Dramatische Artenverluste in der Kulturlandschaft Deutschlands
(Universität Göttingen) Die Intensivierung der Landwirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten hat zu einem hohen Verlust an Artenvielfalt in den Kulturlandschaften in Nord- und Mitteldeutschland geführt. Auf rund 1.000 Flächen – Ackerland, Grünland und Fließgewässer – wiederholten Forschende Vegetationsaufnahmen aus den 1950er- und 1960er-Jahren, um den Wandel zu analysieren.
Die Forschenden stellten unter anderem fest, dass
- die Fläche artenreichen Grünlands auf frischen bis feuchten Böden in den vergangenen 50 Jahren um rund 85 % abgenommen hat – heute dominieren artenarme, intensiv gedüngte Wiesen und Weiden,
- Ackerwildkräuter, die in den 1950er-Jahren noch fast auf allen Äckern vorkamen, heute aufgrund von Düngung und Pestiziden nur noch auf knapp 5 % der Ackerfläche wachsen,
- die Zahl der Pflanzenarten im Grünland um 30 % zurückging, im Inneren von Ackerschlägen um 71 % und in Fließgewässern um 19 %,
- die Häufigkeit der einzelnen Pflanzenarten in ähnlichem Ausmaß rückläufig ist wie die Artenzahl,
- lediglich sieben anpassungsfähige Arten im Grünland, 18 Arten des Ackerlandes und zwei Arten in Fließgewässern zugenommen haben.
Als Beispiele werden „typische“ Grünland-Pflanzen, wie das Wiesen-Schaumkraut und die Kuckucks-Lichtnelke aufgeführt. Vor rund 50 Jahren noch auf fast jeder Wiese wachsend, finden sich von ihnen heute nur noch Restbestände von weniger als 5 %, vielerorts sind die Pflanzen ausgestorben. Auch im Ackerland betragen die Bestandsverluste vielfach zwischen 95 % und 99 % – ehemals weit verbreitete Arten, wie der Acker-Rittersporn, die Knollen-Platterbse und das Sommer-Adonisröschen, sind heute floristische Seltenheiten.
Frühere Studien haben vergleichbare Verluste auch für Vögel im Acker- und Grünland gezeigt. Die Entwicklung bei anderen Organismengruppen, wie beispielsweise Insekten, ist bislang weniger bekannt.
Die Studie zeige, so die Forschenden, dass die bisherigen Maßnahmen des Biodiversitätsschutzes in der Agrarlandschaft bei weitem nicht ausreichend waren und in vielen Regionen den Zusammenbruch der Agrar-Lebensgemeinschaften nicht verhindern konnten. Da sich Deutschland im Rahmen der Nationalen Biodiversitätsstrategie zum Erhalt der Artenvielfalt in der Agrarlandschaft verpflichtet hat, müssen die politischen Entscheidungsträger dringend handeln.
Mehr:
MEYER, S. et al. (2013): Dramatic impoverishment of arable plant communities since the 1950s/60s – a large scale analysis across geological substrate groups. – Diversity and Distributions 19: 1175 to 1187.
WESCHE, K. et al.: Fifty years of change in Central European grassland vegetation: Large losses in species richness and animal-pollinated plants. – Biological Conservation 150: 76 to 85.
Zitiervorschlag: Universität Göttingen (2014): Dramatische Artenverluste in der Kulturlandschaft Deutschlands. – ANLiegen Natur 36/1, S. 19; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/dramatische-artenverluste/.