Gefährdung des Feldhamsters nimmt weiter zu
(AZ) Der bundesweit nur noch in wenigen Agrarlandschaften vorkommende Feldhamster (Cricetus cricetus) gehört zu den stark gefährdeten Arten des Anhang IV der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie. Eine zusammenfassende Dokumentation des Bundesamtes für Naturschutz und ein Sonderheft der Zeitschrift Natur und Landschaft zeigen, dass die Gefährdung in Deutschland weiter voranschreitet, obwohl Strategien vorliegen, eine weitere Abnahme zu bremsen.
Die vier deutschen Verbreitungsschwerpunkte des Feldhamsters liegen in Mitteldeutschland, im Rhein-Main-Gebiet, in Franken sowie im südwestlichen Nordrhein-Westfalen. In neun der elf betrachteten Bundesländer sinkt der Bestand des Feldhamsters weiter, sodass er insgesamt und in den meisten Landesteilen als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft werden sollte. In Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ist der Hamster inzwischen wohl ausgestorben, so die Experten. Als „halbwegs stabil“ bezeichnet der Bericht die Bestandsentwicklung derzeit lediglich in Sachsen-Anhalt und in Rheinland-Pfalz, was aber übersetzt bedeutet, dass ohne entsprechende Schutzmaßnahmen der Feldhamster in Rheinland-Pfalz auch in etwa zehn Jahren ausgestorben sein wird.
Neben Sachsen-Anhalt hat Bayern die höchste Erhaltungsverantwortung für den Feldhamster, da beide Bundesländer die größten Bestände beherbergen. Allerdings ist die bayerische Schätzung von 20.000 bis 60.000 Tieren ohne flächendeckende Erhebungen – wie die breite Spanne erkennen lässt – recht ungenau und die Bestandsentwicklung ohne Monitoring oder systematische Erfolgskontrollen von Schutzmaßnahmen nicht zuverlässig einschätzbar. Die folgeschwersten Gefährdungsursachen sind in Bayern, wie in anderen Teilen Deutschlands, die Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung, die Bebauung von Lebensräumen und eine zunehmende Isolation und Zerschneidung der Lebensräume. Schwierig ist das Hamsterleben vor allen dadurch geworden, dass in intensiv genutzten Feldfluren wenig Deckung und damit kein Schutz vor Feinden bleibt und auch die Ernten immer früher und fast restlos einfahren werden, so dass er nicht mehr ausreichend Nahrung für die Überwinterung hamstern kann.
Die Experten fordern in den Beiträgen unter anderem, dass in allen Hamsterländern, soweit noch nicht vorhanden, umgehend Aktionspläne aufgestellt und vor allem auch konkrete Maßnahmen zum Schutz realisiert werden müssen. Dabei dient der Schutz des Hamsters gleichzeitig auch vielen weiteren gefährdeten Arten der heimischen Kulturlandschaft, wie Rebhuhn, Feldlerche und Feldhase. Der Feldhamster ist somit eine Leitart für eine Agrarlandschaft mit einem Mindestmaß an Strukturen und Fruchtfolgen und damit auch Lebensqualität. Landwirte sind dabei die wichtigsten Partner für den Hamsterschutz, indem sie durch eine angepasste Bewirtschaftung der Felder mit Ernteverzicht und Stoppelruhe die Lebensbedingungen für die Tiere verbessern. Erfolgsfaktoren sind eine angemessene Entschädigung, eine gute Betreuung der Landwirte sowie die richtige Flächenauswahl. Gleichwohl müssen auch Eingriffsvorhaben im Areal des Feldhamsters planerisch gut und unbedingt fachlich kompetent begleitet werden, wobei es zentral ist, mögliche Alternativen zu prüfen. Erst wenn keine Alternativen gefunden werden können, kommen Eingriffsminimierung und die Planung von Ausgleichs-, Ersatz- und CEF-Maßnahmen in Frage – oder gar als letztes Mittel eine Umsiedlung. Der Erfolg der Kompensationsmaßnahmen muss durch ein geeignetes Monitoring – inklusive naturschutzgenetischer Methoden – untersucht und sichergestellt werden, resümieren die Experten im Sonderheft von Natur und Landschaft. Doch letztendlich bleibt der Schlüssel zur Akzeptanz nicht die wissenschaftliche Vermittlung von Fakten, sondern eine Öffentlichkeitsarbeit, die Emotionen weckt und Motivation schafft sich für den Schutz des Hamsters zu engagieren.
Bayern bietet in einer potentiellen Förderkulisse von 67.000 ha drei Varianten freiwilliger Bewirtschaftungsverträge im Rahmen eines Feldhamster-Hilfsprogramms an. Das nicht in das Vertragsnaturschutz- oder Kulturlandschaftsprogramm eingebundene Programm ist in der Test-und Aufbauphase und wird durch Akteure der Landschaftspflegeverbände, des Landesbundes für Vogelschutz und der Bayerischen Kulturlandstiftung derzeit in der Fläche etabliert. Als am einfachsten in den landwirtschaftlichen Betrieb integrierbar erweist sich das Modell eines mindestens 5 m breiten, flexiblen Getreidestreifens, der nicht beerntet wird. Dabei ist es dem Landwirt freigestellt, welchen Bereich seines Feldstückes er bis mindestens 1. Oktober stehenlässt und bis spätestens 1. September meldet, um die Nichterntefläche honoriert zu bekommen. Die Streifen werden von den Hamstern derzeit noch deutlich besser angenommen als von den Landwirten, und es sind im Herbst/Winter zahlreiche Winterbauten in den Streifen zu finden. Durch ein Monitoring muss noch geklärt werden, ob die längere Aktivitätsphase der Tiere auf den Streifen und die gute Futterversorgung dazu führen, dass die Fitness der derart überwinterten Hamster so deutlich besser ist, dass sie mehr Nachkommen gebären, als auf Vergleichsflächen. Derzeit sind in Unterfranken zwar über 25 km Hamster-Streifen etabliert (Stand 2014), doch es ist noch ein weiter Weg bis zu dem geplanten Netzwerk, in dem ein Hamster in maximal 200 bis 300 m Entfernung einen Streifen erreichen können soll. Damit sollen zukünftig weitere deutliche Arealrückgänge, wie bei dem verschollenen Oberfranken-Vorkommen um Hof oder der Ausrottung vor 40 Jahren in Schwaben, vermieden werden.
Mehr:
Deutscher Rat für Landespflege (Hrsg., 2014): Bericht zum Status des Feldhamsters (Cricetus cricetus). – Bundesamt für Naturschutz, BfN-Skripten 385, 47 S.; www.bfn.de/fileadmin/BfN/service/Dokumente/skripten/skript385.pdf.
Natur und Landschaft (2014): Schwerpunkt: Feldhamsterschutz in Deutschland. – Zeitschrift des BfN, Heft 8; www.natur-und-landschaft.de/kurzfassung/2014/main08_14.htm.
Zitiervorschlag: Zehm, A. (2015): Gefährdung des Feldhamsters nimmt weiter zu. – ANLiegen Natur 37/1, S. 13–14; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/feldhamster/.