Juradistl: Schützen durch nützen
Laufzeit: ab 2009
Jahrhundertelang haben Schäfer ihre Herden über die Talhänge des Oberpfälzer Jura geführt. Durch die regelmäßige Beweidung entstanden charakteristische Magerrasen und Wacholderheiden, die mit den im Tal gelegenen Wiesen und Äckern, kleinen Wasserläufen und waldbedeckten Inselbergen eine der artenreichsten Kulturlandschaften Bayerns bilden. Zu ihrem Erhalt braucht es auch heute noch Schafe. Denn ohne Beweidung würden die kräuterreichen Rasenflächen der Jurahänge zuwachsen und sich dadurch so verändern, dass zahlreiche unserer am stärksten gefährdeten Tier- und Pflanzenarten ihre Lebensgrundlage verlieren würden.
Um die hohe Biodiversität dieser Region zu schützen und zu bewahren, brachten die Landschaftspflegeverbände Amberg-Sulzbach, Neumarkt in der Oberpfalz, Regensburg und Schwandorf sowie der Deutsche Verband für Landschaftspflege gemeinsam mit der Regierung der Oberpfalz bereits im Jahr 2002 eines der größten bayerischen Naturschutzprojekte auf den Weg: das Netzwerkprojekt Oberpfälzer Jura – Mensch – Umwelt – Kultur, kurz nepo.muk. Dem landkreisübergreifenden Ansatz liegt die Erkenntnis zugrunde, dass sich Natur nicht an Verwaltungsgrenzen hält. Stattdessen wollte man einen Biotopverbund aus Trocken- und Feuchtlebensräumen im gesamten Naturraum "Mittlere Frankenalb“ schaffen und nach naturschutzfachlichen Aspekten pflegen und bewirtschaften.
Regionale Gastronomie und heimische Metzger als Partner
Nach dem Motto „Schützen durch nützen“ setzt das Projekt auf die Zusammenarbeit mit Schäfern, Metzgern und Gastwirten aus der Region. Dazu entwickelten die Landschaftspflegeverbände eine regionale Marke namens „Juradistl“, die zunächst nachhaltig produzierte Lebensmittel aus Weidelamm anbot. Seit ihrem ersten Marktauftritt im März 2004 hat sich die Marke fest etabliert und fördert damit gleichermaßen die örtliche Ökonomie und Ökologie. Denn die hohe Nachfrage nach Juradistl-Lammfleisch sichert den Unterhalt der Schäfer und damit den Erhalt der äußerst artenreichen Magerrasen. Zugleich profitieren Tourismus und heimische Gastronomie von der hohen Qualität der Juradistl-Produkte.
Seit 2009 wird das erfolgreiche Projekt im Rahmen der Bayerischen Biodiversitätsstrategie gefördert, die der Bayerische Ministerrat am 1. April 2008 beschlossen hat. Mittlerweile wurde das Produktsortiment, das unter dem Siegel „Juradistl“ vertrieben wird, um Honig, Weiderind und Apfelsaft aus Streuobstwiesen erweitert. Seit Beginn des Projekts wurden große Anstrengungen zum Erhalt der Biodiversität unternommen. Wesentliche Erfolge brachte die Vernetzung von rund 500 Hektar landschaftsprägender Magerrasenflächen. Dies gelang durch die sinnvollere Aufteilung von Weideflächen sowie durch die landkreisübergreifende Neuordnung der Schäfereireviere und Ausweisung von Triftwegen.
Landkreisübergreifende Zusammenarbeit
Zudem wurden etwa 30 Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche aufgekauft, die nun nach naturschutzfachlichen Vorgaben genutzt werden und so zur Stabilisierung des landkreisübergreifenden Biotopverbunds beitragen. Weiter konnten 23 Tierhalter zur extensiven Nutzung von insgesamt 120 Beweidungskomplexen gewonnen werden. Derzeit sind sämtliche Schäferreviere im Projektgebiet besetzt. Die Wertschöpfung für diese Schäferbetriebe hat sich durch das Juradistl-Projekt deutlich erhöht: So wurden bislang über 16.000 Juradistl-Weidelämmer vermarktet. Außerdem sind zehn Partnerbetriebe zu einer extensiven Rinderbeweidung übergegangen, acht von ihnen haben sich dem Juradistl-Weiderind-Programm angeschlossen und haben inzwischen mehr als 150 Juradistl-Weiderinder vermarktet. Zudem wurden mehrere Streuobstbestände wieder einer Nutzung zugeführt. Dies gelang durch die Einführung der Juradistl- Apfelsaftschorle mit einem Absatz von derzeit rund 200.000 Liter pro Jahr.
Tausend Hektar landwirtschaftliche Fläche extensiviert
Durch etwa tausend einzelne Pflegemaßnahmen konnten zahlreiche Biotope neu geschaffen und die Vielfalt der Lebensräume insgesamt gesteigert werden. Zu den wichtigsten Eingriffen zählen die Freistellung von Magerrasen, der Rückschnitt von Sukzessionsgebüsch, die Pflegemahd auf Kalkflachmoor-Flächen und die Wiederherstellung von Triftwegen für die Wanderschäferei. Auch zahlreiche landwirtschaftlich genutzte Flächen konnten stärker am Artenschutz und an der Erhaltung der Biodiversität ausgerichtet werden. Zwischen 2010 und 2018 wurden im Juradistl-Projektgebiet bisher über 1.500 Hektar landwirtschaftliche Fläche mittels Agrar-Umwelt-Maßnahmen extensiviert.
Im weiteren Projektverlauf werden neben der Förderung wilder Tier- und Pflanzenarten künftig auch der Erhalt und die Wiedereinführung alter Kultursorten und Haustierrassen vorangetrieben. Ausgebaut werden soll zudem die Einbindung der Öffentlichkeit: Ein breites Angebot an Vorträgen und geführten Wanderungen und Exkursionen soll Einheimischen und Touristen Umweltwissen vermitteln und die Bedeutung der Biodiversität für jeden Einzelnen nahebringen.
Initiator:
Regierung der Oberpfalz
Träger:
Landschaftspflegeverbände Amberg-Sulzbach, Neumarkt in der Oberpfalz, Regensburg und Schwandorf
Projektmanagement:
landimpuls GmbH, Regenstauf
Kooperationspartner:
Örtliche Gastwirte, Landwirte, Metzger,Schäfer, Keltereien, Schulen, das Studentenwerk Niederbayern/Oberpfalz und viele mehr
Landkreise:
Amberg-Sulzbach, Neumarkt in der Oberpfalz, Regensburg, Schwandorf sowie die Städte Regensburg und Amberg
Ansprechpartner:
Dr. Maria Hanauer, Regierung der Oberpfalz
Weitergehende Informationen
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Was ist biologische Vielfalt?
Biologische Vielfalt (Biodiversität) lebt auf vielen Ebenen: Die unterschiedliche genetische Ausstattung bestimmt die Vielfalt der Arten, die zusammen eine Vielzahl verschiedener Lebensräume besiedeln.
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