hinsehen wird klar: Ein alter Baum ist kein isoliertes Einzelwesen, sondern ein Refugium für viele andere Organismen. Bis zu 1.500 verschiedene Tierarten können in und von einem einzigen alten Baum leben – nebst vielerlei Mikroorganismen, Pilzen, Flechten und Moosen. Der Erhalt dieser Baumriesen dient also auch der heimischen Biodiversität.
Die alten Eichen, die frei in der Landschaft oder im Wald stehen, sind freilich nicht nur jede für sich wertvoll. Baumreihen oder Alleen können entfernte Eichenbestände oder alte Einzelbäume miteinander verbinden und bilden daher für viele Tiere wichtige Vernetzungselemente. Gerade für Arten mit geringem Aktionsradius ist der Erhalt solcher „Trittsteine“ besonders wichtig. Deshalb hat sich die Regierung von Mittelfranken gemeinsam mit dem Landschaftspflegeverband Mittelfranken (LPV) und dem Landesbund für Vogelschutz (LBV) vorgenommen, alte Bäume als Horte der Artenvielfalt zu erhalten. Ihr Schutz tut Not, denn viele uralte Baumriesen sind durch eine immer intensivere Nutzung des Waldes und der Äcker und Wiesen um sie herum gefährdet.
Gründliche Bestandsaufnahme
Das Biodiversitätsprojekt konzentriert sich auf den Landkreis Roth. Zunächst ging es darum, sich ein Bild zu machen: Wo stehen alte Eichen und weitere wertvolle Baumgestalten? In welchem Zustand sind diese Bäume? Ist ihre Vitalität beeinträchtigt - und falls ja, welche Schutzmaßnahmen sind sinnvoll und notwendig? Um diese Fragen zu klären, wurde der Landschaftspflegeverband Mittelfranken 2016 beauftragt, rund 370 Eichen – vor allem Stiel- und Traubeneichen – im Landkreis zu kartieren und naturschutzfachlich zu bewerten. Nach dieser Inventur wurden die 30 wertvollsten Eichenbestände mit über 300 Bäumen ausgewählt; neben einzeln stehenden Exemplaren sind darunter auch kleinere und größere Gruppen. Für jeden dieser Bäume und Bestände haben die Experten vom LPV entsprechend der jeweiligen Standorte und der Nutzung ihres Umfelds Vorschläge gemacht, wie sich die Eichen selbst und ihre ökologische Funktion als Lebensraum für andere Organismen am besten fördern und erhalten lassen.
2017 hat der LPV im Auftrag der Regierung von Mittelfranken damit begonnen, diese Vorschläge in die Tat umzusetzen – in engem Kontakt mit den Gemeinden, dem Forst, der unteren Naturschutzbehörde und privaten Flächeneigentümern, auf deren Grund die alten Eichen stehen. Und nur durch die gute Zusammenarbeit und Unterstützung zahlreicher Beteiligter konnte der Erhalt der Alteichen im Landkreis deutlich gefördert werden.
Alte Baumriesen werden durch aufwachsende Gehölze bedrängt
Zu den prominentesten Beispielen zählt die „Schnittlinger Eiche“ bei Spalt, die als Naturdenkmal ausgewiesen ist. Das Alter dieses stattlichen Baumes wird auf 450 Jahre geschätzt; er hat einen Stammumfang von 6,10 Metern und seine Laubkrone bedeckt rund tausend Quadratmeter Bodenfläche. Lange Zeit stand diese Eiche einsam und alleine in der Landschaft und sorgte mit ihren ausladenden Ästen dafür, dass keine anderen Gewächse um sie herum zu hoch werden konnten. Doch in den vergangenen Jahrzehnten ist der Konkurrenzdruck stärker geworden: Gehölze machen sich breit und nehmen dem Baum Licht und Luft. Um Abhilfe zu schaffen, wurden sie auf Stock gesetzt.
Ähnlich wie die Schnittlinger Eiche werden auch andere Baumriesen durch aufwachsende Gehölze bedrängt – vor allem, wenn sie im Saumbereich von Wäldern stehen. Sie freizustellen, gehört zu den wichtigsten Schutzmaßnahmen des Biodiversitätsprojektes. Sie kam auch auf einer ehemaligen Hutung bei Schloss Kreuth nördlich von Heideck zur Anwendung. Diese Fläche wurde einst mit Rindern, Schafen oder Ziegen beweidet, sprich: gehütet – daher ihr Name. Als Schattenspender für die Weidetiere hatten die damaligen Bauern und Siedler vor 200 oder 300 Jahren einzelne Eichen gepflanzt oder stehengelassen. Ein gutes Dutzend dieser alten Baumgestalten haben sich bis heute erhalten. Mit einer Lebenserwartung von mehr als tausend Jahren könnten sie dort noch viele Jahrhunderte Menschen erfreuen und zahlreichen Tier- und Pflanzenarten eine Heimat geben. Initiiert vom Landschaftspflegeverband haben Stadt und Forst Heideck von Dezember 2017 bis Februar 2018 all jene Bäume und Sträucher entfernt oder auf Stock oder Kopf gesetzt, die den alten Eichen Licht, Luft und Nährstoffe streitig machten.
Auch der Tourismus profitiert vom Naturschutz
Für die schönen alten Eichen in Eysölden bei Thalmässing ging die Beeinträchtigung weniger von anderen Pflanzen als vom Menschen aus. Denn die gemeindeeigene Fläche, auf der sie stehen, wurde vom landwirtschaftlichen Pächter bis unter den Kronenbereich beackert. Dadurch wurde der Boden fortwährend verdichtet und die feinen Haarwurzeln der Eichen verletzt. Nach einer fachlichen Beratung durch den LPV hat die Gemeinde diese Flächen einer anderen Nutzung zugeführt: Über ein gemeindliches Ökokonto ist aus dem Acker nun extensiv bewirtschaftetes Grünland geworden. Weil sie abseits von Wegen auf freiem Feld stehen, dürfen die Bäume in Ruhe altern, ohne dabei vorbeikommende Wanderer zu gefährden; morsche Äste können am Baum bleiben oder auch abbrechen und am Boden verbleiben. Zusätzlich wurden auf der Fläche junge Eichen nachgepflanzt, die nach dem Tod der alten Bäume deren Platz einnehmen können. Längst haben sich die Schnittlinger und Eysöldener Eichen zu einem beliebten Ausflugsziel für Einheimische und Touristen entwickelt.
Initiator/Träger:
Regierung von Mittelfranken
Werkvertragsnehmer:
Landschaftspflegeverband Mittelfranken
Kooperationspartner:
Bayerische Staatsforsten
Gemeinden
Kreisfachberatung für Gartenbau und Landespflege
Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV)
Private Grundstückseigentümer
Rechtler
Untere Naturschutzbehörde
Landkreis:
Roth
Ansprechpartner:
Dr. Stefan Böger, Regierung von Mittelfranken
Nicole Menzel, Landschaftspflegeverband Mittelfranken
Weitergehende Informationen
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Was ist biologische Vielfalt?
Biologische Vielfalt (Biodiversität) lebt auf vielen Ebenen: Die unterschiedliche genetische Ausstattung bestimmt die Vielfalt der Arten, die zusammen eine Vielzahl verschiedener Lebensräume besiedeln.
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