Aus Fehlern lernen
(Monika Offenberger) Misserfolge bei der Planung und Realisierung von Naturschutzprojekten werden sehr viel seltener publiziert als Erfolge. Das zeigt eine Auswertung von mehr als 4.400 englischsprachigen Fachpublikationen. Damit werde eine große Chance vertan, aus den Fehlern anderer zu lernen, mahnen die Autoren. Sie appellieren an alle im Naturschutz Tätigen, gescheiterte Versuche und negative Erfahrungen ebenso gründlich zu analysieren, zu dokumentieren und zu veröffentlichen, wie gelungene Projekte.
Naturschutzakteure profitieren, ebenso wie Expertinnen und Experten anderer Disziplinen, von den Erfahrungen ihrer Fachkolleginnen und -kollegen. Neben dem persönlichen Austausch helfen vor allem Publikationen in Fachzeitschriften dabei, von anderen zu lernen. Experimentelle Studien zur Effektivität von Lernprozessen belegen, dass Berichte über Erfahrungen und Ursachen des Scheiterns eine größere Wirkung auf lernwillige Probanden haben als Erfolgsberichte. Die Leiter entsprechender Studien führen dies darauf zurück, dass Schilderungen über Misserfolge mit stärkeren Emotionen einhergehen und sich einem interessierten Publikum deshalb besser einprägen.
Auch schriftlich dokumentierte Fehler könnten eine wichtige Quelle der Erkenntnis sein. Allerdings wird diese Quelle viel zu wenig ausgeschöpft, wie Allison S. Catalano vom Imperial College London und Kollegen konstatieren. Das Team sichtete 4.411 Publikationen über Naturschutzprojekte in 32 Ländern aus aller Welt, die zwischen 1970 und 2016 in 30 renommierten englischsprachigen Fachzeitschriften veröffentlicht worden waren und sich mit einer Kombination der Suchbegriffe „Erfolg“ beziehungsweise „Misserfolg/Fehler“ und „Lernen“ auffinden ließen. Zwei Drittel der Erstautoren dieser Studien waren männlich, sie stammten größtenteils aus den USA oder Großbritannien und waren an Universitäten beschäftigt; 15 Prozent arbeiteten für Nichtregierungsorganisationen (NGO) oder staatliche Stellen.
Den Großteil der gesichteten Publikationen schloss das Team von der Analyse aus, weil die darin beschriebenen Erfolge oder Misserfolge ausschließlich auf biologische Faktoren zurückgeführt wurden. Nur 280 Artikel beschrieben auch soziale Faktoren, die den Verlauf von Naturschutzprojekten beeinflusst hatten. Mehr als drei Viertel dieser Artikel berichteten von Erfolgen; nur 59 Publikationen – entsprechend 1,3 Prozent aller gesichteten Fachaufsätze – thematisierten auch das Scheitern und Misslingen bestimmter Aspekte der vorgestellten Projekte. Die am häufigsten genannten Gründe für das Scheitern waren Interessenkonflikte zwischen Stakeholdern, persönliches Versagen oder Unstimmigkeiten zwischen Akteuren, gruppendynamische Prozesse, Hierarchien im Team sowie weitere Strukturen, die ein zielorientiertes Arbeiten erschweren. Als weitere Gründe für Misserfolge wurden Managementprobleme, Kommunikationsfehler oder mangelnde Kapazitäten an Finanzmitteln und/oder Personal angeführt.
Die Studienleiter werten diese Dokumentationen als wichtigen Input für Fachkollegen. Sie ermuntern alle im Naturschutz Tätigen, bei künftigen Projekten bereits in der Planungsphase und bei allen weiteren Schritten auf eine transparente Fehlerdokumentation und -analyse zu achten – damit ihre Fachkolleginnen und -kollegen daraus lernen und es besser machen können.
Anmerkung der Anliegen-Redaktion:
Auch für unsere Fachzeitschrift ANLiegen Natur sind wir auf der Suche nach solchen wichtigen Erfahrungswerten. Berichte über Misserfolge in Projekten oder Projektteilen und Fehleranalysen können gerne bei uns eingereicht werden.
Mehr:
BLEDOW, R. et al. (2017): Learning From Others’ Failures: The Effectiveness of Failure Stories for Managerial Learning. – Academy of Management Learning & EducationVol. 16, No. 1 Research & Reviews; https://doi.org/10.5465/amle.2014.0169.
CATALANO, A. S. (2019): Learning from published project failures in conservation. – Biological Conservation, Vol. 238; https://doi.org/10.1016/j.biocon.2019.108223.
Monika Offenberger (2021): Aus Fehlern lernen. – ANLiegen Natur 43/1; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/aus-fehlern-lernen/.
Zum Volltext-Download:
ANLiegen Natur 43/1 (2021): 2 Seiten als Volltext herunterladen (pdf barrierefrei 1,5 MB).
Sehr schön zusammengefasst, Frau Offenberger (so schlimm das im Endeffekt ist) – aber leider lässt sich das auch für diverse Gutachten bzw. deren Umsetzung im Lauf der Planung und/oder des Bauvorhabens sagen. Auch ich kann mich da nicht ausnehmen; man hat es letztlich nicht mehr im Griff, außer man ist als ökologische Baubegleitung weiter dabei. Soll heißen: Die Behörden müssen diese grundsätzlich immer einfordern, plus eine Dokumentation in Form von Berichten. Nicht, weil wir Freiberufler/innen uns gern selber Aufträge zuschustern (weil wir ja zu wenig zu tun haben …), sondern um echte Erfolge für die zu schützenden Arten zu haben.
Vielen Dank für die gelungene und hilfreiche Übersicht! Das BfN und sein Programmbüro ermutigen die im Bundesprogramm Biologische Vielfalt geförderten Projekte ebenfalls, auch Misserfolge zu kommunizieren, um daraus lernen zu können.Politisch werden ja oft lieber die Erfolge dargestellt, aber Erkenntnisse über systematische Hemmfaktoren sind genauso wichtig!
(Ergänzung zum vorigen Kommentar)
Hier sind weitere Informationen zur Projektevaluation im Bundesprogramm Biologische Vielfalt zu finden: https://biologischevielfalt.bfn.de/bundesprogramm/projekt-evaluation.html