Pressemitteilung zum Fachdialog "InsektenVielfalt: Initiativen und Perspektiven"
Im Dialog zum Wohle der Insekten
Pressemitteilung
Nr. 19/01
Podium (von links): Stefan Köhler, BBV – Dr. Norbert Schäffer, LBV – Richard Mergner, BUND, Moderation: Dr. Marlene Weiß, Süddeutsche Zeitung – Rosi Steinberger, Bayer. Landtag (Ausschussvorsitzende für Umwelt und Verbraucherschutz) – Josef Ziegler, Bayer. Waldbesitzerverband
Im Dialog zum Wohle der Insekten
In der Auftaktveranstaltung zum Schwerpunktjahr InsektenVielfalt der Bayerischen Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL) am 20. März 2019 informierten und diskutierten im Münchner Literaturhaus 260 Wissenschaftler, Politiker, Naturschützer und Vertreter von Nutzerverbänden über die Ursachen des Insektenrückgangs und wichtige Handlungsoptionen.
Vor dem „Verlust blühender Landschaften“ warnte Dieter Pasch, Direktor der ANL in seiner Begrüßung. Denn ohne Insekten drohten gravierende Folgen für Natur und Wirtschaft.
Das schon lang bekannte Problem des massiven Insektenrückgangs bestätigten vier einleitende Impulsvorträge: Von den 33.000 Insektenarten in Deutschland wurden bisher 7.444 im Rahmen der „Roten Liste gefährdeter Tierarten“ langfristig beobachtet: Bei 44 % nahm der Bestand im langfristigen Trend ab – darunter auch alle
300 Köcherfliegen-Arten, deren Larven als Indikator für die Qualität von Fließgewässerlebensräumen gelten.
Die Gründe für den Rückgang sehen die Forscher hauptsächlich in Flächenverlust, Veränderung der Lebensräume, intensiver Landwirtschaft, Einsatz von insektenschädlicher Chemie, häufigem Mähen, Rückgang der Pflanzenvielfalt, aber auch in der Lichtverschmutzung, die vor allem für nachtaktive Insekten eine Falle darstellt.
Neben den unabsehbaren Folgen für das Ökosystem hat das sogenannte Insektensterben massive ökonomische Auswirkungen für die Landwirtschaft: Die artenreichste Klasse des Tierreichs bestäubt 70 % der weltweit wichtigsten Nutzpflanzenarten.
Doch nicht nur für die Bestäubung liefern Insekten wichtige Ökosystemdienst-leistungen: Ohne Dungkäfer könnten wohl kaum die 744 Millionen Kilo Kot beseitigt werden, die Deutschlands Rinder täglich produzieren. Und auch bei der biologischen Schädlingsbekämpfung besteht noch ein riesiges, bislang ungenutztes Potenzial.
„Wir brauchen das Engagement der Gesamtgesellschaft“, betonte Dr. Andreas Krüß vom Bundesamt für Naturschutz, auch wenn das Thema im Koalitionsvertrag der Bundesregierung aufgenommen ist.
Auf Bundesebene befinden sich das Aktionsprogramm Insektenschutz und die Errichtung eines wissenschaftlichen Monitoring-Zentrums derzeit in der Ressortabstimmung. Auf der europäischen Ebene sei das Ziel eine Neuausrichtung der Agrarpolitik ab 2020 mit mehr Anreizen für eine naturverträgliche Bewirtschaftung.
Podium: Es besteht Handlungsbedarf – doch bei der Umsetzung ist man sich noch uneins
In der anschließenden Podiumsdiskussion bezweifelten die Vertreter der Nutzerverbände (Wald- und Landwirtschaft) den Insektenrückgang nicht, forderten aber „validere“ wissenschaftliche Daten, eine Überprüfung der Wirksamkeit bestehender Maßnahmen, zum Beispiel im Rahmen des Kultur- und Landschaftsprogramms (KULAP) und des Vertragsnaturschutzprogramms (VNP), eine differenzierte Behandlung unterschiedlicher Bewirtschaftungsräume im Gesetz und den Vorrang der Freiwilligkeit vor Ordnungsrecht.
Dagegen waren sich die Vertreter der Naturschutzverbände einig, dass die wissenschaftlichen Daten zum Insektenrückgang ausreichend abgesichert sind. Es fehle vielmehr am politischen Handeln – freiwillige Maßnahmen allein reichten jetzt nicht mehr aus. Das erfolgreiche Volksbegehren „Artenvielfalt“ sei eine Messlatte, unter die man nicht mehr gehen werde. Bisherige Maßnahmen wurden als nicht wirksam gewertet. So konstatierte Dr. Norbert Schäffer vom Landesbund für Vogelschutz in Bayern: „Wir geben Geld aus und die Arten nehmen trotzdem ab.“ KULAP sei gescheitert, weil die dort geförderten Maßnahmen zu wenig die wichtigen Strukturen schafften, die man in der ausgeräumten Agrarlandschaft dringend benötige. Deutlich wurde die Meinung vertreten, dass insbesondere die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU angepasst werden müsse.
Die Vorsitzende des Umweltausschusses im Bayerischen Landtag, Rosi Steinberger, betonte, dass ausreichend Personal erforderlich sei, um dem Insektenrückgang wirksam entgegenzutreten. Dringend notwendig seien deshalb mehr Stellen im amtlichen Naturschutz.
Eine vollständige Dokumentation der Veranstaltung erscheint in einer Schwerpunktausgabe der Fachzeitschrift ANLiegenNatur zum Thema „Insektenvielfalt“ (Veröffentlichung voraussichtlich im Juni 2019).
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