Die Weichtierfauna mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Ruinen Unterfrankens
(Stefan Müller-Kroehling) Mitteleuropa ist auf weiten Strecken „altes Kulturland“ – und das gilt selbst für unsere Wälder. Selbst vermeintlich urwüchsige Wälder, die uns als „reines Naturprodukt“ erscheinen mögen, weisen in der Regel eine lange Geschichte menschlicher Einflussnahme auf. Wohl kaum eine Struktur ist so geeignet, uns diesen Zusammenhang vor Augen zu führen, wie die Ruinen alter Gebäude, die wir verstreut in unseren Wäldern finden. Diese sind jedoch nicht nur kulturhistorisch und forstgeschichtlich interessant. Bereits VOLLRATH (1960) hat darauf hingewiesen, dass Burgruinen eine wichtige Funktion für die regionale Flora haben können, und dies ausgerechnet auch für seltene Arten und speziell auch solche, die man als „Naturnähezeiger“ verstehen kann.
Durch basenreichen Mörtel und unverputztes, oft basenreiches Gestein und ihre oft naturnahe Laubwaldbestockung aus anspruchsvollen „Edellaubbäumen“ wie Eschen, Ahornen, Ulmen und Linden erklärt sich dieser Zusammenhang, der auch bereits für die Fauna beschrieben wurde. Besonders in Regionen mit zur Versauerung neigendem Ausgangsgestein ist dieser „Laubwaldrelikt“-Charakter alter Burganlagen sehr markant ausgeprägt. So hat beispielsweise der Schluchtwaldlaufkäfer (Carabus irregularis), ein höchst anspruchsvoller Laubwaldbewohner, sein einziges Vorkommen in der Oberpfalz im Naturwaldreservat „Schwarzwihrberg“ in Rötz, unterhalb der Burgruine.
Klaus Kittel hat nun eine umfassende, reich bebilderte Monografie unterfränkischer Burgruinen und ihrer Molluskenfauna vorgelegt, die sowohl Forsthistorikern als auch Molluskenkundlern und Waldökologen von großem Nutzen und Anschauungswert sein dürfte. Insgesamt 103 Arten fand Kittel in den von ihm beschriebenen 88, meist mittelalterlichen Ruinen von Burgen, Schlössern, Kirchen, Kapellen und Burgställen. Neben detaillierten Karten und Detailfotos der Burgen sind auch der heutige Zustand und besonders prägnante Arten aus jeder Ruine abgebildet.
Mancherorts müssen Burgruinen, zum Teil auch solche in Naturwaldreservaten, vor allzu eifrigen „Mauersanierungen“, Freistellungs-Aktionen oder ähnlichen Maßnahmen gerettet werden. Das Buch kann als eindrucksvoller Beleg dafür gelten, dass solche Maßnahmen gut überlegt werden sollten. Es kann ferner auch den Blick dafür schärfen, dass die Zusammenhänge zwischen wertvollen Zuständen, menschlichem Einfluss und Naturschutz speziell auch in Wäldern nicht so eindimensional sind, wie sie derzeit manchmal wahrgenommen oder transportiert werden.
Literatur:
Heinrich VOLLRATH (1960): Burgruinen bereichern die Flora. Ein Beitrag zur Flora des Oberpfälzer Waldes. – Ber. Naturwiss. Ges. Bayreuth 10: 150–172.
Klaus Kittel (2017): Die Weichtierfauna mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Ruinen Unterfrankens. – Mitteilungen des Naturwissenschaftlichen Museums der Stadt Aschaffenburg, Band 28, Conchbooks, ISBN 978-3-939767-79-4: 360 S., 49,80 Euro.
Zitiervorschlag: Müller-Kroehling, S. (2018): Die Weichtierfauna mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Ruinen Unterfrankens. – ANLiegen Natur 40/1; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/Fauna_in_ruinen/.