Schnüffeln für den Naturschutz: Artenspürhunde werden weltweit bei Kartierungen und im Monitoring eingesetzt
(Monika Offenberger) Basis jeglicher Naturschutzarbeit sind verlässliche Informationen über das Vorkommen und die Bestandsentwicklung ausgewählter Tier- und Pflanzenarten. Zur Datenerhebung werden vermehrt Spürhunde herangezogen. Eine Auswertung von 1.220 Publikationen über Hunde-Einsätze in mehr als 60 Ländern zeigt: Spürhunde sind um ein Vielfaches effektiver und sicherer beim Auffinden von Organismen oder deren Hinterlassenschaften als Menschen und technische Hilfsmittel.
Such- und Rettungshunde sind in vielen Bereichen unverzichtbare Helfer beim Auffinden von Menschen. Mit ihren feinen Nasen riechen sie Tote oder Vermisste und finden Lawinenopfer noch unter einer vier Meter dicken Schneedecke. Auch beim Naturschutz macht man sich schon seit Langem Spürhunde zunutze: 1890 suchte der neuseeländische Biologe Richard Henry mit Hilfe eines Hundes nach flugunfähigen Vögeln wie Kiwis und Kakapos, um sie vor der Ausrottung durch eingeschleppte Ratten zu bewahren.
„Ich kannte zwar diese berühmte Geschichte. Aber ich war überrascht, wie häufig und erfolgreich Artenspürhunde seither in vielen Ländern eingesetzt wurden“, betont Dr. Annegret Grimm-Seyfarth vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ in Leipzig. Die Biologin hat zusammen mit ihrer UFZ-Kollegin Wiebke Harms und Dr. Anne Berger vom Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung 1.220 Publikationen über Einsätze von Artenspürhunden in mehr als 60 Ländern ausgewertet (GRIMM-SEYFARTH et al. 2021). Außer in Australien und Neuseeland sind Naturschützer vor allem in Nordamerika und Europa auf den Hund gekommen. Sie setzen die Spürnasen nicht nur auf die gesuchten Organismen selbst an, sondern auch auf deren Behausungen und Ausscheidungen (MACKAY et al. 2008). Seit der Jahrtausendwende nimmt die Zahl der Projekte, bei denen Spürhunde zum Einsatz kommen, sprunghaft zu – Tendenz steigend. „Das erklärt sich vermutlich durch die Verfügbarkeit genetischer Analysetechniken, mit denen sich Haare, Losung und Harnproben schnell und präzise einer Art oder sogar bestimmten Individuen zuordnen lassen“, so Annegret Grimm-Seyfarth.
Weltweit erschnüffelten Hunde seit den 1930er-Jahren im Dienste der Wissenschaft mehr als 400 Tierarten, darunter 154 Säuger, 114 Vögel, 61 Reptilien, 17 Amphibien, 7 Weichtiere und 50 Insekten; außerdem 42 Pflanzen, 26 Pilze und 6 Bakterien. Überwiegend standen gefährdete und schwer aufzufindende Arten im Fokus (BENNETT et al. 2019), daneben auch invasive Arten, wie etwa der Asiatische Laubholz-Bockkäfer: Infizierte Holzpalletten können so rechtzeitig vernichtet und befallene Einzelbäume gezielt gefällt werden, um einen Kahlschlag ganzer Bestände zu vermeiden. Besonders häufig werden weltweit Labrador Retriever, Border Collies und Deutsche Schäferhunde als Artenspürhunde eingesetzt. „Im Prinzip kann man aber alle Hunderassen für solche Aufgaben ausbilden, nur ist das bei manchen eventuell aufwendiger als bei anderen. Keine Rasse ist besonders gut oder schlecht geeignet“, sagt Annegret Grimm-Seyfarth. In den USA wurden bereits Hunde darauf trainiert, bis zu zwei Dutzend Arten gleichzeitig anhand der Losung sicher aufzufinden; die Zuordnung der Funde zu den jeweiligen Arten erfolgt anhand von Gentests.
Gegenüber Menschen oder technischen Methoden sind Hunde beim Aufspüren von Organismen unschlagbar. Das ergab die Auswertung von 422 wissenschaftlichen Studien, in denen die Effektivität und Genauigkeit der Spürnasen mit herkömmlichen Nachweismethoden verglichen wurden: In fast 90 Prozent der Fälle arbeiteten die Vierbeiner deutlich effektiver; nur in einer von hundert Studien schnitten sie schlechter ab. Im Vergleich zu Kamerafallen entdeckten Hunde 3,7- bis 4,7-mal mehr Schwarzbären, Fischermarder und Rotluchse. Zudem kommen sie häufig besonders schnell zum Ziel: „Sie können in kürzester Zeit eine einzige Pflanze auf einem Fußballfeld finden oder sogar unterirdische Pflanzenteile entdecken“, sagt Annegret Grimm-Seyfarth. Häufig eingesetzt werden Artenspürhunde bei der Totfundsuche im Einzugsbereich von Windkraftanlagen (SMALLWOOD et al. 2020). Denn dort gilt es, riesige Flächen schnell genug nach erschlagenen Fledermäusen und Vögeln abzusuchen, bevor diese von Krähen und anderen Raubtieren gefressen werden. Beim Erfassen streng geschützter Reptilien wie Zauneidechse und Schlingnatter sind Artenspürhunde erfahrenen Biologinnen und Biologen nicht zwangsläufig überlegen, dienen aber bei ungünstiger Witterung und vor allem zum Nachweis von Jungtieren als hilfreiche Ergänzung zu herkömmlichen Methoden (BLANKE 2019).
UFZ-Forscherin Grimm-Seyfarth führt selbst zwei eigens ausgebildete Artenspürhunde. Ihr Border Collie Zammy hat schon als Welpe gelernt, die Losung von Fischottern aufzuspüren; er und ein weiterer Spürhund fanden in einer Studie zum Vorkommen dieser Art in der Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft viermal mehr Losung als ihre menschlichen Kollegen (GRIMM-SEYFARTH et al. 2019). Gleichzeitig ist Zammy auf das Auffinden von Kamm-, Berg- und Teichmolchen trainiert (GRIMM-SEYFARTH & HARMS 2019). Diese Amphibien sind zwar generell stark gefährdet, in Deutschland jedoch eigentlich noch recht weit verbreitet. Weil aber die meisten Populationen sehr klein sind und stetig schrumpfen, besteht ein hohes Risiko, dass die Arten lokal aussterben. „Wir wissen zwar einiges über die aquatische Lebensweise der Molche, denn im Wasser sind sie einfach nachzuweisen. An Land findet man sie dagegen viel schwieriger. Dazu sucht man in regnerischen Nächten mit der Taschenlampe Transekte ab oder legt künstliche Verstecke aus und hofft, dass ein Molch sich darunter versteckt. Doch die Nachweisrate ist mit all diesen Methoden extrem gering. Daher wissen wir nur sehr wenig darüber, wo sich Amphibien generell – und speziell seltene Arten wie der Kammmolch – an Land aufhalten und welche Ansprüche sie an ihre Sommerhabitate stellen“, betont die Biologin. Mit Zammy will sie diese Wissenslücken füllen: „Letzten Sommer haben wir mit seiner Hilfe sehr viele Molch-Verstecke gefunden und untersuchen nun ihre Eigenschaften und die umgebende Vegetation“.
Mehr:
BENNETT, E. M. et al. (2019): Evaluating conservation dogs in the search for rare species. – Conservation Biology, 34(2): 314–325; https://doi.org/10.1111/cobi.13431.
BLANKE, I. (2019): Pflege und Entwicklung von Reptilienhabitaten – Empfehlungen für Niedersachsen. – Informationsdienst Naturschutz Niedersachsen 1/2019; www.nlwkn.niedersachsen.de/veroeffentlichungen-naturschutz/pflege-und-entwicklung-von-reptilienhabitaten-180038.html.
GRIMM-SEYFARTH, A. et al. (2021): Detection dogs in nature conservation: A database on their worldwide deployment with a review on breeds used and their performance compared to other methods. – Methods in Ecology and Evolution pp. 1–12; https://besjournals.onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/2041-210X.13560.
GRIMM-SEYFARTH, A. et al. (2019): Performance of detection dogs and visual searches for scat detection and discrimination amongst related species with identical diets. – Nature Conservation (37): 81–98.
GRIMM-SEYFARTH, A. & HARMS, W. (2019): Evaluierung von Artenspürhunden beim Monitoring von Amphibien und Reptilien. – Jahresschrift für Feldherpetologie und Ichthyofaunistik in Sachsen 20: 56–69.
MACKAY, P. et al. (2008): Scat detection dogs. – In LONG, R. A., MACKAY, P., ZIELINSKI, W. J. et al. (Eds.): Noninvasive survey methods for carnivores. – Island Press: 183–222.
SMALLWOOD, S. K. et al. (2020): Dogs Detect Larger Wind Energy Effects on Bats and Birds
The Journal of Wildlife Management: 1–13; DOI: 10.1002/jwmg.21863.
Monika Offenberger (2021): Schnüffeln für den Naturschutz: Artenspürhunde werden weltweit bei Kartierungen und im Monitoring eingesetzt. – ANLiegen Natur 43/2; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/artenspuerhunde/.
Zum Download der Notizen in der Rubrik:
ANLiegen Natur 43/2 (2021): 2 Seiten als Volltext herunterladen (pdf barrierefrei 0,3 MB).