Grünbrücken & Co.: eine Standortfrage
(Monika Offenberger) In einer durch Infrastrukturen zerschnittenen Landschaft sind Querungshilfen für wandernde Tiere unerlässliche Instrumente des Artenschutzes. Ihre Wirksamkeit hängt jedoch stark davon ab, wie, wo und für welche Arten sie angelegt werden. Worauf es dabei ankommt, beleuchtet ein 10 Jahre alter Fachbeitrag von GEORGII (2006) unter anderem am Beispiel der Haselmaus. Da Querungshilfen zunehmend zur Vermeidung artenschutzrechtlicher Konflikte in der Planungspraxis eingesetzt werden, lohnt sich ein zweiter Blick in diese noch immer aktuelle Veröffentlichung.
Verkehrswege zerschneiden die Landschaft und schränken die freie Beweglichkeit von Tieren innerhalb ihrer Lebensräume und zwischen räumlich getrennten Populationen ein. Für viele kleinere Arten bilden schon die Straßen per se ein nicht oder nur schwer überwindbares Hindernis; größere Wildtiere werden durch hohe Verkehrsdichten oder begleitende Wildschutzzäune von der Passage abgehalten. Insbesondere Straßen – und in geringerem Ausmaß auch Schienen und Wasserstraßen – gelten ohne Zweifel als eines der großen Probleme für den Arten- und Biotopschutz.
Um Verkehrswege, deren Bau sich nicht vermeiden lässt, für betroffene Wildtiere möglichst gut passierbar zu machen, haben sich künstliche Querungshilfen bewährt. Ihr Spektrum reicht vom klassischen Amphibientunnel über Tal- oder Hangbrücken, die unter sich die Landschaft frei passierbar halten, bis hin zu sogenannten Grünbrücken. Zahlreiche Studien belegen die positive Wirkung solcher Konstruktionen: Sie werden von fast allen daraufhin untersuchten Tierarten – darunter zahlreiche Insekten sowie Vögel, Reptilien, Amphibien, Klein-, Mittel- und Großsäuger – als Querungshilfen und teilweise auch als zusätzlicher Lebensraum genutzt. Allerdings sind nicht alle Varianten gleichermaßen effektiv: „Als Wildtierpassagen eignen sich nur breite und weiträumige Bauwerke. Enge Unterführungen oder reine Betonbrücken, (….) erfüllen diesen Zweck nicht. Sie werden höchstens von Tierarten wie Steinmarder, Dachs oder Fuchs genutzt“, schreibt Dr. Bertram Georgii in einem Übersichtsbeitrag zum Thema.
Viadukte sind in dieser Hinsicht besser geeignet – sofern sich unter ihnen naturnahe Vegetationsstrukturen etablieren können. Dies gelingt nur, wenn genügend Licht und Regen auf den überdachten Boden fällt, etwa bei Konstruktionen mit gespreizten Fahrbahnen und durchlässigem Mittelteil. Andernfalls trocknet der Boden aus und hat dann für viele Kleinsäugerarten und Wirbellose eine ähnliche Barrierewirkung wie eine Straße. Wie eine Studie belegt, nahm mit dem Bewuchs unter einem Viadukt auch die Aktivität von Rötel- und Feldmäusen drastisch ab.
Dieses Problem stellt sich bei Grünbrücken nicht, erhalten sie doch reichlich Licht und Niederschläge. Dennoch erfüllen sie nicht ohne weiteres die Ansprüche bestimmter Kleinsäuger oder Arthropoden, wie ein Beispiel an der B31-neu am Bodensee zeigt. Dort verbindet eine Grünbrücke zwei von Haselmäusen und Siebenschläfern besiedelte Wälder, die von der Straße zerschnitten wurden. Die neue Anlage wurde nur lückig mit kleinen und einzelnen größeren Gehölzen bepflanzt. Beide Bilch-Arten sind jedoch an Gehölzlebensräume angepasst und bewegen sich ungern auf gehölzfreien Flächen. Tatsächlich wurde die Grünbrücke von beiden Arten anfangs gemieden – ein Misserfolg, der durch eine bedachte Planung hätte vermieden werden können. Wie ein über zehn Jahre ausgeführtes Monitoring belegt, nutzten die Bilche die Querungshilfe später doch, als die Gehölze bis zu acht Meter hoch aufgewachsen waren. Das Beispiel zeigt einmal mehr, wie wichtig die vom Gesetzgeber geforderte vorgezogene Wirksamkeit artenschutzrechtlich begründeter Maßnahmen ist.
Zwar ist die Wirksamkeit von Grünbrücken vielfach belegt, doch werden mögliche Erfolge oft durch Fehler und Versäumnisse in der Planung konterkariert. Georgii betont hier die wichtige Rolle der ausführenden Behörden als Auftraggeber von Planungen und regt an: „Außerdem müssen sie Partner für die Planung heranziehen, die speziell mit dieser Thematik vertraut sind“. Die BUNDESANSTALT FÜR STRASSENWESEN (2014) bietet mit ihrer Veröffentlichung „Monitoring von Grünbrücken – Arbeitshilfe für den Nachweis der Wirksamkeit von Grünbrücken für die Wiedervernetzung“ hierzu eine wichtige Hilfestellung.
Mehr:
GEORGII, B. (2006): Rothirsch, Haselmaus, Laufkäfer & Co. – Anforderungen an Verkehrswegequerungen für Wildtiere. – Schriftenreihe des Landesjagdverbandes Bayern e.V., Band 14: S. 19–25.
GEORGII, B. et al. (2007): Nutzung von Grünbrücken und anderen Querungsbauwerken durch Säugetiere. – Forschung Straßenbau und Verkehrstechnik, Heft 971, BMVBS: 88 S.
BUNDESANSTALT FÜR STRASSENWESEN (Hrsg., 2014): Monitoring von Grünbrücken – Arbeitshilfe für den Nachweis der Wirksamkeit von Grünbrücken für die Wiedervernetzung im Rahmen der KP II-Maßnahmen. – Verkehrstechnik Heft V 237: 48 S.
Zitiervorschlag: Offenberger, M. (2017): Grünbrücken & Co.: eine Standortfrage. – ANLiegen Natur 39/1; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/gruenbruecken/.