Biodiversitätsgemeinde Tännesberg
Laufzeit: 2009 bis 2017
Wer seinen Urlaub in einer abwechslungsreichen Kulturlandschaft verbringen und dabei Naturerlebnisse mit kulinarischen Genüssen verbinden will, ist im Markt Tännesberg an der richtigen Adresse. Der staatlich anerkannte Erholungsort im Naturpark Nördlicher Oberpfälzer Wald fördert seit über 30 Jahren den Natur- und Artenschutz – sowohl in der Marktgemeinde selbst, als auch auf den umgebenden Flächen. Als Deutschlands erste Biodiversitätsgemeinde dient Tännesberg als Modellprojekt für eine gelungene Umsetzung der Biodiversitätsstrategie auf kommunaler Ebene. Zudem wurde die Marktgemeinde erstmals 2015 und erneut 2017 als UN-Dekade-Projekt ausgezeichnet.
Vom Obstlehrpfad zum Biotopverbund
Schon Ende der 1970er-Jahre haben sich Gemeindemitglieder und -vertreter von Tännesberg für den Erhalt und die Wiederherstellung artenreicher Biotope und Landschaftselemente eingesetzt. Zu den ersten Aktionen gehörte die Anlage eines Obstlehrpfades, der interessierte Einheimische und Besucher durch alte Streuobstwiesen leitet und auf deren Wert als Lebensraum für die heimische Flora und Fauna hinweist. Mitte der 1980er-Jahre folgte auf Betreiben der Ortsgruppen von BUND Naturschutz und Landesbund für Vogelschutz die spektakuläre Renaturierung des nordöstlich von Tännesberg gelegenen Kainzbachtals. In diesem bundesweit einzigartigen Projekt hat man bis heute mit erheblichem Aufwand große Teile des Bachtals von der Quelle bis zur Mündung in seinen ursprünglichen Zustand zurückgebaut. Moor- und Streuwiesen, die zum größten Teil schon drei Jahrzehnte zuvor mit Fichten aufgeforstet worden waren, wurden durch die Rodung des mittlerweile dichten Baumbestandes wiederhergestellt. Erstaunlich schnell stieg dort der Artenreichtum wieder an. Auch zahlreiche Raritäten wie Schlagschwirl, Waldwasserläufer, Turteltaube, Knoblauchkröte und Kleine Zangenlibelle sind zurückgekehrt. Restpopulationen der Nordischen Moosjungfer und der Grünen Keiljungfer haben sich stabilisiert und im Bach schwimmen wieder Elritzen, Bachforellen, Schmerlen und Mühlkoppen.
In einem Folgeprojekt im nördlichen Talabschnitt werden unter Trägerschaft des Landesbund für Vogelschutz größere Flächen mit Rotem Höhenvieh beweidet. Bis Anfang des vorigen Jahrhunderts war diese alte Rinderrasse in der Oberpfalz vorherrschend. Und noch zu Beginn der 1960er-Jahre waren die Rotviecher in den meisten Mittelgebirgslagen als Zug- und Arbeitstiere anzutreffen. Mit der zunehmenden Intensivierung der Landwirtschaft wurden sie durch Maschinen ersetzt. Heute weiden sie wieder im Kainzbachtal und tragen so zum Erhalt wertvoller Naturschutzflächen bei. Die freilaufenden Tiere liefern zudem ein hochwertiges Bio-Fleisch, das von regionalen Betrieben zu kulinarischen Spitzenprodukten verarbeitet und vermarktet wird. Drei Landwirte aus Tännesberg halten derzeit wieder Rotvieh und mehrere Dutzend Züchter bemühen sich um den Fortbestand der alten Haustierrasse in der Oberpfalz. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit hat im Rahmen des Bundeswettbewerbs Deutscher Naturparke 2000 dem Projekt "Lebensraum Kainzbachtal" in Verbindung mit "Standortangepasste Landschaftspflege von ökologisch wertvollen Flächen mit Rotvieh im Oberpfälzer Wald" eine Ehrenurkunde verliehen.
Brot und Bier aus alten Getreidesorten
Neben der extensiven Beweidung wird in Tännesberg auch wieder extensive Ackerwirtschaft betrieben. Davon können Arten wie das Rebhuhn profitieren, die auf offene, trockene und warme Standorte mit guten Versteckmöglichkeiten angewiesen sind. Magere Säume und Feldraine sowie Stoppelfelder und Bereiche, die nicht abgeerntet und über den Winter stehenbleiben bieten Sämereien, Wildkräutern und Getreidekörnern, von denen sich das Rebhuhn ernährt. 1999 wurde das mittlerweile beendete BayernNetzNatur-Projekt "Artenhilfsmaßnahmen für das Rebhuhn in der Tännesberger Flur" ins Leben gerufen, das auch anderen gefährdeten Vogelarten wie Feldlerche, Neuntöter und Braunkehlchen fördert. Damit wurden für Rebhuhn & Co. positive Strukturen geschaffen, die aber die Lebensraumverluste in der umgebenden, intensiv bewirtschafteten Landschaft nicht aufwiegen konnten. Durch den kleinflächigen und lichten Anbau von Einkorn, Emmer und Dinkel werden auch die alten Getreidesorten selbst gefördert. Die Bäckerei Spickenreither aus Tännesberg macht aus den Körnern Brot und weitere Teigwaren und die Kommunbrauerei im 20 Kilometer entfernten Eslarn braut damit ein würziges Bier, das Rebhuhn-Zoigl.
Maßgeblichen Anteil am Gelingen dieses und vieler weiterer Projekte hatte Anton Wolf, der aus Tännesberg stammt und sich privat und in seiner Funktion als Mitarbeiter der unteren Naturschutzbehörde des zuständigen Landratsamtes leidenschaftlich für den Erhalt der heimischen Biodiversität eingesetzt hat. 2009 schlossen sich vier der zuvor eigenständig tätigen Akteure – Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V., BUND Naturschutz in Bayern e. V., Naturpark Nördlicher Oberpfälzer Wald und Wildland-Stiftung Bayern – zu einer Trägergemeinschaft zusammen und starteten in Kooperation mit dem Markt Tännesberg das „Leuchtturmprojekt Biodiversität Tännesberg“. Mit vereinten Kräften gelang es, Flächen anzukaufen und ein enges Biotopverbundsystem zu schaffen. Das Projekt wurde von 2009 bis 2012 mit Mitteln der Bayerischen Staatsregierung gefördert. 2013 übernahm der Bayerische Naturschutzfonds die Finanzierung.
Schützen durch nützen
Nach dem Motto „Schützen durch nützen“ wird in Tännesberg der Erhalt der Artenvielfalt mit dem Aufbau regionaler Vermarktungsstrukturen kombiniert. Damit will die Marktgemeinde Vorreiter und Vorbild für weitere Gemeinden sein und interessierte Kommunen zur Nachahmung einladen. In einem 2017 erschienenen „Handlungsleitfaden Biodiversität“ hat sie wichtige Erfahrungen, Ratschläge und Empfehlungen zusammengefasst. In einer bayernweiten Ausschreibung waren im Sommer 2018 alle kreisangehörigen Gemeinden, Märkte und Städte aufgerufen, sich als weitere Projektgemeinden zu bewerben. Von den 36 Bewerbern wurden zehn ausgewählt. Sie sollen nun bis Mitte des Jahres 2020 nach dem Vorbild von Tännesberg eine kommunale Biodiversitätsstrategie entwickeln und bis Ende 2021 mit der Umsetzung beginnen. Gefördert wird das Projekt über den Bayerischen Naturschutzfonds aus Zweckerträgen der Glücksspirale. Ferner wird es unterstützt vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz sowie dem Bayerischen Gemeindetag. Auch die ausgewählten Gemeinden stellen eigene Haushaltsmittel bereit.
Initiator:
Regierung der Oberpfalz
Träger:
Trägergemeinschaft aus Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V., Bund Naturschutz in Bayern e. V, Naturpark Nördlicher Oberpfälzer Wald, Wildland-Stiftung Bayern und Markt Tännesberg
Auftragnehmer:
landimpuls GmbH
Kooperationspartner:
Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Weiden in der Oberpfalz
Amt für Ländliche Entwicklung Oberpfalz
Bayerische Staatsforsten
Landfrauen im Bayerischen Bauernverband
Örtliche Jagdpächter
Untere Naturschutzbehörde, Landratsamt Neustadt an der Waldnaab
Landkreise:
Neustadt an der Waldnaab
Ansprechpartner:
Dagmar Seewaldt-Bösl, Regierung der Oberpfalz
Weitergehende Informationen
Interne Links
Externe Links
Was ist biologische Vielfalt?
Biologische Vielfalt (Biodiversität) lebt auf vielen Ebenen: Die unterschiedliche genetische Ausstattung bestimmt die Vielfalt der Arten, die zusammen eine Vielzahl verschiedener Lebensräume besiedeln.
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