Biologische Landwirtschaft im Aufwind – ein internationaler Vergleich
(Peter Sturm) In Österreich werden 23,9 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche biologisch bewirtschaftet. Ganze Bundesstaaten in Indien stellen um auf 100 % Biolandwirtschaft. Auch in Deutschland steigt die Anzahl der Biolandwirte. Die Entwicklung schreitet jedoch eher gemächlich voran. Einige Gründe für die Erfolge in Österreich und Indien werden vorgestellt.
Von 2016 auf 2017 ist die biologisch bewirtschaftete Fläche in Österreich um acht Prozent auf insgesamt 23,9 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche gewachsen (Leithner 2018). In Summe sind über 46.000 Hektar, oder anders ausgedrückt jeden Tag etwa 300 Fußballfelder Bio-Fläche hinzugekommen. Die Zuwächse waren im Ackerland mit einem Plus von etwa 23.000 Hektar und im Grünland mit zirka 22.000 Hektar etwa gleich groß. Damit wurden 2017 sieben Prozent der Ackerfläche und 32 Prozent des Dauergrünlandes in Österreich biologisch bewirtschaftet. Insgesamt wirtschafteten 2017 über 23.000 Bauernhöfe beziehungsweise 20,4 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe biologisch. Angesichts europaweit steigender Bio-Anteile im Lebensmittelhandel baut Österreich damit seine erfolgreiche Strategie zur Entwicklung der Bio-Landwirtschaft konsequent weiter aus. Die gute Entwicklung liegt primär an dem Bio-Aktionsprogramm des Lebensministeriums (BLFUW), das seit 2001 den Ökolandbau in Österreich vorantreibt.
Das Bio-Aktionsprogramm 2015–2020 setzt sehr erfolgreich auf mehreren Ebenen an (BMNT 2018):
- Zentrales Instrument ist das Österreichische Programm für umweltgerechte Landwirtschaft (ÖPUL): mit 150 Millionen Euro gehen mehr als 1/3 (= 37 %) der gesamten ÖPUL-Förderungen an Biobetriebe.
- In den Berggebieten Österreichs gibt es besonders viele Biobauern, deswegen erhalten diese auch ¼ der Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete.
- Biobonus (höherer Zuschuss, bessere Bewertung im Auswahlverfahren) bei Förderungen von Investitionen, Verarbeitung und Vermarktung, Bildung, Information und Absatz.
- Besondere Unterstützung wichtiger Bereiche wie Forschung und Ausbildung.
- Schwerpunktsetzungen in den Bereichen Marktanalysen, Information gewerblicher Verarbeiter und Vermarkter, Produktentwicklung, Qualitätssicherung sowie Markterschließung.
Aufwind auch in Bayern?
In Bayern bewirtschaften 2017 etwa 8.771 Ökobetriebe zirka 282.000 Hektar Land (BayStMELF 2018). Insgesamt stiegen die Zahlen bayernweit seit Jahren etwas an, sodass derzeit etwa acht Prozent der gesamten Landwirtschaftsfläche in Bayern ökologisch bewirtschaftet werden (BayStMELF 2018). Im gesamten Bundesgebiet herrscht ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage: Bei einem Marktanteil der Öko-Produkte am gesamten deutschen Lebensmittelmarkt von rund 5 % kann die derzeitige Nachfrage nach Öko-Produkten nicht aus heimischer Produktion gedeckt werden. Die Zukunftsstrategie Ökologischer Landbau der Bundesregierung nennt aus diesem Grund als mittelfristiges Ziel 20 Prozent Ökolandbau (BMEL 2017). Die Erzeugung von Bio-Produkten soll auch in Bayern bis zum Jahr 2020 verdoppelt werden. Dies hat die Bayerische Staatsregierung als politisches Ziel vorgegeben. Dafür wurde bereits 2012 das Landesprogramm „BioRegio Bayern 2020“ ins Leben gerufen, das Maßnahmen in den Bereichen Bildung, Beratung, Förderung, Vermarktung und Forschung vorsieht. Während sich in Bayern also noch einiges tun muss, um die angestrebten Ziele zu erreichen, bleibt Österreich mit aktuell 23,9 % weiterhin Europameister.
Bio-Boom in Schwellenländern
Der auf die Fläche bezogen sehr viel größere Bio-Boom spielt sich jedoch gerade in Indien ab. Er könnte die Welt stark verändern. In Indien haben sich mehrere Bundesstaaten auf den Weg gemacht, ihre Landwirtschaft komplett auf Bio umzustellen oder den Einsatz von Pestiziden zu verbieten. Am weitesten ist der kleine Bundesstaat Sikkim, in dem seit 2016 100 Prozent der Landwirtschaft Bio-Kriterien folgt (Eberhart 2018). Das sehr erfolgreiche Beispiel Sikkim hat in Indien große Aufmerksamkeit erregt und einen Tourismusboom ausgelöst. In der Region Darjeeling, die für den Teeanbau berühmt ist, liegt der Anteil der Bio-Landwirtschaft inzwischen bei rund 30 %, auch der Bundesstaat Uttarakhand will die Landwirtschaft zu 100 % auf Bio umstellen. Vor Kurzem gab nun auch der bevölkerungsreiche Bundesstaat, Andhra Pradesh, bekannt, dass die rund 6 Millionen Bauernfamilien des Staates spätestens ab 2024 ohne Pestizide arbeiten werden (United Nations Environment Programme 2018). Für diese Umstellung will Indien in den nächsten sechs Jahren jährlich fast 400 Million Dollar investieren. Dagegen sehen alle Pestizid-Reduktionsprogramme in Europa wenig ambitioniert aus. In wenigen Jahren wird damit in Indien eine zusammenhängende Region pestizidfrei sein, die größer ist als Österreich, Belgien und die Schweiz zusammen. Damit wickeln die indischen Bundesstaaten die sogenannte Grüne Revolution aus den 1960er-Jahren wieder ab. Die Intensivierung hatte in der Vergangenheit zu einer tiefen landwirtschaftlichen Krise, hoher Verschuldung und Aufgabe vieler kleinbäuerlicher Betriebe, ebenso zur Abhängigkeit von Saatgut und Pestiziden geführt. Als erfolgreiche Gegenstrategie wird nun der sogenannte Nullbudget-Ökolandbau („Zero Budget Natural Farming“) propagiert, um den Teufelskreis aus Verschuldung und Abhängigkeit zu durchbrechen. „Zero Budget” bedeutet dabei ein Wirtschaften ohne Kredite, mit selbst produziertem Saatgut sowie den Verzicht auf teure Düngemittel und Pestizide.
Hintergrund ist ein Paradigmenwechsel in der Landwirtschaftspolitik, in der künftig soziale Aspekte sowie Nachhaltigkeit und Umweltziele eine wichtige Rolle spielen. Langfristig soll dies die Existenz der zahlreichen Kleinbauern durch die Reduktion ihrer Kosten sichern und helfen, möglichst viele Umweltziele zu erreichen. Weitere zentrale Elemente dieser Politik sind boden- und klimaschonende Anbauverfahren sowie der Anbau regionaler Kulturpflanzensorten und die Erhaltung der Saatgutvielfalt. Gleichzeitig soll die Neuausrichtung der Landwirtschaftspolitik dazu beitragen, die Folgen des Klimawandels zu reduzieren.
Die Empfehlung von Shri Pawan Chamling, Ministerpräsident des Bundesstaats Sikkim, in einem Interview auf die Frage, wie Deutschland das bescheidene Ziel von 20 Prozent Bio-Landwirtschaft erreichen könnte, lautet: „Entscheidend wird sein, dass die Regierung den biologischen Landbau als oberste Priorität in ihren politischen Zielsetzungen festlegt. Demnach kann ich nur empfehlen, die Umstellung zum Staatsziel zu erklären und Politik und Gesetze entsprechend darauf auszurichten“ (Geier 2018).
Literatur
BayStMELF (= Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten; Hrsg., 2018): Antwort auf die schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ruth Müller vom 26.03.2018 betreffend Entwicklung des ökologischen Landbaus in Bayern 2000–2017; https://bayernspd-landtag.de/api/fo/ltf/180621-pressemitteilung-405484.pdf.
BMNT (= Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus,2018): Die Bio-Aktionsprogramme des BMLFUW. – www.bmnt.gv.at/land/bio-lw/programme/Bio_Aktionsprogramme.html.
Eberhart: Der Biostaat. – Brandeins-Magazin; www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2018/mobilitaet/sikkim-der-biostaat.
Geier, B. (2018): 100 Prozent Bio-Landbau ist möglich – das zeigt ein indischer Bundesstaat. – Schrot & Korn 3/18; https://schrotundkorn.de/lebenumwelt/lesen/willkommen-in-sikkim.html.
Leithner, M. (2018): Weiterhin starker Aufwind für biologische Landwirtschaft in Österreich. – Natur Land Salzburg Heft 1/2018, 25. Jg.: 50–51.
United Nations Environment Programme (2018): Andhra Pradesh to become India’s first Zero Budget Natural Farming state. – Pressemitteilung vom 02.06.2018; www.unenvironment.org/news-and-stories/press-release/andhra-pradesh-become-indias-first-zero-budget-natural-farming-state?platform=hootsuite.
BMEL (= Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, 2017): Zukunftsstrategie ökologischer Landbau. – Broschüre, Berlin: 98 S.
Sturm, P. (2018): Biologische Landwirtschaft im Aufwind – ein internationaler Vergleich. – ANLiegen Natur 40/2; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/biolandwirtschaft/.
Zum Volltext-Download:
ANLiegen Natur 40/2 (2018): 2 Seiten als Volltext herunterladen (pdf barrierefrei 0,4 MB).