Eine Steppenlandschaft im Kleinen: die Gipshügel von Mittelfranken
Laufzeit: ab 2018
Zu den wertvollsten botanischen Schätzen Bayerns gehören das gelb leuchtende Frühlings-Adonisröschen und die Violette Schwarzwurzel mit ihren zartlila Blüten. Beide sind Zeugen einer längst vergangenen Landschaft, die nach der letzten großen Eiszeit vor rund 10.000 Jahren aus den Steppen Osteuropas und Asiens nach Mitteleuropa einwanderten und auch die Landschaft in Bayern prägten. Heute ist diese wärmeliebende Steppenvegetation, die sich auf karge Böden spezialisiert hat, weitestgehend verschwunden. Nur kleine Reste konnten sich bei uns halten – in einem Lebensraum, der seinerseits eine Rarität ist: den Gipshügeln Frankens mit ihren speziellen Klima- und Bodenbedingungen.
Diese „Gipssteppen“ – Vegetationskundler sprechen von subpannonischen Steppentrockenrasen – finden sich in Mittelfranken auf den Gipshügeln bei Külsheim und Markt Nordheim. Zusammen mit den unterfränkischen Gipshügeln bei Sulzheim bilden sie die einzigen ihrer Art in ganz Bayern; in Deutschland gibt es entsprechende Lebensräume nur noch im Harzvorland. Ihre Vegetation ist besonders vielfältig, weil sich darin mediterrane Arten aus dem Süden mit pannonischen Arten aus dem Osten mischen.
Das Herzstück dieser Pflanzengesellschaften bilden die Steppenrasen. Darin wachsen neben Adonisröschen und Küchenschelle viele weniger bekannte Raritäten wie Goldaster (Aster linosyris), Steppen-Katzenminze (Nepeta pannonica) und das bayernweit äußerst seltene und stark gefährdete Steppen-Greiskraut (Tephroseris integrifolia). Dazu kommen spezialisierte Gräser wie die Steppen-Segge (Carex supina) oder das Badener Rispengras (Poa badensis). Besonders wertvoll sind die unscheinbarsten Mitglieder dieser Lebensgemeinschaft: spezielle Flechten wie etwa die schwefelgelbe Fulgensia fulgens, die besonders flachgründige und offene Bereiche besiedeln, wo sie sich gegen konkurrenzkräftigere Blütenpflanzen behaupten können. Diese „Bunte Erdflechtengesellschaft“ besiedelt große Flächen am Wüstphüler Gipshügel; weniger verbreitet ist sie in Külsheim und Markt Nordheim.
Zusammenhängendes Naturschutzgebiet
An den Hängen und Rändern der Gipshügel, wo der Boden nicht mehr ganz so trocken und mager ist, gehen die Steppentrockenrasen in Halbtrockenrasen über. Dort kommen unter anderem Ästige Graslilie (Anthericum ramosum), Karthäuser-Nelke (Dianthus carthusianorum), Gamander-Ehrenpreis (Veronica teucrium), Aufrechter Ziest (Stachys recta) und Kleine Wiesenraute (Thalictrum minus) vor.
Die Steppentrockenrasen zählen heute zu den am stärksten bedrohten Lebensraumtypen Bayerns. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts wurden die damals noch häufigen Gipshügel abgetragen, um damit die Felder zu düngen; viele kleinere Gipshügel wurden eingeebnet, um die Landbewirtschaftung zu erleichtern. Die wenigen noch verbliebenen Reste der Steppentrockenrasen wurden bereits vor Jahrzehnten unter Schutz gestellt. In den späten 1960er-Jahren erwarb der BUND Naturschutz den Hirtenhügel und die Kernfläche der Markt Nordheimer Gipshügel „Sieben Buckel“; 2007 konnten weitere Flurstücke vom Landschaftspflegeverband Neustadt/Aisch-Bad Windsheim sowie vom BUND Naturschutz und der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg erworben werden. Dadurch entstand ein zusammenhängendes Naturschutzgebiet von den Höllern im Norden bis zu den Sieben Buckeln im Süden, in dem eine intensive landwirtschaftliche Nutzung untersagt ist.
Doch auch in diesen geschützten Gebieten ist die einzigartige Steppenvegetation in ihrer Existenz bedroht: Zum einen rückt der großflächige, maschinelle Gipsabbau immer näher an die heutigen Schutzgebiete heran und erschwert deren Pflege und Management. Zum anderen führt der fortschreitende Nährstoffeintrag aus der Luft und aus den angrenzenden landwirtschaftlich genutzten Flächen zur schleichenden Anreicherung der einst kargen Böden. Davon profitieren die Arten der Halbtrockenrasen und Säume und überwachsen allmählich die konkurrenzschwächeren Steppenrasenarten. Neben überlegenen Blütenpflanzen machen sich auch bodendeckende Moose breit und verdrängen auf zuvor offenen Bodenstellen die typischen Flechten und Moose des Steppenrasens.
Basis für ein mehrjähriges Monitoring
Um die weitere Eutrophierung aufzuhalten, werden die Gipshügel jeden Herbst von Hand gemäht und das Mahdgut entfernt; konkurrenzstarke Moose werden behutsam ausgekämmt. Zusätzlich zu den eigentlichen Gipshügeln werden seit Beginn der 1990er-Jahre angrenzende Flurstücke angekauft. Sie dienen als Pufferzonen, um den Nährstoffeintrag von landwirtschaftlichen Flächen abzumindern. Zugleich schaffen sie potenzielle Lebensräume für die Ausbreitung der gefährdeten Mager- und Steppenrasen. Auf einigen dieser Flächen wurde bereits vor Jahren der gesamte Oberboden bis auf den anstehenden Gips abgeschoben und im Herbst mit Mahdgut von den Gipshügeln beimpft.
Um den Einfluss dieser pflegenden und fördernden Eingriffe zu studieren, wurden seit 1992 auf den Gipshügeln mehrere Dauerbeobachtungsflächen mit nunmehr über 100 Einzelquadraten angelegt; 2012 wurden auch die Erdflechten am Wüstphüler Gipshügel einbezogen. Alle Studienflächen werden regelmäßig von Dr. Wolfgang von Brackel untersucht. Seit 2008 laufen all diese Arbeiten als Biodiversitätsprojekt der Regierung von Mittelfranken. Anfang 2018 startete ein weiteres Biodiversitätsprojekt zur Aktualisierung des Pflegemanagements für die Gipshügel, initiiert und finanziert durch das Bayerische Landesamt für Umwelt. Ziel des Projektes ist eine noch genauere, kleinflächige Erfassung der Vegetationseinheiten und der wertgebenden Pflanzenarten. Sie umfasst eine Fotodokumentation des Zustandes wesentlicher Teilflächen und Vegetationstypen sowie eine kleinräumige Beschreibung von notwendigen Pflegemaßnahmen und von Zielzuständen für die betrachteten Einheiten. Damit wird die Basis für ein mehrjähriges Monitoring geschaffen, das anhand engmaschiger Erfolgskontrollen die Modifizierung und Optimierung des Pflegekonzeptes sicherstellen soll. Auf den Pufferflächen, deren Oberboden vor zwei Jahrzehnten abgetragen wurde, zeigen sich mittlerweile erste Erfolge: Heute haben sich dort vereinzelt bereits typische Steppenarten wie Dänischer Tragant (Astragalus danicus), Spanische Schwarzwurzel (Scorzonera hispanica) und Frühlings-Adonisröschen (Adonis vernalis) angesiedelt.
Initiator/Träger:
Regierung von Mittelfranken und Bayerisches Landesamt für Umwelt
Werkvertragsnehmer:
Dr. Wolfgang von Brackel
Kooperationspartner:
BUND Naturschutz in Bayern (BN)
Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV)
Landschaftspflegeverband Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim
Naturhistorische Gesellschaft Nürnberg e.V.
Untere Naturschutzbehörde Neustadt a. d. Aisch-Bad Windsheim
Landkreis:
Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim
Ansprechpartner:
Andrea Kerskes, Dr. Andreas Zehm
Weitergehende Informationen
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