Mehr Biodiversität auf intensiv bewirtschafteten Flächen
(Monika Offenberger) Wie kann es gelingen, die Artenvielfalt in der konventionellen Landwirtschaft zu fördern und zugleich den Landwirten ihr Auskommen zu sichern? Dieser Frage geht ein langfristiges Forschungsprojekt nach, das von den Bundesministerien für Ernährung und Landwirtschaft und Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit gefördert wird. Auf zehn intensiv bewirtschafteten Betrieben in ganz Deutschland wird zehn Jahre lang erforscht, welche Naturschutzmaßnahmen sich wirklich lohnen – und welche nicht.
„Ohne grundlegende Änderungen in der Landwirtschaft werden wir die biologische Vielfalt unserer Heimat nicht erhalten können. Der Handlungsbedarf ist da am größten, wo die Landwirtschaft am intensivsten ist. Darum ist es gut, wenn Naturschützer und Landwirte jetzt gemeinsam nach Lösungen suchen.“ Mit diesen Worten gab die Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks am 9. Januar den Startschuss für ein ungewöhnliches Forschungsvorhaben namens F.R.A.N.Z. Ungewöhnlich deshalb, weil sich Hendricks die Schirmherrschaft für das auf zehn Jahre angelegte Projekt mit dem Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt teilt – eine bis dato einmalige Konstellation. Der Anstoß für diese Zusammenarbeit kam von der Michael Otto Stiftung für Umweltschutz, die das Vorhaben gemeinsam mit dem Deutschen Bauernverband durchführt. Der ausgeschriebene Projekttitel – Für Ressourcen, Agrarwirtschaft & Naturschutz mit Zukunft – ist zugleich Programm; es soll Wege aufzeigen, wie die Landwirtschaft in Deutschland gleichermaßen der heimischen Artenvielfalt und den Landwirten selbst eine sichere Zukunft bieten kann. Als Forschungs- und Demonstrationsbetriebe dienen sieben Ackerbau- und drei Grünlandbetriebe in ganz Deutschland.
Zwei der zehn F.R.A.N.Z.-Betriebe liegen in Bayern. Einer hält im Allgäu bei Kempten 120 Stück Milchvieh auf rund 90 Hektar Grünland, der andere baut südlich von Landau an der Isar auf rund 70 Hektar Mais und Getreide an und betreibt eine Biogasanlage. Die Auswahlkriterien gaben die drei Forschungseinrichtungen vor, die das Verbundprojekt wissenschaftlich begleiten: das Michael-Otto-Institut im NABU, die Universität Göttingen sowie die Thünen-Institute für Ländliche Räume, Betriebswirtschaft und Biodiversität. „Die Demobetriebe sollten eine für die Region typische Größe von zusammenhängenden Wirtschaftsflächen haben und wirtschaftlich gefestigt sein, damit ihr langfristiges Bestehen gewährleistet ist“, erklärt Dominik Himmler von der Bayerischen Kulturlandstiftung, der die beiden bayerischen Demobetriebe für eine Teilnahme gewinnen konnte: „Außerdem sollten sie konventionelle Intensivwirtschaft betreiben und nicht an staatlichen Förderprogrammen zum Umwelt-, Landschafts- und Naturschutz teilnehmen“. Denn staatliche Förderinstrumente wie der Vertragsnaturschutz (VNP) oder das Kulturlandschaftsprogramm (KULAP) werden überwiegend von Landwirten angenommen, die – etwa im Alpenraum, in der Rhön oder im Bayerischen Wald – unter ungünstigen Witterungsverhältnissen oder auf wenig produktiven Böden wirtschaften müssen. Diese Landwirte sind zur langfristigen Sicherung ihrer Existenz auf staatliche Mittel angewiesen, mit denen ihre Leistungen für die Landschaftspflege und den Artenschutz vergütet werden. „Auf hochertragreichen Böden wie im Gäuboden in Niederbayern oder bei Würzburg in Unterfranken rechnet sich dagegen eine intensive Bewirtschaftung eher, aufgrund der Produktivität der Böden“, so Himmler.
Diese intensiv wirtschaftenden Betriebe bilden in Deutschland die Mehrzahl. Wie auch sie die Biodiversität auf ihren Grünland- und Ackerbauflächen stärker fördern können, wollen Biologen und Naturschützer gemeinsam mit den Landwirten erproben. Infrage kommt die ganze Palette an Maßnahmen, die sich bereits in Rahmen von KULAP, VNP & Co. bewährt haben – etwa die Anlage von Blühstreifen und Hecken, Kiebitzfenstern oder -seigen, verschiedene Dünge-, Mulch- oder Mahdregime sowie der partielle Verzicht auf Agrochemikalien. Geplant ist ein umfassendes ökologisches Monitoring, das die Populationsentwicklung von Wildbienen, Schmetterlingen, Amphibien, Feldhasen, Vögeln und Ackerwildkräutern auf den von Naturschutzmaßnahmen betroffenen beziehungsweise auf den unverändert intensiv bewirtschafteten Flächen erfasst und ihre Auswirkungen auf die Bestäubung, die bodenbiologische Aktivität und die Lebensraumfunktionen für Vögel untersucht.
Welche Maßnahmen auf den jeweiligen Demobetrieben sinnvoll und praktikabel sind, wird gemeinsam mit den Landwirten erarbeitet. Parallel zum ökologischen Monitoring ist ein betriebswirtschaftliches Monitoring geplant, das den ganzen Betrieb mit seinen optimierten Abläufen und ökonomischen Rahmenbedingungen im Blick hat. „Wir schauen mit wissenschaftlicher Unterstützung genau hin, welche Maßnahmen qualitativ messbar die Biodiversität, zum Beispiel von Vögeln oder Ackerwildkräutern, fördern – und welche nicht. Und wir messen auch die sozio-ökonomischen Effekte, die diese Maßnahmen auf den gesamten Betrieb haben“, betont Dominik Himmler, „denn Artenschutz muss für die Betriebe auch wirtschaftlich tragfähig sein. Nur so können wir das Gros der Landwirte zur Nachahmung anregen. Das unterscheidet unser Projekt von anderen Vorhaben mit rein ökologischer Zielsetzung“.
Soweit möglich, werden die Naturschutzmaßnahmen über Agrarumweltprogramme, Greening oder Kompensationsmaßnahmen finanziert. Darüber hinaus steht dem Projekt ein eigener Etat zur Verfügung: Er beläuft sich allein für die erste Projektphase bis Ende 2019 auf etwa 3,7 Millionen Euro; den Löwenanteil von 2,9 Millionen Euro erbringt die Landwirtschaftliche Rentenbank. Weitere 0,8 Millionen Euro kommen vom Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit.
Mehr:
Über das Vorhaben F.R.A.N.Z. – seine Ziele, Demonstrationsbetriebe, Partner, Maßnahmen und Forschungsvorhaben – informieren die Michael Otto Stiftung für Umweltschutz und der Deutsche Bauernverband auf ihren Internetseiten: www.franz-projekt.de.
Zitiervorschlag: Offenberger, M. (2017): Mehr Biodiversität auf intensiv bewirtschafteten Flächen. – ANLiegen Natur 39/1; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/bluehstreifen/.