EU verbietet Pestizid-Einsatz auf Ökologischen Vorrangflächen
(Monika Offenberger) Am 14. Juni 2017 stimmte das Europaparlament mehrheitlich für ein Verbot von Pestiziden auf ökologischen Vorrangflächen. Damit stellt sich das Plenum gegen das Votum seines Agrarausschusses, der den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln beim Anbau von Leguminosen im Rahmen des Greenings befürwortet hatte. Während Naturschutzverbände die Entscheidung begrüßen, warnen Vertreter der Landwirte vor einer Trendwende beim neuerdings boomenden Anbau heimischer Eiweißpflanzen.
Um den besorgniserregenden Rückgang der Biodiversität zu stoppen, gelten in der Europäischen Union seit 2015 sogenannte Greening-Auflagen. Demnach können Landwirte nur dann EU-Direktzahlungen beantragen, wenn sie drei Vorgaben erfüllen: Sie müssen Dauergrünland erhalten, eine Fruchtfolge der angebauten Kulturpflanzen gewährleisten und mindestens fünf Prozent ihrer Ackerflächen als ökologische Vorrangflächen (ÖVF) bereitstellen.
Zur Gestaltung dieser ÖVF haben die Landwirte verschiedene Optionen: Sie können die Flächen brachliegen lassen, zum Erhalt oder zur Neuanpflanzung von Hecken oder Bäumen nutzen oder als Pufferstreifen zu Gewässern und konventionell bebauten Flächen belassen. Unter bestimmten Voraussetzungen ist auch eine landwirtschaftliche Nutzung ausgewiesener ÖVF zulässig, zum Beispiel der Anbau von Zwischenfrüchten und von Leguminosen. Besonders die Kultur von körnerhaltigen Hülsenfrüchten – allen voran Lupinen, Ackerbohnen, Erbsen und Soja – hat seit Einführung des Greenings enorm zugenommen: Die Anbaufläche stieg von 2014 bis 2016 in allen 28 EU-Mitgliedsländern um 75 Prozent, in Deutschland sogar um 117 Prozent. Um wirtschaftliche Erträge zu erzielen, werden die Hülsenfrüchte auf den ÖVF mit Herbiziden behandelt. Diese Praxis hat das EU-Parlament nun untersagt. Umweltschützer begrüßen diese Entscheidung. „Glyphosat und Co. haben auf diesen Flächen nichts zu suchen. Das ist ein längst überfälliger erster Schritt in die richtige Richtung“, kommentiert Leif Miller, Bundesgeschäftsführer des NABU, den Beschluss.
Kritik an dem generellen Herbizid-Verbot auf ÖVF kommt sowohl vom Deutschen Bauernverband, als auch von der Union zur Förderung von Öl- und Proteinpflanzen e.V. (UFOP). „Damit wird die historische Chance zum Ausbau der heimischen Eiweißerzeugung vertan“, sagt UFOP-Referentin Dr. Manuela Specht und konstatiert: „Vor dem Greening wurden in Deutschland etwa 90.000 Hektar Proteinpflanzen angebaut – bei einer gesamten Ackerlandfläche von 12 Millionen Hektar. Das zeigt schon, wie wenig wettbewerbsfähig diese Kulturen sind. Wir brauchen aber mehr Eiweißpflanzen für eine nachhaltige Landwirtschaft. Doch heute findet ihr Anbau auf 95 Prozent der Ackerflächen nicht satt, weil die Landwirte mit Winterraps, Winterweizen oder Mais pro Hektar deutlich mehr Einnahmen erzielen als mit Leguminosen“. Die UFOP habe sich erhofft, dass die Hülsenfrüchte zunächst in einem geschützten Bereich wie den ÖVF außer Konkurrenz zu einträglicheren Kulturen Fuß fassen und sich derweil ein Markt für heimische Hülsenfrüchte etablieren hätte können. Sobald dieses Ziel erreicht sei, könnten die Landwirte diese Vorrangflächen verlassen und auf konventionelle Ackerflächen umsteigen.
Tatsächlich sei diese Entwicklung teilweise schon in Gang gekommen, betont die UFOP-Sprecherin und nennt einige Beispiele: So habe etwa die Stader Saatzucht eG auf Basis heimischer Ackerbohnen eine gentechnikfreie Futtermischung für Milchkühe entwickelt, die ganz auf importierte Leguminosen verzichtet. Und die Emsland Group, die über Europas größte kartoffelverarbeitende Stärkefabrik verfügt, habe seit dem Greening auch vermehrt Erbsen zu Stärke und Protein verarbeitet und dazu rund die Hälfte der hiesigen Erbsenernte abgenommen. „Es hätte jetzt die Möglichkeit bestanden, über diese ÖVF einen Einstieg in die Wertschöpfungsketten zu bekommen“, glaubt Manuela Specht. Durch das Pestizidverbot auf diesen Flächen sei diese Entwicklung nun gefährdet. Grundsätzlich begrüßen auch Vertreter der Naturschutzverbände den Anbau von Leguminosen. Denn Hülsenfrüchte spielen eine wichtige Rolle im Naturhaushalt. Sie fördern die Fruchtbarkeit des Bodens, weil sie ihn mittels symbiontischer Bakterien mit Stickstoff anreichern. Ihre Blüten dienen als Nektarquelle für Bienen und viele andere Bestäuber-Insekten. Dazu kommt, dass in Deutschland ausschließlich Sorten angebaut werden dürfen, die nicht gentechnisch verändert wurden. „Natürlich ist ein Lupinenfeld besser als ein Maisfeld“, betont Dr. Heinz Sedlmeier, Geschäftsführer des LBV München, „aber es sollte nicht auf den wenigen ÖVF wachsen. Denn wenn ich eine ´ökologische Vorrangfläche´ vorschreibe, dann sagt schon der Name, dass hier die Ökologie im Vordergrund stehen muss. Und mit Pestiziden greife ich eben massiv in ökologische Zusammenhänge ein und schade damit dem ganzen Ökosystem, von den Bodenlebewesen über die Insekten bis hin zu den Vögeln“. Der Naturschützer warnt davor, den übergeordneten Zweck der ÖVF aus den Augen zu verlieren: „Die ÖVF haben, ebenso wie Naturschutzgebiete und verschiedene Instrumente des Artenschutzes, das Ziel, einen möglichst großen Teil der Biodiversität in Europa zu erhalten. Mit ein paar Lupinenfeldern ist für dieses Ziel wenig erreicht.“ Die Förderung von Eiweißpflanzen sei eine „ganz andere Baustelle“, so Sedlmeier.
Das Pestizid-Verbot für ÖVF könnte den gerade erst einsetzenden Boom der heimischen Leguminosen stoppen. „Die Europäische Kommission ist nun gefordert, zielführende und praxistaugliche Maßnahmen für den heimischen Eiweißpflanzenanbau zu ergreifen“, fordert der Deutsche Bauernverband (DBV). Konkrete Vorschläge hat der Verband bisher nicht gemacht. Eine von den Grünen favorisierte Eiweißprämie, wie sie zum Beispiel der französischen Staat seinen Landwirten zahlt, hält Manuela Specht für eine mögliche Alternative. „Doch die wird nicht kommen“, ist UFOP-Referentin überzeugt: „Denn sie kostet Geld und ist weder von der Bundesregierung, noch von den Bundesländern, noch vom Deutschen Bauernverband gewollt.“
Mehr:
Merkblatt des Deutschen Bauernverbandes zum Anbau von Eiweißpflanzen auf ökologischen Vorrangflächen: http://media.repro-mayr.de/79/670079.pdf.
Pressemeldung des NABU zum Pestizidverbot auf ÖVF: www.nabu.de/news/2017/06/22606.html.
Stellungnahme der UFOP zum Pestizidverbot auf ÖVF:
www.ufop.de/presse/aktuelle-pressemitteilungen/ep-greening-verordnung/.
Offenberger, M. (2018): EU verbietet Pestizid-Einsatz auf Ökologischen Vorrangflächen. – ANLiegen Natur 40/1; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/greening/.