Artenschutz in der Baumkontrolle
(Stefanie Weigelmeier) Der Artenschutz nach dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und die Verkehrssicherheit nach dem Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) sind bei der Baumpflege gleichermaßen zu berücksichtigen. Gibt es keine anderen Alternativen, überwiegen aber die Belange der Verkehrssicherheit die des Artenschutzes: Lebensstätten von Vögeln und anderen Tieren können betroffen sein. Kreativer Einsatz der möglichen technischen Lösungen in der Baumpflege helfen aber, unnötige Baumfällungen und Sicherheitsschnitte zu verhindern.
Bäume im öffentlichen Raum werden regelmäßig in Bezug auf ihre Verkehrssicherheit kontrolliert. Aufgabe der Baumkontrolle ist es, Merkmale des Baumes objektiv zu erkennen und in Bezug auf Verkehrssicherheit und Artenschutz einzuordnen. Dabei ist es wichtig, dass die Kontrollierenden in der Lage sind, auch Baumstrukturen zu erkennen, die für den Artenschutz relevant sind. Nur so können sie die richtigen Maßnahmen empfehlen und die Schutzbestimmungen einhalten. Viele der Standardparameter, die bei der Kontrolle der Verkehrssicherheit erhoben werden, geben auch Hinweise auf die Relevanz des Baumes für den Artenschutz. In meinem Manuskript zur 6. Fachtagung der Baumkontrolleure stelle ich die wichtigsten Strukturen vor.
Natürlicherweise entwickeln Bäume, je älter sie werden, Strukturen, die für zahlreiche Organismen einen Lebensraum darstellen, wie Höhlungen, Einmorschungen, Rindenplatten, Risse und Spalten. Viele sind Lebensräume gesetzlich geschützter Arten, insbesondere Vögel, Insekten und Pilze. Auch können zum Zeitpunkt der Kontrolle scheinbar unbewohnte Höhlen nach dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) geschützte Lebensstätten darstellen. Im Sinne einer Worst Case-Annahme, sollten Höhlenbäume aufgrund des hohen Untersuchungsaufwandes grundsätzlich als Fortpflanzungs- und Ruhestätte eingestuft werden.
Um die Biodiversität auch im öffentlichen Raum noch besser zu schützen und zu fördern, sollten wir alle Möglichkeiten nutzen. Im Folgenden einige Stellschrauben, wie wir auch im Rahmen der Baumkontrolle den Artenschutz noch verbessern können:
Die Thematik des Artenschutzes im Ökotop Baum sollten bei der Ausbildung zur Baumkontrolle dringend stärker berücksichtigt werden. Die Kontrollierenden sollten die Ökologie und die Lebensansprüche von potenziell an und in Bäumen vorkommenden Artengruppen kennen und die Arten erkennen.
Die Kontrolleure sollten Weiterbildungen etwa im Bereich Kronensicherung, Schnitttechniken und Baumstatik wahrnehmen, um den Baum und darin vorkommende Lebensraumstrukturen erhalten zu können.
Darüber hinaus ist es wichtig, dass die Kontrollierenden je nach eigenem Wissen, Situation, Baum und Artverdacht, analog zur eingehenden Untersuchung der Stand- oder Bruchsicherheit, öfter eine artenschutzfachliche Begutachtung anfordern.
Kommunen verwalten ihre Baumbestände in öffentlichen Grünanlagen, Straßenzügen, Friedhöfen et cetera mittlerweile häufig über eine Kataster-Software. Aber auch händisch geführte Listen in kleineren Baumbeständen sind im Einsatz und praktikabel. Leider fehlen in vielen dieser Kataster und Kontrollbögen Informationen zum Artenschutz. Sie sollten daher einheitlich angepasst und der Artenschutz in der Dokumentation implementiert werden.
Das vollständige Manuskript ist abrufbar unter https://dendrophilia.de/wp-content/uploads/SWeigelmeier-2020-Artenschutz-in-der-Baumkontrolle.pdf.
Kontakt:
Stefanie Weigelmeier, freiberufliche Baumgutachterin und Mitarbeiterin an der Unteren Naturschutzbehörde des Werra-Meißner-Kreises (Hessen)
stefanie.weigelmeier(at)dendrophilia.de
Stefanie Weigelmeier (2020): Artenschutz in der Baumkontrolle. – ANLiegen Natur 42/2; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/baumpflege-artenschutz/.
Zum Volltext-Download:
ANLiegen Natur 42/2 (2020): 6 Seiten als Volltext herunterladen (pdf barrierefrei 0,6 MB).
Hallo Frau Weigelmeier,
da der Baumschutz noch nicht so weit verbreitet ist und ich in einer Gegend (Süddeutschland) arbeite wo es nicht viele Baumschutzsatzungen oder andere Schutzverordnungen für Bäume gibt, versuche ich – in meiner Position bei der UNB – so gut wie möglich, Bäume über den Artenschutz „zu retten“, wenn ich sie als wichtige Elemente für die Landschaft und den Artenschutz halte. Das Problem in den Unteren Naturschutzbehörden liegt darin, dass 1. zu wenige Baumkundige dort arbeiten, 2. keine Büros hier im großen Umkreis, die sich mit Insekten auskennen.Da Insekten bei artenschutzfachlichen Gutachten meistens übergangen werden, da es weder Insektenexperten hier in der Gegend gibt, noch Leute bei der UNB, die Insekten als schützenswerte Arten berücksichtigen. Da ich gerade einen Fall habe, bei dem 4 gesunde Bäume, zwart nicht heimisch, aber alt, gesund, und vor allem mit Efeu bewachsen, innerstädtisch gefällt werden sollen, da sie „im Weg sind“, würde ich sehr gerne einen Weg finden ein artenschutzfachliches Gutachten (auch für Insekten) zu verlangen, stoße damit aber auf großen Widerstand bei den Kollegen. Haben Sie damit Erfahrung, bzw. kennen Sie Insektenspezialisten, die sich mit seltenen Arten in Bäumen auskennen? Ich würde gerne ein Netzwerk anregen, welches sich mehr mit dem Thema Artenschutz befasst, und nicht nur mit Fledermäusen, Höhlenbrütern oder Bilchen.
Viele Grüße
Astrid Hamm
Selbstständige Sachverständige Urbane Forstwirtschaft und Stadtbegrünung
UNB Biberach
http://www.stadtverzweigungen.de
Hallo Frau Hamm,
Sie treffen den Nagel auf den Kopf!
Wenn wir den Artenschutz ernsthaft umsetzen möchten, müssen wir die Habitate erhalten. Dies ist wichtig in Bezug auf Altbäume, mit dem Alter nimmt die Anzahl an verschiedenen Habitatstrukturen zu, aber auch für die potentiellen Altbäume der Zukunft. Es ist aufwändig, Jungbäume gut zu etablieren (wässern, Pflanzgruben, Verdichtung und Versiegelung….), daher sollten Bestandsbäume erhalten und ihr Umfeld nach Möglichkeit verbessert werden.
Die technischen Möglichkeiten jenseits des Fällschnittes sind glücklicherweise enorm 🙂
Sie haben Recht, „wir“ bei der UNB sind sehr divers aufgestellt, vom Verwaltungsfachangestellten bis zur Bryologin ist dazwischen und daneben sicherlich vieles vertreten. Wenn ich etwas nicht weiß, muss ich mir das (a) eingestehen und (b) wissen, wo ich fragen kann.
Das Wissen um kreativen Baumerhalt und Standortverbesserung können Sachverständige vermitteln. Das Sachverständigenwesen ist nun leider auch sehr dehnbar und vom dendrologischen Feinwerk bis zum Fällgutachten können Sie vieles bekommen.
Auch BiologInnen sind fachlich unterschiedlich orientiert. In Planungsbüros werden oft nur die beliebten Standardgruppen bedient und da gehören die xylobionten Insekten leider nicht dazu.
Schreiben Sie mich gerne an (Mailadresse s.o.), vielleicht kann ich Ihnen helfen oder Sie weiterempfehlen.
Viele Grüße, Stefanie Weigelmeier