Ökologische Flutungen von Hochwasser-Rückhalteräumen sind Vermeidungsmaßnahme und Eingriff zugleich
(Paul-Bastian Nagel) Bayern setzt mit seinem Hochwasserschutz-Aktionsprogramm 2020plus auf natürlichen Hochwasserrückhalt und technischen Hochwasserschutz. Dabei spielen insbesondere Rückhalteräume eine zentrale Rolle für einen verbesserten Hochwasserschutz. Um überflutungsbedingte Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft in Rückhalteräumen zu vermeiden und überflutungstolerante Lebensgemeinschaften zu etablieren, werden gezielt sogenannte ökologische Flutungen eingesetzt. Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem aktuellen Beschluss zu einem Revisionsantrag klargestellt, dass es sich bei ökologischen Flutungen um Vermeidungsmaßnahmen handelt, die ihrerseits jedoch auch einen Eingriff in Natur und Landschaft nach § 14 Bundesnaturschutzgesetz darstellen (BVerwG, Beschluss vom 19. September 2014 – 7 B 7.14).
In dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes ging es um einen Rückhalteraum an der Elzmündung auf der baden-württembergischen Rheinseite. Unter anderem wurde beklagt, dass die ökologischen Flutungen in der Planfeststellung als Vermeidungsmaßnahme und nicht als Eingriff in Natur und Landschaft behandelt wurden. Es sei außerdem gerichtlich zu klären, ob Beeinträchtigungen von ökologischen Flutungen durch die Anpassung der Lebensgemeinschaften bereits (selbst-)kompensiert sind oder ob grundsätzlich ein zusätzlicher Kompensationsbedarf festzustellen ist.
Das Gericht ist der Auffassung, dass ökologische Flutungen eine Doppelfunktion erfüllen. Sie dienen dazu, negative Auswirkungen der Hochwasserrückhaltung zu vermindern und sind gleichzeitig Ersatz für die durch sie selbst bewirkten Eingriffe in Natur und Landschaft. Ökologische Flutungen seien deshalb als Vermeidungsmaßnahme geeignet, weil sie zu geringeren Beeinträchtigungen durch hochwasserbedingte Flutungen führen. Denn als Vermeidung kämen nicht nur Tätigkeiten auf der Eingriffsseite in Frage, sondern es könnte zusätzlich aktive Schadensvermeidung geboten sein. Es sei darüber hinaus unbestritten, dass entsprechende Maßnahmen einen Eingriff in Natur und Landschaft darstellen könnten. Dies wäre bei dem Vermeidungskonzept der Ökologischen Flutungen jedoch „systemimmanent“. Hierzu sei bereits höchstgerichtlich geklärt, dass auch solche Maßnahmen zur Vermeidung ergriffen werden dürften, die zunächst ihrerseits zu Beeinträchtigungen führen. Wenn sich eine entsprechende Maßnahme in der Bilanz als naturschutzfachlich günstig erweist, bestehe auch kein zusätzlicher Kompensationsbedarf.
Das Oberverwaltungsgericht hatte allerdings bereits in der Vorinstanz betont, dass durchgreifende Bedenken gegen den Planfeststellungsbeschluss auch dann nicht bestünden, wenn ökologischen Flutungen zwar fehlerhaft nicht als Eingriff in Natur und Landschaft eingestuft werden, die möglichen Beeinträchtigungen durch die Vermeidungsmaßnahme jedoch anhand einer eingehenden Wirkungsprognose sachgerecht ermittelt und bewertet wurden.
Bedeutung für die Praxis
Ökologische Flutungen sind als Vermeidungsmaßnahme gerichtlich anerkannt, auch wenn sie selbst einen Eingriff in Natur und Landschaft darstellen. Entscheidend ist, dass sie die Auswirkungen von Hochwasserflutungen auf Flora und Fauna im Rückhalteraum abmildern und die mit der Maßnahme einhergehenden Beeinträchtigungen regelmäßig „selbstkompensiert“ werden können. Um Verfahrensfehler auszuschließen, sollten jedoch beide Aspekte fachlich geprüft und abgearbeitet werden.
Mehr:
BVerwG (2014): Hochwasserrückhalteräume und ökologische Flutungen als Eingriff in Eigentum und Naturhaushalt. – Beschluss vom 19. 09.2014 – 7 B 7.14; www.bverwg.de/entscheidungen/entscheidung.php?ent=190914B7B7.14.0.
Zitiervorschlag: Nagel, P.-B. (2015): Ökologische Flutungen von Hochwasser-Rückhalteräumen sind Vermeidungsmaßnahme und Eingriff zugleich. – ANLiegen Natur 37/1, S. 95; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/flutungen/.