Neues zum Grubenlaufkäfer
(Stefan Müller-Kroehling, LWF) Kaum eine weitere Art ist so wie der ausbreitungsschwache und anspruchsvolle Grubenlaufkäfer in der Lage, den Habitatverbund naturnaher Wälder mit ihren eingebetteten Feuchtgebieten zu versinnbildlichen. Über seine Ökologie glauben wir schon einiges zu wissen. Dennoch ist er immer wieder für Überraschungen gut, wie aktuelle Nachweise zeigen.
Moorvorkommen nun auch in Südwestbayern
Schon mehrfach hat MÜLLER-KROEHLING (zum Beispiel 2014) darauf hingewiesen, dass der Grubenlaufkäfer (Carabus variolosus nodulosus) in Südostbayern und Österreich auch in Armmooren vorkommt, die vegetationskundlich als Hochmoore anzusprechen sind. Nun wurde er auch im zentralen und südwestlichen Voralpengebiet mehrfach in diesem Lebensraum nachgewiesen.
Inselvorkommen: Herrenchiemsee
Bei einem Zufallsfund während einer Fledermausexkursion der ANL im Sommer 2021 haben Teilnehmende auf der Insel Herrenchiemsee den Grubenlaufkäfer nachgewiesen. Die Nachsuche der LWF gemeinsam mit dem FFH-Kartierteam Wald und der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung ergab einen stabilen Bestand in den Feuchtwäldern der Insel, unter anderem in den langsam ziehenden Gräben der Bruchwälder. Interessant ist, wie die Art auf die Insel gelangt sein könnte. Am wahrscheinlichsten erscheint ein Verdriften unter der Rinde der zum Teil sehr ausgedehnten Treibholzflöße bei Hochwässern mit Tieren aus Habitaten an den Zuflüssen des Sees wie der Tiroler Ache.
Inselvorkommen: Urbanes Vorkommen in der slowenischen Hauptstadt
Vrezec et al. (2021) beschreiben ein urbanes Vorkommen in einem 459 Hektar großen, überwiegend sehr naturnahen Wald-Schutzgebiet in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana. Die Stadt war ursprünglich von großen Feuchtgebieten umgeben und hat in ihren Stadtgrenzen einen erheblichen, wenn auch isolierten Waldbestand konservieren können. Die Art wurde hier an allen untersuchten Gewässerläufen nachgewiesen und hat einen geschätzten Bestand von zwei- bis sechstausend Individuen. Die Isolation des Gebiets ist hier durch sehr gute Habitatbedingungen und durch die erhebliche Gebietsgröße ausgeglichen. Wie sich indes diese Isolation langfristig genetisch auswirkt, ist noch nicht erforscht, die Autoren vermuten sogar eine Anpassung an die speziellen Bedingungen. Die südosteuropäischen Populationen unterscheiden sich genetisch ohnehin von den weiter nördlich gelegenen (Matern et al. 2010).
Neue genetische Studien haben ergeben, dass der letzte nachweisbare Genaustausch der west- und osteuropäischen Unterart schon so lange zurückliegt, dass es nach diesem Kriterium auch gerechtfertigt wäre, von zwei Arten zu sprechen (Mossakowski et al. 2020). Für die Frage der Zugehörigkeit zur FFH-Richtlinie ist dieser Befund jedoch wie berichtet ohne Belang (Müller-Kroehling et al. 2019).
Literatur
MATERN, A., DREES, C., VOGLER, A. P. et al. (2010): Linking Genetics and Ecology: Reconstructing the History of Relict Populations of an Endangered Semi-Aquatic Beetle. – In: HABEL, J. & ASSMANN, T. (Eds., 2010): Relict Species – Phylogeography and Conservation Biology: 253–265.
MOSSAKOWSKI, D., BÉRCES, S., HEJDA, R. et al. (2020): High molecular diversity in Carabus (Hygrocarabus) variolosus and C. nodulosus. – Acta Zoologica Hungarica 66 (Suppl.):147–168.
MÜLLER-KROEHLING, S. (2014): Remarks on the current situation of Carabus variolosus nodulosus relating to the interpretation of its Habitats Directive status, the 2013 report under that directive, and its threat level in Germany and Central Europe. – Angewandte Carabidologie 10: 97–100.
MÜLLER-KROEHLING, S., ADELMANN, W., SSYMANK, A. et al. (2019): Art oder Unterart? Der Grubenlaufkäfer ist in jeder Hinsicht eine Fauna-Flora-Habitat-Art. – ANLiegen Natur 41(1): 193–198; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/grubenlaufkaefer/.
VREZEC, A., BERTONCELI, I., KAPLA, A. et al. (2021): Urban population of the ground beetle Carabus variolosus nodulosus (Col.: Carabidae) in Ljubljana citiy (Central Slovenia). – Acta Entomologica Slovenica 29(2): 133–147.
Stefan Müller-Kroehling (2022): Neues zum Grubenlaufkäfer. – ANLiegen Natur 44/1; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/aktuelles-grubenlaufkaefer/.
Zum Download der Notizen in der Rubrik Artenschutz:
ANLiegen Natur 44/1 (2022): 6 Seiten als Volltext herunterladen (pdf barrierefrei 0,5 MB).