Fledermäuse und Photovoltaik-Freiflächenanlagen
(Bernhard Hoiß) Photovoltaik-Freiflächenanlagen (PV-Freiflächenanlagen) beeinflussen verschiedene Artengruppen wie aquatische Insekten oder Vögel. Zwei neue Studien zeigen, dass auch einige Fledermausarten von PV-Freiflächenanlagen negativ beeinflusst werden. Zu den Mechanismen gibt es bisher nur Vermutungen.
Bekannt ist, dass PV-Freiflächenanlagen polarisiertes Licht reflektierten, ähnlich wie eine Wasseroberfläche. Dies zieht tagsüber Insekten an, die versuchen, ihre Eier auf der Oberfläche abzulegen. Hierzu haben einige Studien bereits verschiedene technische Lösungen untersucht, die diese negativen Auswirkungen zumindest reduzieren können (HORVÁTH et al. 2010; FRITZ et al. 2020). Über die Kulissenwirkung auf Wiesenbrüter und Feldvögel gibt es mehrere Untersuchungen mit heterogenen Ergebnissen, insgesamt zeichnet sich aber ein negativer Einfluss der PV-Freiflächenanlagen auf diese Arten ab (TRAUTNER et al. 2023). Zu den Auswirkungen von PV-Freiflächenanlagen auf Fledermäuse gab es bisher aber noch kaum Erkenntnisse. Daher will ich hier kurz die Ergebnisse zweier kürzlich erschienener Studien aus Großbritannien und Ungarn vorstellen, in denen die Auswirkungen von PV-Freiflächenanlagen auf die Aktivität von Fledermäusen untersucht wurden (TINSLEY et al. 2023; SZABADI et al. 2023).
TINSLEY et al. 2023 verglichen 19 PV-Freiflächenanlagen mit jeweils 19 Kontroll-Flächen gleicher Habitate aber ohne Anlagen. Die untersuchten Flächen waren zwischen 7 und 121 ha groß. Für diese britische Analyse wurden sowohl an den Randbereichen (mit Hecken, Baumreihen, Waldrand oder Graben) als auch in der Mitte der Flächen (beweidet oder gemäht) stationäre Bat-Detektoren aufgestellt und ihre Aufnahmen ausgewertet.
Sechs der acht auswertbaren Arten wurden in ihrer Aktivität negativ von den PV-Freiflächenanlagen beeinflusst: Pipistrellus pipistrellus (Zwergfledermaus) und Nyctalus spp. (Abendsegler) waren sowohl am Rand als auch in der Mitte der PV-Flächen weniger aktiv als auf den Kontrollflächen; Myotis spp. (Mausohren) und Eptesicus serotinus (Breitflügelfledermaus) wiesen eine geringere Aktivität in den Randbereichen von PV-Flächen auf, wohingegen Pipistrellus pygmaeus (Mückenfledermaus) und Plecotus spp. (Langohrfledermäuse) eine reduzierte Aktivität im Zentrum der Modulreihen zeigten. Die detektierte Anzahl der Arten unterschied sich nicht zwischen PV-Flächen und den Referenzflächen (TINSLEY et al. 2023). Insgesamt zeigten in dieser Studie alle registrierten Arten bis auf Nyctalus spp. und Plecotus spp. in den Randbereichen der Flächen (egal ob mit oder ohne PV-Anlagen) eine höhere Aktivität als im Zentrum.
Eine ungarische Studie zeigte ähnliche Ergebnisse (SZABADI et al. 2023). Hier fanden die Autorinnen einige Arten, die in PV-Freiflächenanlagen genauso häufig vorkamen wie über Acker oder Siedlungen (Hypsugo savii [Alpenfledermaus], Nyctalus noctula [Großer Abendsegler] und Pipistrellus kuhlii [Weißrandfledermaus]), während aber besonders schützenswerte Arten wie Myotis spp. und Barbastella barbastellus (Mopsfledermaus) signifikant seltener waren als in den anderen Habitaten. In beiden Studien gab es keine Arten, die von den PV-Freiflächenanlagen profitierten.
Bisher ist bekannt, dass Fledermäuse von Lärm, urbaner Entwicklung, glatten Oberflächen und Habitat-Fragmentierung beeinträchtigt werden (TINSLEY et al. 2023). All diese Faktoren treffen in gewissem Umfang auch auf PV-Freiflächenanlagen zu. Dazu gibt es verschiedene erste Hypothesen (TINSLEY et al. 2023): Fledermäuse werden durch die PV-Module beeinflusst oder gar desorientiert, da sie diese für Wasserflächen halten. Beim Versuch im Flug zu trinken, könnten sie sogar mit diesen kollidieren. In diesem Zusammenhang kommt allerdings eine Hochrechnung anhand von Daten aus Kalifornien auf überschaubare 0,06 tote Fledermäuse pro Megawatt und Jahr (SMALLWOOD 2022). In Kalifornien nehmen industrielle PV-Anlagen im Schnitt 2,67 ha/MW ein. Bei insgesamt 12.200 MW installierten PV-Anlagen in Kalifornien im Jahr 2020, wären das hochgerechnet etwa 716 getötete Fledermäuse (SMALLWOOD 2022). Eine vergleichbare Studie aus Europa zu dem Thema ist mir nicht bekannt. Eine indirekte Hypothese für die beobachtete reduzierte Aktivität ist, dass das veränderte Habitat aufgrund verändertem Mikroklima, etwa durch weniger Sonnenlicht und Regen und beeinträchtigter Entwässerung, weniger (Insekten-)Beute bietet.
Die neuen Studien bieten gute Anhaltspunkte, dass auch Fledermäusen von PV-Freiflächenanlagen negativ beeinträchtigt werden können. Um genauere Aussagen zum Umfang, den betroffenen Artengruppen und möglichen Gegenmaßnahmen machen zu können, braucht es aber sicher weitere Untersuchungen.
Mehr:
FRITZ, B., HORVÁTH, G., HÜNIG, R. et al. (2020): Bioreplicated coatings for photovoltaic solar panels nearly eliminate light pollution that harms polarotactic insects. – PloS One 15(12): e0243296.
HORVÁTH, G., BLAHÓ, M., EGRI, Á. et al. (2010): Reducing the Maladaptive Attractiveness of Solar Panels to Polarotactic Insects. – Conservation Biology 24(6): 1644–1653.
SMALLWOOD, K. S. (2022): Utility-scale solar impacts to volant wildlife. – The Journal of Wildlife Management 86(4): e22216.
SZABADI, K. L., KURALI, A., RAHMAN, N. A. A. et al. (2023): The use of solar farms by bats in mosaic landscapes: Implications for conservation. – Global Ecology and Conservation 44: e02481.
TINSLEY, E., FROIDEVAUX, J. S. P., ZSEBŐK, S. et al. (2023): Renewable energies and biodiversity: Impact of ground-mounted solar photovoltaic sites on bat activity. – Journal of Applied Ecology 60(9): 1752–1762.
TRAUTNER, J., ATTINGER, A. & DÖRFEL, T. (2023): Photovoltaik-Freiflächenanlagen und Naturschutz – Feststellungen und Empfehlungen aus einer Orientierungshilfe für die regionale Planung. – Anliegen Natur 46(1): 10 S.
Autor:
Bernhard Hoiß, Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege
bernhard.hoiss@anl.bayern.de
Bernhard Hoiß (2024): Fledermäuse und Photovoltaik-Freiflächenanlagen. – ANLiegen Natur 46/1; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/fledermaeuse-photovoltaik/.
Zum Download der Notizen in der Rubrik Klima.Landschaft.Energie:
Anliegen Natur 46/1 (2024): 6 Seiten als Volltext herunterladen (pdf barrierefrei 0,4 MB).
Eine sehr gute Zusammenfassung des aktuellen (Un-?) Wissensstands zum Thema – besten Dank!
Andererseits ist es ganz normal, dass man an einer (in GB einzigen!) Stelle innerhalb von PV-Anlagen weniger Fledermäuse beobachten kann, denn – im Gegensatz zur offenen Fläche nebenan – können sie halt nicht kreuz & quer fliegen, sondern müssen auf die Gestelle und Module achten. Das könnte aber auch ein entscheidender methodischer Fehler sein, denn möglicherweise fliegen die Tiere einfach die Reihen ab und werden dann nur gelegentlich von einem mittig stehenden Batcorder erfasst.
Leider geht aus den englischen Untersuchungen auch nicht wirklich hervor, wie in- bzw- extensiv die Flächen inner- und außerhalb genutzt wurden. Und anhand der zwei Beispiel-Bilder der ungarischen Studie mit weit gestreuten ’sampling points‘ drängt sich – mit Verlaub – fast auf, dass hier Äpfel mit Birnen verglichen wurden. Dass im Übrigen die Mopsfledermaus als Waldfledermaus im PV-Anlagen weniger häufig ist, ist nicht wirklich überraschend.
Letztlich ist aber klar, dass die aktuelle Versolarisierung der Landschaft Fledermäuse nicht unbedingt automatisch satt macht, weil dann die Insekten aus dem ‚Grünzeug‘ unter den Modulen ja nur so strömen. Dasa hängt extrem von der Einsaat und der Nutzung bzw. Pflege der Flächen ab. Da braucht es – neben den von Jürgen Trautner et al. angesprochenen Vorgaben – klare Auflagen von Seiten der Genehmigungsbehörden, inclusive Kontrollen und ggf. auch Sanktionen. Und weitere Forschungen können sicher auch nicht schaden.
Die Zeilen von Ralf Schreiber kann ich nur unterstreichen. Die Methoden-Sets wirken nicht überzeugend. Solange keine wirklich objektiven Untersuchungen durchgeführt werden, sind solche Ergebnisse mit Vorsicht zu genießen. „Gut konstruierte und betreute“ Solarfelder könnten durchaus attraktive Lebensräume darstellen, womöglich auch für Fledermäuse. Was man in der Landschaft aber oft vorfindet, sind nach „Schema F“ gemulchte Flächen, obwohl in den Bescheiden meist andere Vorgaben gemacht sind. Nur werden sie oft nicht eingehalten und auch nicht überprüft. Ich plädiere aber trotzdem erstmal alle Industrie-Dächer und Teer-Großparkplätze mit PV-Modulen einzudecken.