Über die Amsel, Pikachu und die Antwort: Ecogon
(WA) Das neue Spiel Ecogon ist ein Legespiel mit 80 sechseckigen Karten, die Lebensräume, Tier- und Pflanzenarten darstellen. Ziel ist es, Arten anzusiedeln, indem man miteinander oder strategisch gegeneinander die Karten kombiniert und ausspielt. Und dann gibt es noch die Ereigniskarten, ob Naturkatastrophe oder menschlicher Eingriff, die alles durcheinander bringen. Die Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege förderte die Entstehung von Ecogon.
Das Bild einer Amsel wird einem Jungen gezeigt. „Weißt Du, was das für ein Vogel ist?“ Der Junge zuckt mit den Achseln und schüttelt den Kopf. Dann folgt das Bild einer Comicfigur aus einem Videospiel. „Pikachu!“ schießt sofort die Antwort hervor. Micha Reimer setzt sein kleines Experiment fort. Doch die Jungen und Mädchen zwischen 8 und 12 Jahren erkennen die Amsel nicht. Es wird geraten, sogar Vorschläge wie „Elster“ fallen. Doch das Pokémon Pikachu wird zu 100 % erkannt.
Das Experiment von Micha Reimer fand vor drei Jahren statt, während seines Studiums Naturschutz und Landschaftsplanung an der Hochschule-Anhalt in Bernburg. Seitdem hat Micha Reimer ein Ziel: Kinder sollen wieder die Arten kennen, die vor ihrer Haustüre leben. Damals startet er ein ehrgeiziges Projekt: Er will Kindern das Wissen über die heimischen Arten vermitteln. Und der Weg ist ihm klar: Wenn Kinder eines gerne tun, dann ist es spielen. Also muss es ein Spiel über einheimische Arten sein. Aber keines mit erhobenem Zeigefinger, keines das nur pädagogisch besonders wertvoll und gleichzeitig besonders langweilig ist. Es muss Spaß machen!
Drei Jahre tüftelt er, probiert und verwirft und verbessert seine Spielideen. Schließlich entwirft er drei grundlegende Spielvarianten. Sein Favorit wird die Version mit sechseckigen Spielkarten, die logisch kombiniert werden können: Ecogon ist geboren – ein Wortspiel aus „Eco“ für Ökologie und Hexagon für sechseckig. Ziel des Spiels ist es, möglichst viele Tiere und Pflanzen optimal in ihre Ökosysteme einzubinden und gegen Gefahren von außen zu schützen. Die Ereigniskarten reichen von Katastrophen bis zu menschlichen Eingriffen und machen das Spiel abwechslungsreich und unvorhersehbar spannend. Die 80 Spielkarten ermöglichen eine schier unglaubliche Vielfalt an Kombinationsmöglichkeiten: Würde man alle möglichen Spielzüge hintereinander spielen und bräuchte man etwa 30 Sekunden pro Spielzug, würde die sechsfache Entstehungszeit unseres Universums (9,56 × 10101 Jahre) nicht ausreichen, um alle durchzuspielen. Keine Angst – das Spiel spielt man in vergnüglichen 30 bis 40 Minuten!
Die Hochschule Anhalt fördert Micha Reimer über ihr Gründerzentrum. Er schreibt seine Studienarbeit über die Spielentwicklung von Ecogon – und im darauffolgenden Jahr darf er die erste Version während seines Studiums testen und weiter verbessern. Micha Reimer findet Verbündete aus aller Welt. Ein Künstler aus den USA stellt ihm einige der Zeichnungen für sein Spiel zur Verfügung und seine Kommilitonen kreieren ein Lied über Ecogon.
2015 ist der Durchbruch. Micha Reimer startet eine Crowdfunding-Kampagne auf EcoCrowd, einem Portal der Deutschen Umweltstiftung. Crowdfunding ist eine relativ junge Form der Finanzierung im Internet. Man stellt sich dem Wettbewerb mit vielen anderen Projekten und bittet jeden, dem die Idee gefällt, Geld zu spenden. Dafür erhalten die Spender kreative Gegenleistungen wie Führungen, ein Gemälde oder das fertige Spiel. Micha Reimer bittet die Crowdfunder um 8.500 Euro als Startfinanzierung für Ecogon und erhält sogar 10.000 Euro. Und er bekommt einen neuen Partner: Die Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege findet Ecogon im Internet. Die Vermittlung von Artenkenntnis ist ein zentrales Anliegen der Akademie. Das Spiel ist wie ein lange gesuchtes Puzzleteil. Kurzerhand fördert die ANL die Weiterentwicklung von Ecogon und schließt einen Kooperationsvertrag mit Gaiagames, dem Spieleverlag von Micha Reimer. Für die Akademie passt das Spiel perfekt in ihr Konzept. Seit Jahren entwickelt sie Lehrmaterial für alle Alters- und Interessensgruppen, um das Interesse für die heimische Natur und Artenvielfalt zu wecken und zu fördern. 2015 wird Ecogon als herausragendes EcoCrowd-Projekt 2014/15 ausgezeichnet.
Im Dezember 2015 ist es dann endlich soweit. Es erscheint die erste deutsche Version von Ecogon auf dem Markt und ist bereits jetzt fast ausverkauft. Die nächste Auflage ist schon bestellt. Aber das ist nur der Anfang. Die ANL will eine englische Version von Ecogon fördern. Der Grund: das internationale EU-Projekt ELENA/Tiere live der ANL. Hier werden lebende einheimische Tiere im Schulunterricht von Schülern betreut und versorgt. Zusätzlich werden die Schülerinnen und Schüler auf Exkursionen mit der heimischen Artenvielfalt vor der Haustüre vertraut gemacht. Ecogon beinhaltet bereits alle Tiere, für die ELENA/Tiere live Schul- und Bildungsmaterial entwickelt hat und ist somit die perfekte Ergänzung. Die englische Spielversion wird gemeinsam mit Partner Junior Achievement Hungary und Spieleentwicklern in Großbritannien entwickelt. Micha Reimer kann die bisherige Erfolgsgeschichte noch gar nicht fassen, aber er hat schon jetzt neue Ideen für Spielvarianten und Erweiterungen. Die Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege freut sich darüber, ihn auf seinem Weg zu begleiten.
Mehr:
Ecogon Homepage www.ecogon.de/.
Die Finanzierung über Ecocrowd www.ecocrowd.de/en/projects/20843-ECOGON—Spielerisch-Natur-verstehen.de/.
Ein Interview mit Micha Reimer
http://www.kreativ-sachsen-anhalt.de/news-events/news/2015/09/interview-mit-micha-reimer.
Kontakt: Micha Reimer, Gaiagames, Friedrichstr. 14, 06406 Bernburg, +49 176 36750065, ecogon@posteo.de.
Zitiervorschlag: Adelmann, W. (2016): Über die Amsel, Pikachu und die Antwort: Ecogon – ANLiegen Natur 38/1; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/ecogon/.