Nicht Fisch, nicht Wurm: Bachneunaugen im Bayerischen Wald
Laufzeit: 2017 bis 2018
Neunaugen sind Relikte aus vergangenen Zeiten: Sie entstanden vor 500 Millionen Jahren und sind damit fast doppelt so alt wie die modernen Knochenfische. Weil sich ihr aalartiger Körper mit dem kieferlosen runden Maul seither kaum verändert hat, gelten die Wasserbewohner als „lebende Fossilien“. Erwachsene Neunaugen haben – wie alle Wirbeltiere – nur zwei Augen. Ihren Namen verdanken sie dem Nasenloch und sieben Kiemenspalten, die zusammen mit dem eigentlichen Auge neun Körperöffnungen pro Seite bilden.
Die bei uns heimischen Bachneunaugen sehen nicht nur anders aus als Fische, sondern führen auch ein völlig anderes Leben: Die frisch geschlüpften Larven sind nur wenige Millimeter groß und graben sich in sandigen bis schlammigen Bereichen des Gewässergrunds ein. Die Larven der Bachneunaugen – man nennt sie Querder – sind blind und verbringen mehrere Jahre im Verborgenen. In dieser Zeit ernähren sie sich von Kieselalgen und anderen Kleinstlebewesen, die sie aus dem Wasser filtrieren. Wenn sie auf eine Körperlänge von 10 bis 20 Zentimeter herangewachsen sind, beginnen sie mit der Umwandlung zu erwachsenen Tieren. Dabei bilden sie auch ihren Darm zurück, denn sie werden ihn in den wenigen Monaten ihres künftigen Lebens nicht mehr benötigen: Nachdem der Verdauungstrakt zurückgebildet und die Geschlechtsorgane vollständig entwickelt wurden, beginnen die Neunaugen im Frühjahr stromaufwärts zu schwimmen, wo sie an geeigneten Stellen ablaichen und nur wenige Tage danach sterben.
Erstmals systematische Erfassung
Die bayerischen Bachneunaugen-Bestände sind in den letzten Jahren merklich zurückgegangen. Während in den nördlichen und westlichen Donauzuflüssen überwiegend das gewöhnliche Bachneunauge (Lampetra planeri) vorkommt, handelt es sich bei den bayerischen Bachneunaugen wohl überwiegend um eine Art des Donau-Bachneunauges (Eudontomyzon). Im Rahmen eines Biodiversitätsprojektes der Regierung von Niederbayern sollen die Neunaugen-Vorkommen erstmals systematisch erfasst werden.
Das Untersuchungsgebiet umfasst vier Gewässersysteme in den Landkreisen Freyung-Grafenau und Passau: den Michelbach, die Kalte Moldau, die Große Ohe und die Mitternacher Ohe. Auf einer Strecke von insgesamt 91 Kilometern sollen dort die Vorkommen von Neunaugen und Fischen, aber auch die Substratbeschaffenheit sowie physikalische und chemische Parameter wie pH-Wert, Sauerstoffsättigung oder der Gehalt verschiedener Stickstoff- und Phosphatverbindungen erhoben werden. Für eine aussagekräftige Bestandsabschätzung haben sich sogenannte Punktfischungen bewährt: Dabei werden an definierten Bachabschnitten mittels schwacher Stromstöße sämtliche Rundmäuler und Fische kurzzeitig betäubt und nach der Zählung unbeschadet wieder freigelassen. Durch Punktbefischungen an 244 ausgewählten Punkten und durch zusätzliche Streckenbefischungen an insgesamt 3.000 Metern wollen sich die Wissenschaftler ein Bild von den jeweiligen Fischgesellschaften im Verlauf der vier Gewässersysteme machen.
Technische Verbauungen im Visier
Mit der Studie wurde das Technische Büro für Gewässerökologie blattfisch e.U. in Wels (Oberösterreich) beauftragt. Unterstützung kommt von Dr. Ulrich Schliewen, der die Fischsammlung und das DNA-Labor der Zoologischen Staatssammlung München betreut: Der Zoologe wird an Querdern, die in den vier Gewässern und ihren Zubringern gesammelt werden, Erbgutanalysen vornehmen und so die Frage klären, ob es sich bei den Neunaugen im Bayerischen Wald womöglich um örtlich begrenzte Unterarten oder gar um eigenständige Gattungen handelt.
Das Projekt wurde im Herbst 2017 begonnen; im Frühjahr 2018 haben bereits erste Kartierungen in den Projektgewässern stattgefunden. Zusätzlich zur Erfassung der Neunaugenbestände soll den Ursachen für deren Rückgang nachgegangen werden. Dazu werden auch Wehranlagen und sonstige technische Verbauungen in Augenschein genommen und hinsichtlich ihrer Passierbarkeit für Neunaugen bewertet. Das Projekt ist vorerst auf ein Jahr begrenzt; die dabei gewonnenen Erkenntnisse sollen in Vorschläge münden, um die Lebensbedingungen für die Bachneunaugen in den Fließgewässern des Bayerischen Waldes zu verbessern.
Initiator/Träger:
Regierung von Niederbayern
Auftragnehmer:
Technisches Büro für Gewässerökologie blattfisch e.U.
Technisches Büro für Gewässerökologie blattfisch e.U.
Kooperationspartner:
Fachberatung für Fischerei (Bezirk Niederbayern)
Ansprechpartner: Dr. Stephan Paintner, Tel. 0871 97512-751
Landkreise:
Freyung-Grafenau und Passau
Ansprechpartner:
Ansprechpartner: Robert Hofmann
Regierung von Niederbayern
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