Artenschutz im Siedlungsbereich – Handlungsfelder auf Bundesebene und Hilfestellungen für die Praxis
(Bernhard Hoiß) Siedlungen können einen wichtigen Beitrag zum Erhalt und der Vielfalt von Arten leisten. Es gibt allerdings, gerade auch durch die energetische Sanierung vieler Gebäude, einen großen Handlungsbedarf.
Ein Positionspapier des Bundesamtes für Naturschutz (BfN 2016) liefert einen aktuellen Überblick zu energetischen Sanierungen und optimierten Neubauten unter Berücksichtigung des Artenschutzes an Gebäuden. Im Vordergrund stehen die Handlungsfelder zum Schutz gebäudebewohnender Arten, in denen der Bund aktiv werden kann. Das Papier bietet außerdem viele Hinweise auf einschlägige Literatur zum Thema (rechtliche Informationen, architektonische Lösungen, Hintergründe zur Betroffenheit von Arten, Best Practice-Beispiele und vieles mehr).
Da die rechtlichen Regelungen zum Artenschutz bei Bauherren, Architekten und Handwerkern häufig nicht bekannt sind, werden vor allem in diesem Bereich Optimierungspotenziale gesehen. Maßnahmen wie Kampagnen zur Bewusstseinsbildung, Schulungen von Architekten und Energieberatern, verbesserte bundesweite Informationsmaterialien, Verankerung des Artenschutzes in baurechtlichen Vorschriften oder verpflichtende Nachweise für die Prüfung artenschutzrechtlicher Belange bei Bauvorhaben werden zur Abhilfe vorgeschlagen. Darüber hinaus würden Anreize für freiwilligen oder vorsorgenden Artenschutz an Gebäuden wichtige Impulse bieten. So könnte die Berücksichtigung von Artenschutzbelangen künftig eine Voraussetzung für die Förderung energetischer Baumaßnahmen sein. Die Förderrichtlinien der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sowie der integrierten Stadtteilentwicklung oder der Städtebauförderprogramme bieten mögliche Ansatzpunkte. Die Weiterentwicklung von Wärmeverbundsystemen mit Nistkästen soll über Forschungsförderungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) sowie des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) vorangetrieben werden.
Fachliche Informationsmaterialien sowie Beispiele für konkrete Maßnahmen wurden im Projekt „Artenschutz am Haus“ des Landkreises Tübingen erarbeitet. In der Broschüre „Artenschutz am Haus – Hilfestellung für Bauherren, Architekten und Handwerker“ werden regelmäßig betroffene Vögel und Fledermäuse vorgestellt sowie die Strukturen, welche die Arten an oder in Gebäuden bevorzugt nutzen. Auch ihre Nahrungshabitate im Siedlungsbereich, wie Gärten, Grünanlagen oder Brachen, werden beschrieben. Weitere relevante Artengruppen werden exemplarisch vorgestellt.
Auf mehreren Doppelseiten werden konkrete Maßnahmen für Vögel und Fledermäuse an der Fassade, an Trauf, Ortgang und Giebel, im Dachboden sowie in Keller und Garten aufgezeigt. So sollten die Quartiere an der Fassade nicht etwa auf der Wetterseite angebracht werden und einen freien Anflug ermöglichen. Beim Einbau in die Fassade müssen Wärmebrücken vermieden werden, weshalb die Anbringung vor unbeheizten oder kühlen Räumen wie Treppenhäusern oder Kaltdächern empfohlen wird. Der Traufkasten und andere Strukturen am Dachrand bieten oft Hohlräume, die nur noch durch geeignete Einfluglöcher zugänglich gemacht werden müssen. An Flachdächern können die Verblendungen als Quartiere für Fledermäuse optimiert werden. Dadurch kann auch die Lage der Nistplätze gesteuert werden.
Zentrales Element der Broschüre ist jedoch ein übersichtliches Ablaufschema, das erforderliche Arbeitsschritte vom ersten Check über die Prüfung, ob und welche geschützten Arten betroffen sind, bis zur Planung und Umsetzung von Maßnahmen zur Berücksichtigung des Artenschutzes zeigt. Hilfreich ist auch die Angabe, wie lange die einzelnen Schritte erfahrungsgemäß dauern.
Werden die Rahmenbedingungen auf Bundesebene weiter verbessert, mehr Anreize für artenfreundliche Gebäude geschaffen und die konkreten Hilfestellungen von der Praxis umgesetzt, stehen unseren Städten „grüne“ Zeiten bevor.
Mehr:
BfN (= Bundesamt für Naturschutz, 2016): Schutz gebäudebrütender Tierarten vor dem Hintergrund energetischer Gebäudesanierung in Städten und Gemeinden – Hintergründe, Argumente, Positionen, Bonn: 39 S.; Positionspapier.pdf.
Landratsamt Tübingen (2016): Artenschutz am Haus – Hilfestellung für Bauherren, Architekten und Handwerker, Tübingen: 23 S.
Homepage des Projektes“ Artenschutz am Haus“ des Landkreises Tübingen mit vielen Info-Materialien und Beispielen: www.artenschutz-am-haus.de/
Trautner, J., Zobel, M., Theobald, J. & Mayer, J. (2015): Artenschutz im Siedlungsbereich: Im Spannungsfeld zwischen rechtlich-fachlichen Anforderungen und der Praxis. – ANLiegen Natur 37(2): 39–48, Laufen; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/artenschutz/.
Zitiervorschlag: Hoiß, B. (2017): Artenschutz im Siedlungsbereich – Handlungsfelder auf Bundesebene und Hilfestellungen für die Praxis. – ANLiegen Natur 39/1; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/artenschutz_im_siedlungsbereich/.