„Grünes Gold“? Neue Verwertungsmethoden für Mähgut
(Sonja Hölzl) Straßenbegleitgrün und extensives Grünland sind ein wertvoller Lebensraum für Insekten. In der Pflege wird oft zweimal gemäht und das Mähgut abtransportiert. Die nachhaltige Verwertung dieser Biomasse steht vor rechtlichen (Status als Abfall) und wirtschaftlichen Herausforderungen. Die Projekte Grassification und GO-GRASS erarbeiten daher mögliche Wertschöpfungsketten, die über die Biogas-Produktion oder Kompostierung hinausgehen. Einige Prototypen, Grasfaserplatten, Pellets und Baumaterialien aus Grünschnitt sind fertig entwickelt und werden nun im Einsatz getestet.
Biomasse aus der Straßen- oder Landschaftspflege im Sinne der Nachhaltigkeit zu nutzen ist ein aktuelles Thema, für das bisher wenige Lösungsansätze existieren. Das liegt einerseits an den rechtlichen Rahmenbedingungen (Grünschnitt als Abfallprodukt) sowie andererseits an den wirtschaftlichen Anforderungen an Qualität (Fasergröße, Trockenbiomasse, Plastikverschmutzung und Sandgehalte), Logistik (ganzjährliche Materialverfügbarkeit in konstanter Menge) und Kosten. Die Nutzung als Streu, Kompost, in der Verbrennung oder für Biogas wird mit einigen Herausforderungen bereits zum Teil umgesetzt. Andere Ansätze wie Verkohlung, Grasfaserplatten oder Pellets gelten noch als exotische Alternativen. Mit den Projekten Grassification (2018–2021) und GO-GRASS (2019–2023) wurden beziehungsweise werden unter anderem diese Verwertungsmöglichkeiten weiter erforscht.
Grassification (2018–2021)
Für die Verarbeitung von Grünschnitt zu Pellets als Halbfertigprodukt für Bioverbundwerkstoffe war es insbesondere relevant, den optimalen Feuchtigkeitsgrad zu ermitteln, um eine stabile, aber nicht staubige Konsistenz zu erhalten. Das Ausgangsmaterial (getestet wurden zwei Grünschnitte von unterschiedlichen Straßen) war dabei weniger relevant, ebenso wie die Vorverarbeitung (frisch oder getrocknet). Für die Herstellung wurden die Verfahrensschritte exakt protokolliert sowie Möglichkeiten eruiert, die Pellets in großer Menge industriell und damit wirtschaftlich lohnend herzustellen.
Die Produktion von Grasfaserplatten verwendet getrockneten Grünschnitt, Presskuchen sowie die festen Rückstände aus der anaeroben Vergärung beziehungsweise unterschiedliche Faserbestandteile (kurz, lang, Staub-Fraktion). Hier machte sich das Projekt die flexible Formbarkeit zunutze, um die geringere Steife im Vergleich zu Holz auszugleichen. Dabei entstanden aus den Grasfaserplatten auch Mineral-Bausteine („Grasbeton“) aus Grasschnitt, Hanfschnitzen und Naturkalk. Diese können etwa für die Wandisolierung eingesetzt werden. Für die Verwendung in Bodenkonstruktionen, als Dachziegel oder für Fassaden wurden Geotextilien mittels einer Nadelstichtechnik hergestellt. Darüber hinaus entwickelte das Projekt auch Vliesfasermatten als Unkrautbekämpfungs- oder Dachbegrünungssubstrat beziehungsweise -matte.
Das Straßenbegleitgrün wurde aber auch für die Verwendung in der Landschaft erprobt: Es entstand ein Prototyp einer Gehwegplatte, dessen Produktionsverfahren derzeit verbessert wird. Das Endprodukt wird in einem Naturpfad Verwendung finden. Auf Basis eines Minimodells aus dem Grasmaterial wurde zusammen mit Schreinern und Architekten ein Picknickset entworfen, das unter anderem den Anforderungen an Produzierbarkeit, Wartung, Preis, Sicherheit und Nutzung gerecht wird. Die Bau- und Infrastrukturmaterialien sind als Prototypen bereit für den praktischen Einsatz.
GO-GRASS (2019–2023)
Als eines von vier Demonstrationsvorhaben wird in den Niederlanden Straßenbegleitgrün in einem Fermentationsverfahren zu Verpackung und Papier verarbeitet. Erarbeitet wird ein Prozess, der wirtschaftlich ist, weil er keine weitere Aufbereitung des Materials benötigt, um den Anforderungen an die Papierherstellung gerecht zu werden. Gras aus der Landschaftspflege von Feuchtflächen des Nationalparks Unteres Odertal wird auf den deutschen Demonstrationsflächen durch Pyrolyse zu Biokohle aufgewertet. Diese wird genutzt, um etwa die durch Sandböden charakterisierten landwirtschaftlichen Flächen außerhalb des Nationalparks in ihrem Wasserhaltevermögen und Fruchtbarkeit zu verbessern. In Schweden wird aus Schilfgras ein Einstreumaterial entwickelt, das nach dem Einsatz noch als Düngemittel oder zur Biogasproduktion verwendet werden kann. Um Soja als Futtermittel zu ersetzen, arbeitet das dänische Demonstrationsvorhaben an einem treibhausgasneutralen Bioraffinerie-Verfahren, um Protein zu extrahieren. Futtergabe-Versuche werden testen, wie ertragreich das Verfahren ist und inwiefern sojabasiertes Protein ersetzt werden kann.
Mehr:
Projekt Grassification: www.interreg2seas.eu/en/Grassification /; www.biorefine.eu/projects/grassification/
Projekt GO-GRASS: www.go-grass.eu/de/projekt/
Autorin:
Sonja Hölzl, Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege,
Sonderbereich Bayerisches Artenschutzzentrum – Forschung und Artenkenntnis
sonja.hoelzl@anl.bayern.de
Sonja Hölzl (2023): „Grünes Gold“? Neue Verwertungsmethoden für Mähgut. – ANLiegen Natur 45/1; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/gruenes-gold/.
Zum Download der Notizen in der Rubrik Verschiedenes:
ANLiegen Natur 45/1 (2023): 6 Seiten als Volltext herunterladen (pdf barrierefrei 1,8 MB).