Quellmoore zwischen Salzach und Traun
Laufzeit: ab 2010
Die Streuwiesen der Nieder- und Quellmoore gehören zu den prägenden Lebensräumen des bayerischen Alpenvorlandes. Als wichtiger Bestandteil eines jeden viehhaltenden landwirtschaftlichen Betriebes lieferten sie die einst dringend benötigte Einstreu für die Stallhaltung im Winter. Zu den Pflanzen, die sich besonders gut als Einstreu eignen, zählen Pfeifengras und Kopfbinse. Beide Gräser wachsen in Niedermooren mit hoch stehendem Grundwasser und liefern die besten Erträge, wenn sie möglichst spät im Jahr gemäht werden. Auch für zahlreiche Pflanzen und Tiere ist die ehemals weit verbreitete Nutzung der Streuwiesen und deren späte Mahd ein Segen. Denn so können auch jene Arten, die – wie etwa Teufelsabbiss und Lungenenzian – erst im Spätsommer blühen, ihren Entwicklungszyklus vollenden und die nachfolgende Generation auf den Weg bringen. Auch konkurrenzschwache Arten gedeihen dort prächtig, solange die von Natur aus mageren Standorte nicht gedüngt werden. So findet dort beispielsweise die Mehlprimel genügend Platz und Licht, um mit ihren winzigen Blattrosetten die nötige Biomasse für die Entfaltung der zartrosa Blüten bereitzustellen. In lückigen Bereichen können sich überdies sehr kleine Arten wie der Sonnentau und das Fettkraut halten, die als fleischfressende Pflanzen ihren Nährstoffbedarf durch den Fang von Insekten und Spinnen aufbessern.
Heutzutage sind die artenreichen Streuwiesen vielerorts stark gestört oder gar ganz verschwunden. Dies hat verschiedene Ursachen. Da die Einstreu nicht mehr benötigt wird, lassen die Landwirte die Flächen vermehrt brachliegen. Oder sie düngen sie, um mehr Ertrag daraus zu ziehen. Beide Entwicklungen – die Aufgabe der Nutzung ebenso wie ihre Intensivierung – sind fatal für die natürlichen Pflanzengesellschaften der einstigen Streuwiesen. Ohne die jährliche Mahd beginnen Schilf und Gehölze die Flächen zu verfilzen. Sobald die Flächen gedüngt werden – sei es durch gezieltes Ausbringen oder durch den Nährstoffeintrag aus benachbarten Flächen – werden Mehlprimel & Co. mit den ersten warmen Tagen sofort von schnellwachsenden Gräsern und Hochstauden überwuchert und sterben ab. Durch künstliche Entwässerung wird der Lebensraum stark verändert und die typischen Moorlebensgemeinschaften verschwinden.
Um diesen Trend umzukehren und die Streuwiesen als „Hotspots“ der Artenvielfalt zu erhalten, wurde 2010 das BayernNetzNatur-Projekt „Quellmoore zwischen Salzach und Traun“ ins Leben gerufen. Mit Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz wurden dafür zwei Projektgebiete ausgewählt, die zusammen mehr als 16.400 ha umfassen. Das kleinere der beiden Teilgebiete liegt bei Berchtesgaden; das mit 14.500 ha ungleich größere Teilgebiet liegt zwischen Ruhpolding und Ainring. Zunächst wurden dort vorkommende Quell- und Hangquellmoore nach naturschutzfachlichen Gesichtspunkten bewertet und entsprechende Pflegemaßnahmen vorgeschlagen. Entscheidend für die Umsetzung ist ein vertrauensvoller Kontakt zu den jeweiligen Grundeigentümern und den örtlichen Landwirten. Ihre Mitwirkung am Projekt ist freiwillig; daher gilt es, sie von der Notwendigkeit der aufwendigen Pflegearbeiten zu überzeugen. Durch das Engagement von Dr. Markus Höper, der das Projekt bis 2016 leitete, und seiner Nachfolgerin Barbara Krogoll gelang dies sehr erfolgreich: So konnten allein in den beiden Jahren 2017 und 2018 auf 30 verschiedenen Flächen Pflegekonzepte für insgesamt rund 20 ha erstellt und realisiert werden.
Die Mahd gelingt oftmals nur in mühsamer Handarbeit
Viele Quellmoore müssen zunächst von Gehölzen freigestellt werden, bevor überhaupt wieder eine regelmäßige Streuwiesenmahd erfolgen kann. Besonders wichtig ist es dabei, aufgekommene Schilfbestände dauerhaft zu entfernen, um so den quellmoortypischen Arten wieder zu mehr Licht zu verhelfen. Je nach Zustand der betroffenen Flächen müssen auch Gräben wieder aufgestaut werden. Immer aber gilt es, ein optimales Mahdregime auszuarbeiten und umzusetzen. Dabei ist Muskelkraft gefragt, denn die Mahd der oft sehr nassen oder steilen Flächen gelingt oftmals nur in Handarbeit mit Motorsense oder mit Einachs-Motormähern. Die so gewonnene Streu muss stellenweise mit Hilfe einer Plane aus den sumpfigen Bereichen abtransportiert werden. Sofern sich die Flächen maschinell bewirtschaften lassen, müssen dabei bodenschonende Spezialmaschinen wie Mähraupen verwendet werden, die auf breiten Gummiketten fahren und so Verdichtungen vermeiden. Positiver Nebeneffekt der aufwendigen Prozedur: Die Nachfrage nach der Streu erlebt derzeit – insbesondere bei ökologisch wirtschaftenden Betrieben – eine kleine Renaissance.
Für den zusätzlichen Bewirtschaftungsaufwand stehen Mittel aus den Förderprogrammen zur Landschaftspflege und zum Vertragsnaturschutz bereit. Die Kommunikation mit den Akteuren, ihre Beratung und Unterstützung bei den nötigen Antragsstellungen, obliegt dem Landschaftspflegeverband Traunstein und dem Landschaftspflegeverband Biosphärenregion Berchtesgadener Land. Wichtige Partner sind neben den kommunalen und privaten Grundeigentümern die Naturschutzbehörden der beiden Landkreise sowie die Bayerischen Staatsforsten, das Wasserwirtschaftsamt Traunstein, der BUND Naturschutz und der Landesbund für Vogelschutz.
Die Aktivitäten zeigen Wirkung
Durch die erfolgreiche Zusammenarbeit wurde im Landkreis Berchtesgaden bereits die Pflege einer verbrachten Streuwiese sowie eines Hangquellmoores am Höglwörther See wieder aufgegriffen. Nach dem erstmaligen Einsatz durch den Maschinenring Laufen im Jahr 2016, werden die Flächen nun unter Betreuung des Landschaftspflegeverbandes Biosphärenregion Berchtesgadender Land Jahr für Jahr von den örtlichen Landwirten gepflegt. Die Aktivitäten zeigen Wirkung: Befreit von Büschen, dichtem Schilf und Hochstauden, stehen Sonnentau und Fettkraut wieder in Licht und Luft; dazwischen leuchten die farbenprächtigen Blüten von Teufelsabbiss, Orchideen und Enzianen und locken vermehrt Tagfalter und Bienen an.
Im Landkreis Traunstein konnten die Projektbetreuer örtliche Landwirte dafür gewinnen, im Rahmen des Vertragsnaturschutzprogramms weitere Flächen im Breitmoos und Filze in Inzell zu bewirtschaften. Dank der tatkräftigen Mithilfe dieser engagierten Landwirte ist die Artenvielfalt dieser Wiesen für die kommenden Jahre gesichert!
Das Projekt unterstützt auch die Bayerischen Staatsforsten bei der Umsetzung ihres Programmes „Der Wald blüht auf“. Dabei werden in den Revieren Ruhpolding und Berchtesgaden brachliegende und verbuschte Moorflächen im Wald wieder freigestellt und regelmäßig gemäht. Beispiel Farnbichler Alm: Hier wurde 2018 ein Hangquellmoor mit Restbeständen heimischer Orchideen entbuscht und gemäht. Wie stark sich der Blüten- und Insektenreichtum nach solchen Aktionen wiedereinstellt, zeigt sich auf Projektflächen im Revier Aufham, welche bereits seit einigen Jahren gemäht werden.
Initiator:
Regierung von Oberbayern
Träger:
Landkreis Berchtesgadener Land, LPV Traunstein e.V. und LPV Biosphärenregion Berchtesgadener Land
Werkvertragsnehmer:
Dr. Markus Höper, Barbara Krogoll, Gabriele Müggenburg
Kooperationspartner:
Bayerische Staatsforsten, Forstbetriebe Ruhpolding und Berchtesgaden
BUND Naturschutz in Bayern e. V.
Gemeinden im Projektgebiet
Landratsämter Traunstein und Berchtesgadener Land
Landesbund für Vogelschutz in Bayern e. V.
Örtliche Landwirte und Grundstückseigentümer
Regierung von Oberbayern
Wasserwirtschaftsamt Traunstein
Landkreise:
Berchtesgadener Land, Traunstein
Ansprechpartnerin:
Christiane Mayr, Regierung von Oberbayern
Weitergehende Informationen
Interne Links
Externe Links
Was ist biologische Vielfalt?
Biologische Vielfalt (Biodiversität) lebt auf vielen Ebenen: Die unterschiedliche genetische Ausstattung bestimmt die Vielfalt der Arten, die zusammen eine Vielzahl verschiedener Lebensräume besiedeln.
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