Klimawandel beeinflusst die Konkurrenz zwischen Vogelarten
(Monika Offenberger) Die Erderwärmung verändert weltweit die Verbreitung von Pflanzen- und Tierarten. Dies geschieht sowohl direkt durch veränderte Umweltbedingungen als auch indirekt über die Wechselbeziehungen von Arten, die im selben Lebensraum vorkommen. Eine klimabedingt verschärfte Konkurrenz kann erhebliche Auswirkungen auf die unterlegene Art haben. Das legen Langzeitstudien an Trauerschnäppern und Kohlmeisen nahe.
Vom Menschen verursachte Umweltveränderungen wirken sich auf verschiedene Spezies unterschiedlich aus. Manche Arten profitieren von den damit einhergehenden Störungen, andere kommen damit weniger gut zurecht. Dadurch kann sich die Konkurrenzfähigkeit von interagierenden Arten verändern, wie eine Auswertung von 193 ornithologischen Studien zeigt (GUILLAUMET & RUSSELL 2022). Insbesondere zwischen heimischen und invasiven Vogelarten können sich die Dominanzverhältnisse zugunsten der Eindringlinge verstärken: So haben etwa eingeführte Stockenten teils infolge der Konkurrenz um Ressourcen, teils durch Hybridisierung mit ansässigen Arten, weltweit zum Rückgang oder gar zum Aussterben anderer Schwimmenten geführt (QUILODRÁN et al. 2018). Auch zwischen einheimischen Arten kann es nach menschgemachten Störungen natürlicher Lebensräume zur Verdrängung der konkurrenzschwächeren Spezies durch einen nahen Verwandten derselben Familie kommen; belegt ist dies beispielhaft für nordamerikanische Drossel- und Eulenarten (DUCKWORTH & BADYAEV 2007; YACKULIC et al. 2019).
Tödlicher Kampf um Nistplätze zwischen Kohlmeise und Trauerschnäpper
Als besonders gravierende anthropogene Umweltveränderung beeinflusst auch der fortschreibende Klimawandel die Koexistenz von Vogelarten, deren ökologische Nische sich überlappt. Beispielhaft zeigt dies eine Langzeitstudie an in Finnland brütenden Kohlmeisen (Parus major) und Trauerschnäppern (Ficedula hypoleuca). Dabei wurden zwischen 1953 und 2005 die Populationsdichten sowie die in Nistkästen erzielten Bruterfolge von mehr als 7.000 Individuen dieser Sperlingsvögel erfasst (SAMPLONIUS & BOTH 2019). Während die Meisen das ganze Jahr über in Skandinavien leben, überwintern die Schmätzer südlich der Sahara und kommen erst im Frühjahr zum Brüten zurück – und konkurrieren mit den ortsansässigen Meisen insbesondere um die begrenzten Nistplätze. Häufig versuchen Trauerschnäpper (meist die früher eintreffenden Männchen, die mit geeigneten Nistmöglichkeiten um die Weibchen werben), bereits von Kohlmeisen genutzte Nistkästen zu kapern. Die Gegenwehr der Meisen ist massiv: Häufig töten sie den Eindringling durch gezielte Hiebe auf den Kopf und fressen anschließend sein Gehirn. Seltener vertreibt der Trauerschnäpper seine Kontrahenten und überbaut deren Nest samt eventuell darin liegenden Eiern, welche in der Folge absterben.
Im Untersuchungszeitraum wurden 53 getötete Trauerschnäpper (davon 44 Männchen) in von Meisen genutzten Nistkästen aufgefunden, in 20 weiteren Fällen war es den Zugvögeln augenscheinlich gelungen, bereits belegte Kästen zu kapern. Dabei kam es umso häufiger zu tödlichen Attacken, je stärker die Legezeiten der beiden Arten überlappten und je mehr Individuen einer der beiden Populationen im Untersuchungsareal vorkamen (SAMPLONIUS & BOTH 2019). Beide Parameter können vom Klimawandel beeinflusst werden, wie eine weitere Langzeitstudie in Dänemark belegt (AHOLA et al. 2007); dabei wurde zwischen 2007 und 2016 in zehn Studienarealen das Schicksal von mehr als 2.300 vom Winterquartier zurückkommenden Trauerschnäppern erfasst. Auch hier kam es zu teils heftiger Konkurrenz um Nistplätze: Im Untersuchungszeitraum wurden die Kadaver von 86 männlichen und 2 weiblichen Trauerschnäppern in von Kohlmeisen besetzten Nistkästen aufgefunden; in manchen Jahren betrug die durch interspezifische Konkurrenz – sprich: durch aggressive Meisen – verursachte Mortalität der Schnäpperpopulation bis zu 8,9 Prozent.
Mehr Konkurrenz durch warme Winter
Zwei Folgeerscheinungen des Klimawandels könnten die tödlichen Interaktionen verstärken: wärmere Winter und steigende Frühlingstemperaturen (SAMPLONIUS & BOTH 2019). Denn beide Faktoren begünstigen die ortstreuen Meisen zulasten der wandernden Trauerschnäpper. Bei Kohlmeisen liegt die phänologische Empfindlichkeit der Legetermine gegenüber der Temperatur etwa viermal so hoch (2,6 Tage früher/1°C Erwärmung) wie die der Legetermine von Fliegenschnäppern (-0,7 Tage/°C). Die Meisen töteten mehr Trauerschnäpper, wenn deren Ankunft mit ihrer Hauptlegezeit zusammenfiel und insbesondere Individuen die später ankommen wurden getötet. Unabhängig davon nahm die Kohlmeisendichte nach warmen Wintern zu. Folglich litten männliche Trauerschnäpper in Jahren mit synchroner und hoher Meisendichte unter einer teils stark erhöhten Sterblichkeit. Interessanterweise hatte dieser tödliche Wettbewerb keine erkennbaren Auswirkungen auf die Population der Zugvögel. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass vor allem die überzähligen Männchen getötet wurden, deren Fortpflanzungsmöglichkeiten ohnehin gering sind, weil sie nur selten noch unverpaarte Weibchen finden. Das Fazit der Autoren: „Wir kommen zu dem Schluss, dass unsere Brutpopulation gegen die nachteiligen Auswirkungen des Wettbewerbs gepuffert ist. Dennoch gehen wir davon aus, dass sich die Folgen des interspezifischen Wettbewerbs für die Population bemerkbar machen könnten, wenn die Puffer verringert werden, insbesondere nach warmen Wintern, die für die ansässigen Arten günstig sind“.
Anpassung an wärmere Temperaturen mit Einschränkungen
Eine weitere Folgeerscheinung der globalen Erwärmung beeinflusst ebenfalls die Verbreitung von Trauerschnäppern , wie eine Langzeitstudie in Süd-, Mittel- und Nord-Schweden zeigt (LOMAS VEGA et al. 2021) . In den drei Regionen wurden zwischen 1982 und 2017 wichtige Umweltparameter erfasst und mit dem Bruterfolg beringter Trauerschnäpper abgeglichen. Ergebnis: Innerhalb der 36 Jahre umfassenden Studienzeit stieg die Frühlingstemperatur im Mittel kontinuierlich an und die Vegetationsperiode – und damit die Voraussetzung zu brüten – begann entsprechend früher. Bei den in Nordschweden siedelnden Brutpaaren war der Vorsprung durch die früher einsetzende Vegetationsperiode mit 8,3 Tagen deutlich größer als bei jenen in Südschweden, wo er immerhin 3,6 Tage betrug. Gleichzeitig stieg der Bruterfolg bei den im Norden brütenden Vögeln im Laufe der Zeit an, während er bei Paaren in südlichen und mittleren Breitengraden mit der Zeit abnahm. Demnach reagieren Trauerschnäpper in höheren Breitengraden stärker auf Wettereinflüsse als im Süden; möglicherweise lässt sich dort der Brutzeitpunkt nicht beliebig weit vorziehen und an einen sehr frühen und warmen Frühling anpassen, vermuten die Autoren. Bei anhaltender Erderwärmung könnte diese Einschränkung auch den Bruterfolg sehr weit nördlich brütender Trauerschnäpper und anderer Langstreckenzieher schmälern.
Mehr:
AHOLA, M. P. et al. (2007): Climate change can alter competitive relationships between resident and migratory birds. – Journal of Animal Ecology Vol. 76: 1045–1052; https://besjournals.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1365-2656.2007.01294.x.
DUCKWORTH, R. A. & BADYAEV, A. V. (2007): Coupling of dispersal and aggression facilitate the rapid range expansion of a passerine bird. – Proceedings of the National Academy of Science Vol. 104: 15017–15022.
GUILLAUMET, A. & RUSSEL, I. J. (2022): Bird Communities in a Changing World: The Role of Interspecific Competition. – Diversity Vol. 14(10): S. 857 ff; https://doi.org/10.3390/d14100857.
LOMAS VEGA, M., FRANSSON, T. & KULLBERG, C. (2021): The effects of four decades of climate change on the breeding ecology of an avian sentinel species across a 1,500-km latitudinal gradient are stronger at high latitudes. – Ecology and Evolution Vol 11: 6233–6247; https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/ece3.7459.
QUILODRÁN, C. et al. (2018): Cryptic Biological Invasions: A General Model of Hybridization. – Scientific Reports Vol. 8: S. 2414.
SAMPLONIUS, J. M. & BOTH, C. (2019): Climate Change May Affect Fatal Competition between Two Bird Species. – Current Biology Vol. 29: 327–331; https://doi.org/10.1016/j.cub.2018.11.063.
YACKULIC, C. B. et al. (2019): The past and future roles of competition and habitat in the rang-wide occupancy dynamics of Norther Spotted Owls. – Ecological Applications Vol. 29(3), e01861.
Autorin:
Monika Offenberger
monika.offenberger@mnet-mail.de
Monika Offenberger (2024): Klimawandel beeinflusst die Konkurrenz zwischen Vogelarten. – ANLiegen Natur 46/1; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/klimawandel-konkurrenz/.
Zum Download der Notizen in der Rubrik Klima.Landschaft.Energie:
Anliegen Natur 46/1 (2024): 6 Seiten als Volltext herunterladen (pdf barrierefrei 0,4 MB).