Artenreiche Landwirtschaft fördert Ökosystemleistungen ohne Ertragseinbußen
(Monika Offenberger) Biodiversität steigert die Leistungsfähigkeit von Ökosystemen – und zwar auch auf landwirtschaftlich genutzten Flächen. Diesen Zusammenhang bekräftigt nun eine Auswertung von mehr als 6.000 wissenschaftlichen Studien über unterschiedlich bewirtschaftete Agrarflächen. Das Fazit der globalen Metastudie: Anbausysteme mit vielfältigen Kulturpflanzen, diverser Wildflora und -fauna und/oder reichhaltigem Bodenleben erbringen auf vergleichbaren Flächen bessere Ökosystemleistungen und überwiegend höhere Erträge als weniger diverse Bewirtschaftungsformen.
Zur Erzeugung von Agrarprodukten werden weltweit immer mehr Flächen immer intensiver bewirtschaftet – mit dramatischen Folgen für das Leben auf unserem Planeten: So zählt die Agrarwirtschaft heute zu den entscheidenden Treibern von Artenschwund, Trinkwasserknappheit, Bodenerosion, Umweltverschmutzung und Erderwärmung. Längst gibt es umweltschonende und nachhaltige Formen der Landbewirtschaftung, die auf eine Steigerung der Artenvielfalt – sowohl der Kulturpflanzen, als auch der angestammten Organismen – abzielen. Denn bekanntlich wächst durch die Anzahl der Arten und ihrer Interaktionen auch die funktionelle Biodiversität von Ökosystemen, die sich in vielfältigen Leistungen ausdrückt.
Ein internationales Team von Forschenden um Giovanni Tamburini von der italienischen Universität Bari hat in einer Metastudie insgesamt 6.167 Originalstudien weltweit analysiert, die den Einfluss verschiedener Landbewirtschaftungsformen auf neun wichtige Ökosystemleistungen zum Thema hatten: Bodenfruchtbarkeit, Nährstoffkreisläufe, Kohlenstoffspeicherung, Klimaregulierung, Wasserhaushalt, Schädlingsbekämpfung, Biodiversität, Bestäubungsleistung und Ernteertrag. Es wurden dabei sechs Kategorien von Anbaupraktiken unterschieden, die auf je unterschiedliche Weise die funktionelle Biodiversität der Agrarflächen verbessern:
1. Erhöhte Kulturpflanzenvielfalt durch Fruchtwechsel oder Zwischenkulturen
2. Artenreichtum der Wildkräuter und -tiere durch Blühstreifen, Hecken oder weitere naturnahe Habitate im Ackerumfeld
3. Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit durch organischen Dünger
4. Gezielt eingebrachte Mikroorganismen wie Stickstoff fixierende Bakterien und Mykorrhizapilze zur Anreicherung der Boden-Biodiversität
5. Schonende Bodenbehandlung
6. Ökologischer Landbau als eigenständiges Bewirtschaftungssystem
Die systematische Auswertung der Originalstudien zeigt, dass der Einfluss der Anbauformen auf bestimmte Ökosystemleistungen – namentlich auf Bodenfruchtbarkeit und Nährstoffkreisläufe – sehr viel häufiger untersucht wurde als etwa auf Bestäubung, Schädlingsbekämpfung und allgemeine Biodiversität; hier gibt es demnach noch erheblichen Forschungsbedarf. Betrachtet man die Anbaupraktiken aller sechs Kategorien, so haben diese in über zwei Drittel der Fälle positive Effekte auf eine oder mehrere der oben aufgeführten Ökosystemleistungen; besonders stark ausgeprägt ist ihr positiver Einfluss auf die Bodenfruchtbarkeit, den Nährstoffkreislauf, die Kohlenstoffspeicherung sowie den Ernteertrag. In 23 Prozent der Fälle ist kein Effekt erkennbar. In 10 Prozent der Fälle traten negative Effekte auf, darunter vor allem die vermehrte Ausgasung von klimaschädlichem Lachgas sowie Ernteeinbußen.
In einer weiteren Metastudie analysierte das Team 5.160 Originalstudien, in denen man vielfältige und monotone Anbauformen hinsichtlich ihrer Effekte auf die funktionale Biodiversität verglichen hatte. Dabei wurden jeweils gegensätzliche Anbaumethoden paarweise gegenübergestellt und ausgewertet: Schonende Bodenbearbeitung versus tiefem Pflügen, lange versus kurze Fruchtwechsel, organische versus Mineraldüngung, strukturreiche versus verarmte Landschaften und so weiter. So ergaben sich insgesamt knapp 42.000 Vergleichspaare, die sehr eindrucksvoll die Überlegenheit der „alternativen“ Anbauformen belegen: Auf derart bewirtschafteten Flächen sind sieben der neun wichtigsten Ökosystemleistungen deutlich stärker ausgeprägt als auf konventionell bewirtschafteten Flächen; keine statistisch gesicherten Unterschiede zeigen sich hinsichtlich Klima und Ernteertrag.
Um die Wechselwirkungen zwischen Ernteertrag und funktionaler Biodiversität besser zu verstehen, analysierte Tamburinis Team jene Originalstudien, die den Effekt artenreicher Anbauformen auf den Ertrag und auf mindestens eine Ökosystemleistung erfasst hatten. Tatsächlich erfüllten nur 24 der 6.167 verfügbaren Studien dieses Kriterium; auch hier besteht ein dringender Forschungsbedarf. Immerhin konnten sie 111 Effektkombinationen untersuchen – und kommen zu dem Schluss: In knapp zwei Drittel der Fälle (63 Prozent) verbesserten diversitätsfördernde Anbauformen gleichzeitig den Ertrag sowie mindestens eine Ökosystemleistung. Diesen Win-win-Situationen standen nur wenige Lose-lose-Fälle (10 Prozent) gegenüber; in den übrigen Fällen wurden verminderte Erträge durch erhöhte Ökosystemleistungen kompensiert (12 Prozent) oder umgekehrt (15 Prozent). „Wir zeigen, dass auf Vielfalt bedachte Landbewirtschaftung die Biodiversität fördert und Ökosystemleistungen freisetzt, ohne den Ernteertrag zu beeinträchtigen“, betonen die Autorinnen und Autoren: „Damit erweisen sich die vielfältigen Anbauformen als generelle Strategie, um die von den Vereinten Nationen definierten Nachhaltigkeitsziele zu erreichen – denn diese sind allesamt direkt oder indirekt mit der Landwirtschaft verknüpft.“
Mehr:
Tamburini, G. et al. (2020): Agricultural diversification promotes multiple ecosystem services without compromising yield. – Science Advances, Vol. 6, no. 45; DOI: 10.1126/sciadv.aba1715.
Monika Offenberger (2021): Artenreiche Landwirtschaft fördert Ökosystemleistungen ohne Ertragseinbußen. – ANLiegen Natur 43/2; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/kleinteilige-landwirtschaft/.
Zum Download der Notizen in der Rubrik:
ANLiegen Natur 43/2 (2021): 8 Seiten als Volltext herunterladen (pdf barrierefrei 0,6 MB).