Partnervermittlung zwischen den letzten Katzenpfötchen
Laufzeit: 2015 bis 2018
Das Gewöhnliche Katzenpfötchen (Antennaria dioica) erweist sich bei genauerer Betrachtung als ein recht ungewöhnlicher Vertreter der Samenpflanzen. Denn seine Blütenstände sind entweder rein weiblich oder rein männlich. Damit gehören sie zu den wenigen Pflanzenarten, die ihre männlichen Pollenfäden und den weiblichen Fruchtknoten nicht in derselben Blüte oder wenigstens im selben Individuum vereinen. Auf diese Besonderheit verweist der lateinische Artname dioica = zweihäusig.
Als typisches Florenelement einer ehemals kleinteiligen, extensiv genutzten Kulturlandschaft in den Mittelgebirgen Oberfrankens, ist das Katzenpfötchen auf nährstoff- und konkurrenzarme, relativ trockene und basenarme bis bodensaure Standorte angepasst. Diese wurden früher häufig beweidet oder blieben als Randbiotope von Rainen, Böschungen und Wegrändern erhalten. Intensive Landwirtschaft und Flächenversiegelung haben jedoch zu einem drastischen Schwund der Lebensräume und Wuchsorte dieser Art geführt: Einige der durch ein Monitoring noch 2010 belegten Reliktpopulationen im nordostoberfränkischen Raum waren 2015 bereits erloschen. Vermutlich wird der rasante Rückgang der Art durch ihre Zweihäusigkeit noch beschleunigt. Tatsächlich fanden sich in sämtlichen Populationen im Landkreis Hof, die bei ihrer Erfassung vor neun Jahren noch Individuen beider Geschlechter aufwiesen, heute nur noch Pflanzen desselben Geschlechts. Auch die neun verbliebenen Vorkommen im bayerischen und sächsischen Vogtland und im östlichen Frankenwald sind nicht nur klein und voneinander isoliert; sechs von ihnen besitzen nur noch weibliche Exemplare, weitere zwei bestehen ausschließlich aus männlichen Individuen. Wo aber eines der Geschlechter am Wuchsort fehlt, kann sich der Bestand nicht mehr aus eigener Kraft vermehren und geht ohne menschliche Hilfe verloren.
Vermehrung im Botanischen Garten
Mit einem länderübergreifenden Erhaltungsprojekt unter finanzieller Beteiligung der Regierung von Oberfranken und des sächsischen Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie wurden 2015 erste Schritte zur Stärkung der Reproduktion von Antennaria diocia im Landkreis Hof (Bayern) und im Vogtlandkreis (Sachsen) unternommen. Thomas Blachnik von der Agentur & Naturschutzbüro in Nürnberg und Frank Richter vom Büro Landgraf & Richter gingen zunächst im Mai 2015 ins Feld und bestäubten die Blüten per Hand Die so produzierten Samen wurden ab Februar 2016 im Ökologisch-Botanischen Garten der Universität Bayreuth kultiviert und vermehrt. Den Erfolg dieser Vorgehensweise belegen Keimtests, in denen 90 Prozent der von Hand bestäubten Eizellen auskeimten. Bis zur Umpflanzung in Töpfe konnten 2016 insgesamt 420 Jungpflanzen im Botanischen Garten gezogen und später für weitere klonale Vermehrung genutzt werden. Zum zusätzlichen Schutz der Wildpopulationen wurden die jeweiligen Wuchsorte mittels „Pinzettenpflege“ betreut; dabei wird das Umfeld der Rosettentriebe kleinteilig von konkurrierendem Aufwuchs anderer Pflanzenarten befreit und Platz für klonale Ausläufer geschaffen.
Seit 2017 wird das Erhaltungsprojekt als bayerisches Biodiversitätsprojekt weitergeführt mit dem Ziel, den langfristigen Erhalt der Art auf ausgewählten Wuchsorten zu sichern. Zusätzlich zu den seit 2015 bearbeiteten Populationen wurden zwei weitere Wuchsorte von Antennaria dioica im Landkreis Wunsiedel einbezogen. Die klonale Weitervermehrung im Ökologisch Botanischen Garten verlief äußerst erfolgreich: Der Bestand umfasste schließlich zirka 1.000 Topfpflanzen mit etwas mehr männlichen als weiblichen Exemplaren. Insgesamt 600 dieser nachgezogenen Katzenpfötchen wurden 2016 und in den folgenden zwei Jahren an verschiedenen Standorten im Frankenwald sowie in Sachsen im Naturschutzgebiet „Großer Weidenteich“ ausgepflanzt, um die bestehenden Bestände zu stützen und zu vergrößern. Dabei wurde darauf geachtet, bei den eingeschlechtlichen Populationen, aber auch bei den derzeit noch zweigeschlechtlichen Populationen die Geschlechterverhältnisse durch Zupflanzen des jeweils unterrepräsentierten Geschlechts auszugleichen. Das soll den verbliebenen Beständen ermöglichen, sich wieder selbstständig fortzupflanzen und damit ihre noch vorhandene genetische Ausstattung zu erhalten.
Genetische Vielfalt ermitteln
An zwei Wuchsorten im Landkreis Wunsiedel (Vielitz, Marktleuthen) wurde die Handbestäubung 2017 von Thomas Blachnik weiterverfolgt. 300 der auf diese Weise im Freiland erzeugten Samen von Antennaria dioica wurden an der Genbank Arche Bayern in Regensburg geröntgt, getrocknet und im Botanischen Garten Bayreuth eingefroren. Sie wurden inzwischen ausgesät, kultiviert und als Topfpflanzen zur Populationsstützung im Landkreis Wunsiedel ausgebracht. Anhand von Blattproben aus verschiedenen Populationen und Nachzuchten, konnte Prof. Christoph Reisch an der Universität Regensburg die genetische Vielfalt der letzten Katzenpfötchen im Frankenwald und Bayerischem Vogtland bestimmen.
Die Techniken, die im Rahmen dieses Biodiversitätsprojektes entwickelt und erprobt wurden, haben sich bewährt und könnten künftig auch zur Erhaltung anderer stark bedrohter Arten beitragen. Bei der Wiederauspflanzung von Katzenpfötchen ist das Wetter entscheidend. Die zunehmende Trockenheit in Nordost-Bayern, Hitzetage und starker Wind setzten den frisch ausgepflanzten Individuen besonders zu und führten zum Ausfall der 2017 erfolgten Pflanzungen im östlichen Frankenwald. Die 2016 erfolgte Auspflanzung in Bernstein und eine weitere am Wuchsort Förtschenbach/Regnitzlosau im Jahr 2018, wurden durch Gießeinsätze unterstützt und haben den Sommer überstanden.
Initiator/Träger:
Regierung von Oberfranken
Werkvertragsnehmer:
Agentur & Naturschutzbüro Thomas Blachnik, Nürnberg
Kooperationspartner:
Genbank Arche Bayern
Landratsamt Vogtlandkreis
Ökologisch-Botanischer Garten der Universität Bayreuth
Dipl.-Biol. Frank Richter, Dresden
Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG)
Landkreise:
Hof, Wunsiedel
Ansprechpartner:
Gerhard Bergner
Regierung von Oberfranken
Weitergehende Informationen
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Was ist biologische Vielfalt?
Biologische Vielfalt (Biodiversität) lebt auf vielen Ebenen: Die unterschiedliche genetische Ausstattung bestimmt die Vielfalt der Arten, die zusammen eine Vielzahl verschiedener Lebensräume besiedeln.
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