In die (Foto-)Falle getappt: Waldbirkenmäuse im Bayerischen Wald
Laufzeit: 2018 bis 2019
Die Waldbirkenmaus (Sicista betulina) ist durch einen charakteristischen schwarzen Aalstrich und einen mehr als körperlangen Schwanz gekennzeichnet. Sie gehört zu den kleinsten Nagetieren Mitteleuropas und ist zugleich die einzige Springmaus (Dipodidae) in Deutschland. Ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Finnland, Polen und den baltischen Staaten aus nach Osten über weite Teile Osteuropas und Russlands bis an den Baikalsee. In Deutschland konnte sich die Art nur in drei weit auseinanderliegenden Gebieten halten: in Schleswig-Holstein, im Allgäu und im Bayerischen Wald. Diese sind Reste einer ehemals weiteren Verbreitung im Pleistozän. Auf der Roten Liste Deutschland wird die Waldbirkenmaus als „vom Aussterben bedroht“ geführt, in Bayern als „stark gefährdet“. In der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie wird sie als streng zu schützende Art in Anhang IV gelistet. Als wichtigste Gefährdungsursache gilt die starke Bindung dieses Kleinsäugers an spezielle Lebensräume, die heute nur noch kleinflächig vorhanden sind, nämlich Moore, Moorwälder, Sümpfe und andere Feuchtgebietskomplexe.
Aktuelle Nachweise und Beobachtungen aus Deutschland sind spärlich und gesicherte Nachweise liegen teilweise schon Jahrzehnte zurück. Entsprechend schwer fällt es, Verbreitungsgebiet und Populationsgrößen zu benennen oder die Zukunftsaussichten der Art abzuschätzen, wie es im Rahmen der FFH-Berichtspflicht gefordert wird. Im Südlichen Bayerischen Wald, in der Dreiländerregion Bayern - Tschechien - Österreich, wurden zwischen 1950 und 1994 nur drei Individuen der Art sicher nachgewiesen: Eines ließ sich auf einer Wiese bei Altreichenau lebend mit der Hand fangen, zwei weitere wurden als Verkehrsopfer auf Forststraßen gefunden. Ein im Jahr 2011 gestartetes Monitoringprojekt des Bayerischen Landesamtes für Umwelt (LfU) sollte der Frage nachgehen, ob es überhaupt noch Waldbirkenmäuse im Bayerischen Wald gibt und falls ja, wo und in welcher Häufigkeit sie vorkommen. Nachdem in den ersten zwei Jahren kein Nachweis gelang, konnten 2013 und 2014 mittels Bodenfallen schließlich drei lebende Waldbirkenmäuse gefangen werden; ein weiteres Exemplar wurde zufällig entdeckt. Damit war die fortdauernde Existenz der Art im Bayerischen Wald belegt.
Dutzende Nachweise von Birkenmäusen
In der Folge suchte man nach einer effektiveren Methode, die das extrem zeitaufwendige Ausbringen und Kontrollieren der Lebendfallen ersetzen sollte. Man fand sie in der Installation automatischer Wildkameras mit Infrarotsensor, die sich beim Monitoring von Groß- und Mittelsäugern bewährt haben. Im Mai 2016 wurden insgesamt 25 Kamerafallen installiert und bis Ende September im Freiland belassen. Als potenzielle Lebensräume der Birkenmaus wurden Hoch-, Nieder- und Übergangsmoore, Feuchtwiesen, feuchte Hochstaudenfluren und moorige Streuwiesen ausgewählt. Tatsächlich war dieser Ansatz deutlich erfolgreicher als die Bodenfallen: Auf insgesamt vier Untersuchungsflächen in der Umgebung der Orte Bischofsreut, Haidmühle und Altreichenau im Landkreis Freyung-Grafenau wurden Waldbirkenmäuse bei ihren nächtlichen Aktivitäten von den Sensoren der Fotofallen erfasst und fotografiert. 2017 wurde die Aktion wiederholt und erbrachte ebenfalls Dutzende Nachweise von Birkenmäusen. Es lässt sich nicht exakt ermitteln, wie viele verschiedene Individuen erfasst wurden, weil manches Tier womöglich mehr als einmal abgelichtet wurde. Fest steht aber, dass auf allen mit Kameras bestückten Untersuchungsflächen, die bis zu 20 km weit auseinanderliegen, Nachweise von lebenden Birkenmäuse erbracht werden konnten.
Weitere Kamerafallen angeschafft
Seit 2018 werden die Studien im Rahmen eines Biodiversitätsprojektes der Regierung von Niederbayern fortgesetzt. Dazu wurden weitere 20 Kamerafallen angeschafft und im Gebiet zwischen Langdorf (Landkreis Regen) und Mitterfirmiansreuth (Landkreis Freyung-Grafenau) im Grenzbereich zu Tschechien aufgestellt. Bei den insgesamt vier ausgewählten Flächen handelt es sich durchweg um naturschutzfachlich hochwertige Gebiete im Besitz des Landesbund für Vogelschutz (LBV) oder des BUND Naturschutz (BN). Ziel des Biodiversitätsprojektes ist es, das inzwischen belegte Vorkommen der Birkenmaus im Bayerischen Wald näher zu charakterisieren und insbesondere Aussagen über Populationsdichte, Habitatansprüche sowie über Gefährdungsgrad und -ursache zu treffen.
Unabhängig von diesem Projekt wird seit 2018 im Auftrag des Bayerischen Landesamtes für Umwelt auch im Allgäu sowie in den oberbayerischen Voralpen mit Hilfe von Fotofallen nach Vorkommen der Waldbirkenmaus gesucht. Am 13.08.2018 konnte erstmals wieder eine Waldbirkenmaus im Gebiet des Riedberger Horns über eine Wildtierkamera nachgewiesen werden.
Initiator:
Regierung von Niederbayern
Projektdurchführung:
David Stille, Dr. Richard Kraft
Träger:
BUND Naturschutz in Bayern e.V.
Landesbund für Vogelschutz in Bayern e. V.
Werkvertragsnehmer:
David Stille
Kooperationspartner:
BUND Naturschutz in Bayern e.V.
Landesbund für Vogelschutz in Bayern e. V.
Landkreise:
Freyung-Grafenau, Regen
Ansprechpartner:
Robert Hofmann
robert.hofmann@reg-nb.bayern.de
Weitergehende Informationen
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