Enzyklopädie der Hecken und Feldmauern Europas
(Andreas Zehm) Wer sich zukünftig vertieft mit Hecken, Feldmauern und anderen Begrenzungen von Feldern oder Weiden beschäftigen will, wird um das neue Grundlagenwerk „Europas Feldeinfriedungen“ nicht herumkommen. In einem extrem umfangreichen Werk ist das derzeitige Wissen zu allen Formen von Abgrenzungen in der Feldflur zusammengetragen und bestens illustriert aufbereitet. Dabei sind die insgesamt rund 6.000 Fotos und fast 1.000 Illustrationen prägendes Element der Darstellung. Enzyklopädisch werden in zwei schwergewichtigen Bänden europaweit die verschiedensten Einfriedungsmöglichkeiten – wie Wallhecken, Feldmauern, Hecken und andere Umzäunungen – kategorisiert, dokumentiert und umfangreich beschrieben. Allein „moderne“ Varianten, wie der kleinkarierte Maschendrahtzaun, sucht man zum Glück vergeblich.
Ziel beider Bände ist es, möglichst umfassend die noch in der Landschaft sichtbaren Dokumente einer uralten, menschlichen Kultur- und Landschaftsgeschichte zu erfassen und für die Nachwelt zu beschreiben. Absolut einmalig ist die Dokumentation der teilweise mehrere Jahrhunderte alten Relikte, egal ob es sich um Gehölzreste, Steinmauern, Erdwälle oder ganze Landschaften handelt. In mehr als dreißig Jahren Forschungstätigkeit und teilweise systematischer Bereisung der europäischen Großlandschaften hat der Autor einen einzigartigen Schatz zusammengetragen und populärwissenschaftlich aufbereitet. Teilweise erscheinen einem die Abgrenzungen etwas zu kleinteilig kategorisiert, aber nur so ist es möglich – wie in der Biologie – alle Ebenen vergleichbar der Systematik von der Familie über Gattung und Art bis hin zur lokalen Variabilität zu beschreiben und einzuordnen. Schade ist, dass sich durch die Aufteilung in übergreifende Kapitel und die zahlreichen Länderbeschreibungen zum einen Redundanzen ergeben und zum anderen sich auch mancher wertvolle Aspekt ausschließlich in einem Länderkapitel versteckt.
Höchst erfreulich ist, dass sich der Autor nicht nur als beobachtender Forscher versteht, sondern ganz häufig die dramatischen Rückgänge der wertvollen Strukturen in Quantität und Qualität beschreibt und darstellt, was in allen europäischen Regionen an Natur- und Kulturerbe kontinuierlich verschwindet. Typisch für derartige Prozesse ist, dass sie nicht als einzelne Großereignisse auftreten, sondern kontinuierlich an vielen Stellen in kleinen Schritten erfolgen, so dass einem die Umweltzerstörung nur auffällt, wenn sie schneller voranschreitet als die eigene Degeneration des Wahrnehmungsvermögens. Dass damit selbstverständlich nicht „nur eine Struktur“ verschwindet, sondern auch wertvoller Lebensraum für zahlreiche Arten – manchmal auch die allerletzten Rückzugsräume in einer intensivierten und technisierten Landschaft – traue ich mich bei der Leserschaft hier kaum zu erwähnen. Auch die landschaftsästhetische Degradierung der Landschaft spielt: hier auch eine Rolle. Seit Jahren kämpft der Autor Georg Müller engagiert darum, diese sehr eng mit der Natur verwobenen Kulturschätze zu erhalten, was ausführlich (vielleicht sogar zu ausführlich?) beschrieben wird.
Besonders wertvoll für die Landschaftspflegepraxis sind die an mehreren Stellen ausführlich dargestellten praktischen Aspekte: Sowohl das Knicken, Legen, Steinsetzen und Schichten eines Plaggenwalls sowie viele weiteren Erfahrungen zur Neuanlage und Pflege werden in Text und Bild beschrieben. Auch Maßnahmen, die wenig zum Erhalt der Einfriedungen geeignet sind, wie zu nahes Pflügen, schädigende Zurücknahme der Gehölze mit dem Schlegeler oder der Baumschere, werden mitsamt der Auswirkungen beschrieben und kritisiert.
Ergänzend findet sich in jedem Großkapitel jeweils eine ausführliche Chronologie der geschichtlichen Entwicklung der Einfriedungen, die manchen Einblick erlaubt, warum sich welche Abgrenzungsstruktur in der Landschaft findet.
Insgesamt ein rundum extrem umfassendes Grundlagenwerk, das kaum einen Aspekt vermissen lässt und für alle Fragestellungen genaue Definitionen, Beschreibungen, Daten, Kulturgeschichte und Erfahrungen breithält. Größte Hochachtung für dieses umfassende Werk in einem bisher stiefmütterlich behandelten Bereich der Landschaftsanalyse!
Georg Müller (2013): Europas Feldeinfriedungen – Wallhecken (Knicks), Hecken, Feldmauern (Steinwälle), Trockenstrauchhecken, Biegehecken, Flechthecken, Flechtzäune und traditionelle Holzzäune. – Neuer Kunstverlag, Stuttgart, Band 1 und 2, ISBN: 978-3-944526-014-0: 1.280 Seiten, 298 Euro, www.wallhecke.de.
Zitiervorschlag: Zehm, A. (2014): Enzyklopädie der Hecken und Feldmauern Europas. – ANLiegen Natur 36/2, S. 101-102; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/feldeinfriedungen/.