Fassadenbegrünung zum Nutzen von Bausubstanz, Klima und Wohlbefinden
(Azra Korjenic) Bauphysikalische Untersuchungen der Technischen Universität Wien zeigen, dass insbesondere auch neue Formen der Fassadenbegrünung zahlreiche Ökosystemleistungen (Lärmschutz, Emissionsminderung, Klimastabilisierung) bieten. Gerade auch die Kombination mit Solarpaneelen bringt vielfachen Nutzen für den Klimaschutz.
Die Großstädte mit vielen Gebäuden, Baumaterialien und zahlreichen anderen potentiellen CO2-Quellen sind gegenwärtig für 80 % der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Die weltweiten Prognosen sagen voraus, dass im Jahr 2050 zwei Drittel aller Menschen in Städten leben werden. Damit die Lebensqualität in Städten der Zukunft erhalten bleiben kann, braucht man multifunktionale Systemlösungen, mit denen man Heiz- und Kühlenergie sparen, Staub binden, Luftqualität erhöhen und Lärm mindern kann. Außerdem muss Problemen wie Hitzeinseln, CO2– Bindung und Überschwemmungen entgegengewirkt werden. Als eine innovative Lösung dafür bietet sich die Begrünung des städtischen Raums an, die in den letzten Jahren ein immer beliebteres Werkzeug für Architekten und Planer geworden ist. Begrünte Fassaden haben, neben der optischen Erscheinung und der sozialen Anerkennung von Natur in Ballungsgebieten, auch positive Einflüsse auf die bauphysikalischen Eigenschaften der zugrundeliegenden Objekte. Es werden zurzeit viele unterschiedliche Fassadenbegrünungssysteme eingesetzt, die alle unterschiedliche Wirkungsweisen auf das Gebäude und deren Umgebung haben.
Begrünte Höfe, Gründächer und Fassaden können das schlechte Stadtklima entscheidend verbessern. Die Luft wird gereinigt, es wird viel weniger Staub aufgewirbelt und die belastenden Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen werden abgedämpft. Vor allem in mediterranen Klimazonen lassen sich durch Fassadenbegrünungen positive Einwirkungen auf das Gebäudeklima erzielen, welche mit deutlichen Energieersparnissen verbunden sind. Sowohl die Pflanzen als auch die Trägersubstrate reduzieren Wärmegewinne/-verluste durch folgende Effekte:
- Beschattung durch Laub
- Wärmedämmung
- Verdunstungskälte
- Ablenkung des Windes
Diese Effekte überschneiden sich stark und können daher nur schwer getrennt betrachtet werden. Fassadenbegrünungssysteme können, vor allem wenn zwischen Begrünung und Wand ein Freiraum gelassen wird, durch eine ruhende Luftschicht zu Dämmeffekten führen. Bei „living walls“ (aus Paneelen oder Geotextil-Vlies/-Filz) wird der Dämmeffekt durch das durchgehend dicke Substrat hervorgerufen. Die Lärmreduktion hingegen hängt stark von der Blätterdichte, der Blattfläche und -dicke, der Blattstellung, der Blattmasse sowie der Absorptionsleistung des Substrats ab. In Städten kann der Wärmeinseleffekt durch die Begrünung von Wänden und Dächern deutlich reduziert werden.
Die Begrünung hat eine positive Auswirkung auf das Mikroklima in den Innenhöfen und kann zu einer deutlichen Reduktion der Nachttemperaturen sowie einer klaren Dämpfung der Tagesspitzen führen, wie die Messungen beim Boutiquehotel und dem Volkertplatz in Wien zeigen (Projekt, TU Wien: Urban Summer Comfort/ZIT).
In den Zeiten, des drängenden globalen Klimawandels rückt zudem in den Vordergrund, wie die Versorgung durch erneuerbare Energien gelingen kann. Eine Kombination einer Photovoltaik-Anlage mit Begrünung bietet sich als eine optimale Lösung für Ballungsräume an. Dabei erhöht die inzwischen direkt hinter den Photovoltaik-Modulen angebrachte Begrünung den Strom-Ertrag, indem sie die Module kühlt. Dies liefert zweifellos einen Beitrag zur nachhaltigen Energieversorgung mit Sonnenenergie. Obwohl die Tatsache der Leistungssteigerung der photovoltaischen Module mit pflanzlicher Unterstützung in den Voruntersuchungen bereits festgestellt wurde, fehlen noch sehr viele wissenschaftliche Informationen (Substrataufbau, Pflanzenart und Dichte, Abstand der Photovoltaik-Paneele zur Begrünung, Pflegeaufwand, Dauerhaftigkeit, gegenseitige Interaktion und andere), damit die Effekte genauer erklärt werden können. Um diese offenen Fragen zu beantworten, werden derzeit an einem Prüfstand des Forschungsbereiches für Bauphysik und Schallschutz der TU Wien verschiedenste Varianten detailliert messtechnisch untersucht und anschließend Berechnungsmodelle dafür entwickelt.
Mehr:
Korjenic, A. (2014): Bauphysikalische Wirkung von begrünten Fassaden. – Österr. Ing.– u. Arch.-Zeitschr. 159, Heft 1–12: 223-227.
Zitiervorschlag: Korjenic, A. (2015): Fassadenbegrünung zum Nutzen von Bausubstanz, Klima und Wohlbefinden. – ANLiegen Natur 37/1, S. 9–11; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/fassadenbegruenung/.
Anmerkung zum Artikel „Fassadenbegrünung zum Nutzen von Bausubstanz, Klima und Wohlbefinden“:
Neben den genannten positiven Auswirkungen auf Bauphysik und Mikroklima leistet die Fassadenbegrünung auch einen Beitrag zur Biodiversität, indem sie insbesondere für Insekten und Vögel Lebensraum bietet.