Begeisterung lernen und lehren: Mit lebenden Tieren für den Naturschutz!
(Wolfram Adelmann, Veronika Feichtner) Die Forschungsfrage klingt einfach: „Kann man Begeisterung lehren?“ Die kurze Antwort ist: Ja! Lebende Tiere bieten viele Möglichkeiten im Unterricht, Engagement und Motivation zu vermitteln und vor allem, auch als Lehrer Begeisterung zu erfahren. Der Schlüssel zum Erfolg liegt unter anderem in einer möglichst freien Auseinandersetzung mit sich spontan ändernden Situationen, welche Tiere automatisch erzeugen. Spontanes Erfahrungslernen, Fürsorge und Autonomie im Handeln lassen die Begeisterung wachsen. Die lange Antwort ist: Ja – aber noch viel mehr!
Die Forschungsgrundlagen der Psychologiestudentin Veronika Feichtner von der Ludwig-Maximilians-Universität München sind die Aktionsmaterialien der ANL-Projekte Tiere live und ELENA als europäisches Nachfolgeprojekt, um lebende Tiere in der schulischen und außerschulischen Umweltbildung einzusetzen (Adelmann & Sturm 2014). Ob Ameise, Hund, Schmetterling oder Haushuhn – Kern ist, das lebende Tier in die Verantwortung der Schüler zu übergeben und sie nur minimal zu lenken. Begleitet durch Spiel, Beobachtung und Aufgaben werden die Schüler an das Wissen über die Tiere und den Umgang mit ihnen herangeführt. Die Verbindung zum Naturschutz erfolgt über Exkursionen und Vergleiche zur Natur vor der Haustüre.
Die schwierige Aufgabe war nun, die Lehrer- und Ausbilderfortbildung an der Bayerischen Akademie für Naturschutz (ANL) aus psychologischer Sicht dahingehend zu bewerten, ob lebende Tiere sowohl die Lehrer als auch später die Schüler begeistern sowie ob und wie lebende Tiere besonders dazu beitragen Begeisterung zu leben, zu wecken und mit Engagement und Motivation weiter zu vermitteln.
Die Forschungsmethode beruht auf einer Beobachtungsstudie und teilstrukturierten Interviews: Mittels Videomitschnitt und passiver Teilnahme als Beobachter wurden die Fortbildungen aufgezeichnet und bewertet. Anschließend wurden die fortgebildeten Lehrer in der Schule besucht und deren Aktionen analysiert. Jede Regung und Äußerung der Ausbilder und der Teilnehmer wurde erfasst, kategorisiert und Indikatoren für Begeisterungsäußerungen entwickelt. Besonderes Augenmerk wurde darauf gelegt, wo und wann die lebenden Tiere Ursache für Begeisterung waren, hier zusammengefasst über die soziologischen Begriffe Engagement und Motivation.
Die Haupteinflussfaktoren für Engagement
Die Ergebnisse bestätigen erfreulicherweise die grundlegende Vermutung der Projektpartner von Tiere live und ELENA: Sieben Haupt-Einflussfaktoren bestimmten, wie engagiert die Interaktionen mit lebenden Tieren im Unterricht waren. Diese beziehen sich auf die drei Felder Autonomie, Kompetenz und soziale Eingebundenheit (vergleiche Selbstbestimmungstheorie nach Deci & Ryan 2000). Ebenso wurden Einflussfaktoren von negativem Engagement beachtet. Generell erweckten alle tierspezifischen Einflüsse sowohl emotionales als auch verhaltensänderndes Engagement.
a. Als erster Einflussfaktor wurde freie Entscheidung über eigenes Handeln gefunden, welches zum Feld Autonomie gehört. Mit Tieren sind viele Aktivitäten möglich, die den Lehrenden helfen, optimale Bedingungen zu erzeugen um Autonomie zu erleben. Schüler hatten eigene Wahl über ihre Handlungen und freie Zeit, um selbstgewählte Aktionen mit den Tieren auszuprobieren.
b. Weiterhin wichtig ist die direkte und persönliche Interaktion mit dem Tier. Hier wird besonders die Bewertungskompetenz gefördert, da beobachtet werden kann, wie das eigene Handeln das Tier beeinflusst. Hierdurch entsteht ein Gefühl der Effektivität.
c. Der Erstkontakt ist eine besondere Interaktion und besonders wertvoller Schlüsselmoment, da er immer zu hohem Engagement führte und starke Emotionen sowie emotionales Engagement auslöste.
d. Doch auch die alleinige Beobachtung der Tiere kann den Teilnehmenden helfen, sich effektiv zu fühlen, da sie direkt beobachten können, wie sich das Verhalten der Tiere bezüglich bestimmter Rahmenbedingungen verändert.
e. Auch die Konfrontation mit etwas Unerwartetem ist wichtig: Lebende Tiere agieren spontan, wodurch ihr Einsatz im Unterricht nicht vollständig planbar ist. Durch die Auseinandersetzung mit diesen Unsicherheiten wird der Umgang mit einer realen Welt trainiert.
f. Schließlich gehören die Einflussfaktoren sechs und sieben zum Bereich „soziale Eingebundenheit“. So ist die positive Beziehung mit dem Tier wichtig, da Tiere neben Mitmenschen eine weitere Möglichkeit bieten, positive und persönliche Beziehungen aufzubauen. Zuletzt ist die Sorge um das Tier bedeutsam. Wenn mit lebenden Tieren gearbeitet wird, haben die Schüler eine direkte Verantwortung für ein Lebewesen und tragen Sorge um das Wohlergehen der Tiere.
Lebende Tiere lösen Engagement aus
Motivation und Engagement sind wichtige Eigenschaften von Schülern, um gute Ergebnisse in der Schule zu erzielen. Die Masterarbeit zeigt, dass lebende Tiere Enthusiasmus und eine aktive Beteiligung der Schüler erhöhen. Lebende Tiere werden als optimales Medium angesehen, Enthusiasmus und Engagement von Schülern auszulösen. Sie können den Schülern Wahlmöglichkeiten eröffnen, indem sie den Schülern Autonomie vermitteln und Möglichkeiten geben, in positive Interaktion zu treten. So können sie positive Beziehungen aufbauen und eine soziale Eingebundenheit spüren. Lebende Tiere können somit das pädagogische Spektrum der Lehrer erweitern, indem sie Autonomie, Struktur und Eingebundenheit unterstützen.
Besonders um neue Tieraktionen zu erarbeiten oder die bestehenden weiterzuentwickeln, die das Engagement der Schüler fördern, ist es fundamental, die festgestellten sieben Haupteinflussfaktoren zu nutzen.
Mehr:
Feichtner, V. (2015): Living Animals as Medium Stimulating Enthusiasm in School Lessons. – Master thesis Ludwig-Maximilians-Universität München: 131 S. Die vollständige Masterarbeit (englischsprachig) ist bei der ANL anzufragen.
Adelmann, W. & Sturm, P. (2014): Das ELENA-Projekt – Lebende Tiere in den Schulen Europas. – ANLiegen Natur 36(2): 97–100, Laufen; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/doc/an36210adelmann_et_al_2014_elena.pdf.
Deci, E. L. & Ryan R. M. (2000): The „What“ and „Why“ of Goal Pursuits: Human Needs and the Self-Determination of Behavior. – Psychological Inquiry 11(4): 227–268.
Zitiervorschlag: Adelmann, W. & Feichtner, V. (2015): Begeisterung lernen und lehren: Mit lebenden Tieren für den Naturschutz! – ANLiegen Natur 37/2; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/begeisterung_lernen/.