Der Bund als Vorbild im Naturschutz: Kabinett beschließt Biodiversitätsstrategie für Bundesflächen
(MO) Mit einer neuen Roadmap will sich der Bund stärker für den Naturschutz engagieren. Die „Strategie der Bundesregierung zur vorbildlichen Berücksichtigung von Biodiversitätsbelangen auf allen Flächen des Bundes“ (StrÖff) setzt wichtige Ziele der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt um. Nach ihrer Maßgabe wollen die zuständigen Stellen des Bundes die Artenvielfalt wirkungsvoll schützen, erhalten und fördern. Zu Projekten von nationaler Bedeutung zählen das „Bundesprogramm Wiedervernetzung“ oder das „Bundesprogramm Blaues Band“.
„Dass die öffentliche Hand mehr tun soll, um die Ziele von Naturschutz und Landschaftspflege zu berücksichtigen, ist nicht nur Gegenstand von Strategien, sondern gesetzliche Verpflichtung“, heißt es in der Einführung des 45 Seiten starken Strategiepapiers. Damit unterstützt die StrÖff die Umsetzung der gesetzlichen Regelung in § 2 Absatz 4 des Bundesnaturschutzgesetzes, welche lautet: „Bei der Bewirtschaftung von Grundflächen im Eigentum oder Besitz der öffentlichen Hand sollen die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege in besonderer Weise berücksichtigt werden“. Betroffen sind alle Wälder, Liegenschaften, Wasser- und Fernstraßen in Besitz des Bundes sowie das Schienennetz der Deutschen Bahn und die Truppenübungsplätze der Streitkräfte.
Um seiner Vorbildfunktion für den Artenschutz nachzukommen, hat der Bund bereits seit 2005 rund 125.000 Hektar eigener Flächen dauerhaft von der Privatisierung ausgenommen und einer natürlichen Entwicklung oder einer naturschutzkonformen Nutzung zugeführt. In der laufenden Legislaturperiode sollen weitere 62 Gebiete mit einer Gesamtfläche von 31.000 Hektar dazukommen: Sie verbleiben zunächst als Nationales Naturerbe in der sogenannten Bundeslösung und werden dann unentgeltlich an die Länder, die Deutsche Bundesstiftung Umwelt sowie an Naturschutzstiftungen und -verbände übertragen.
Ein besonders großes Potenzial für den Naturschutz bieten die 200 Truppenübungsplätze der Streitkräfte; 70 Prozent ihrer Gesamtfläche von 206.000 Hektar sind bereits heute als Natura 2000-Gebiete gemeldet. Eine herausragende Bedeutung haben militärische Flächen für die FFH-Lebensraumtypen Trockene Heiden, Sandheiden und Sand-Trockenrasen. Von ihrer Erhaltung und Pflege profitieren bedrohte Insekten und Vögel wie Brachpieper, Heidelerche, Wiedehopf und Ziegenmelker. Das Bundesministerium für Verteidigung sorgt für den Erhalt wertvoller Lebensräume durch naturschutzfachliche Pflege und Nutzung: Der Standort Appen wurde extensiv begrünt, in Eutin wurde ein neu angelegtes Feuchtbiotop von Rotbauchunke und Kammmolch angenommen und am Standort Münster-Handorf hat sich nach der Anlage von Kleingewässern die dortige Laubfroschpopulation zu Nordrhein-Westfalens zweitgrößtem Bestand entwickelt. Infolge des 2011 ausgearbeiteten Stationierungskonzepts der Bundeswehr und der Reduzierung der Gaststreitkräfte werden in den nächsten Jahren rund 36.000 Hektar ehemals militärisch genutzter Flächen frei. Ein eigens entwickelter „Praxisratgeber Militärkonversion“ gibt den Kommunen Orientierungshilfen zum Umgang mit diesen Flächen und stellt gelungene Konversionsprojekte vor.
Deutschlands gut ausgebautes Straßennetz zerschneidet Lebensräume und führt zu einer Verinselung und qualitativen Verschlechterung der verbleibenden Flächen. Dieser Entwicklung will die Regierung mit dem Bundesprogramm Wiedervernetzung entgegenwirken. Im Pilot-Vorhaben „Holsteiner Lebensraumkorridore“ sind von 2010 bis 2013 an der BAB 21 verschiedene Querungsbauwerke erprobt worden. Dabei wurden unter anderem ein 17 Hektar großes Naturwaldband zur Grünbrücke errichtet und die Anzahl von Kleingewässern verdoppelt. Aufbauend auf dem großen Erfolg dieser Maßnahmen wird nun bis 2017 an der BAB A7 regional übergreifend ein Verbund mehrerer Querungshilfen erprobt.
Nicht nur die Verkehrswege selbst stellen oft unüberwindbare Hindernisse für Tiere dar, sondern auch die sie flankierenden Schallschutzwände. Als Querungshilfen lässt die Deutsche Bahn AG Kleintierdurchlässe in die Schallschutzwände entlang der Bahntrassen anlegen. Der Bau dieser Durchlässe soll im Rahmen des Lärmschutzprogrammes bis 2020 voraussichtlich auf einer Länge von 10 Prozent des Streckennetzes sowie bei geplanten Neuvorhaben umgesetzt werden.
Trotz intensiver Nutzung stellt das Schienennetz der Eisenbahn für viele seltene Tier- und Pflanzenarten wichtige Lebensräume und Wanderachsen dar. Ihr vorbildliches Management wird in der nun beschlossenen Biodiversitäts-Strategie ebenso diskutiert und anhand gelungener Beispiele illustriert, wie jene der Bundeswasserstraßen und -wälder. Nicht zuletzt gehen auch die Bundesliegenschaften mit gutem Vorbild voran: Im Rahmen von Baumaßnahmen sollen bis 2020 verstärkt lebenszyklusbezogene Biodiversitätsaspekte systematisch berücksichtigt und bei allen Planungsabläufen frühzeitig umgesetzt werden. Angestrebt wird dies insbesondere beim Umbau des Umweltbundesamtes in Berlin-Grunewald, beim Neubau des Büro- und Laborgebäudes des Julius Kühn-Instituts in Dossenheim sowie beim Neubau des Bundesamtes für Strahlenschutz in Neuherberg.
Mehr:
Strategie der Bundesregierung zur vorbildlichen Berücksichtigung von Biodiversitätsbelangen auf allen Flächen des Bundes (StrÖff), 2016, 45 Seiten; www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Pools/Broschueren/strategie_biodiversitaet_stroeff.pdf.
Ausführliche Informationen zum Umsetzungsprozess gibt die Internetseite www.biologischevielfalt.de.
Das „Bundesprogramm Wiedervernetzung“ von 2012 im Wortlaut: www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Naturschutz/bundesprogramm_wiedervernetzung_bf.pdf.
Stand der Umsetzung des „Bundesprogramm Wiedervernetzung“ 2014: www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Naturschutz/bundesprogramm_wiedervernetzung_presseinfo_bf.pdf.
Modellprojekt naturraumübergreifende Wiedervernetzung am Beispiel des zentralen Schleswig-Holsteins: www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Naturschutz/bundesprogramm_wiedervernetzung_beispiel_sh_bf.pdf.
Praxisratgeber Militärkonversion, Hrsg. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), Referat SW 23, 106 Seiten; www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Veroeffentlichungen/BMVBS/Sonderveroeffentlichungen/2013/DL_Militaerkonversion.pdf?__blob=publicationFile&v=2.
Zitiervorschlag: Offenberger, M. (2017): Der Bund als Vorbild im Naturschutz: Kabinett beschließt Biodiversitätsstrategie für Bundesflächen. – ANLiegen Natur 39/1; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/biodiversitaetsstrategie/.