Lebensräume für die Haselmaus – vom Wald über Hecken und Feldgehölzen bis zum Schilfrohrbestand
(Sonja Hölzl) Lebensräume der Haselmaus (Muscardinus avellanarius) sind lichte, strukturreiche Laub- und Mischwälder. In England und Deutschland wurden nun Hecken und Feldgehölze, aber auch Schilfröhrichte nochmals vertieft betrachtet. Flächige Feldgehölze wurden als bisher wenig untersuchter Lebensraum genauso häufig genutzt wie lineare Hecken. Ebenso ließen sich zahlreiche Aktivitäten in einem bayerischen Schilfrohrbestand dokumentieren.
Als Faktoren für geeignete Haselmaus-Lebensräume werden von Experten (Interviews in England) häufig genannt: 1. Eine lichte, dreidimensionale Habitatstruktur (für Nahrung, Nistplätze und Schutz), 2. vielfältige Struktur an Pflanzen und Lebensräumen und 3. deren Vernetzung (PHILLIPS et al. 2022). Nichtsdestotrotz werden sie auch an dahingehend weniger erwarteten Orten zu beobachten sein – etwa an Autobahnmittelstreifen und Straßenrändern, in überschwemmungsgefährdeten Gebieten, bei Niströhren an Drahtzäunen oder minderwertigen Wäldern (ebenda). Zwei Studien haben solche bekannten, aber wenig erforschten Lebensräume vertieft betrachtet und erstaunliche Nutzungshäufigkeiten durch die Haselmaus festgestellt.
In England untersuchten SCOPES et al. (2024) das Vorkommen und Verhalten von Haselmäusen in Hecken und Feldgehölzen mittels (Pfoten-)Abdruck dokumentierender Tunnel in der Nähe von bekannten Haselmaus-Populationen. Dabei wurde die Nutzung von Gehölzen und Hecken verglichen, jedoch kein Vergleich zum angestammten Habitat gezogen. Demnach waren Haselmäuse eher in den Feldgehölzen, also in großflächigen Gebüsch-Formationen (im Englischen: Shrublands) aktiv, Haselmaus-Nester jedoch häufiger in Hecken als in Feldgehölzen zu finden. Diese Aktivität war höher, je näher die Feldgehölze an der bestehenden Population waren (und je größer diese Population war) und je weniger Adlerfarn (Pteridium aquilinum) dominierte (Stechginster im Mittelaufwuchs war dagegen positiv assoziiert). In den Hecken waren Haselmäuse aktiver, je mehr Haselsträucher (Corylus avellana) und Geißblatt (Lonicera periclymenum) vorhanden war, je mehr sich eine Hecke mit anderen Hecken kreuzte und wo kein Erdwall vorkam (dies führten die Forschenden darauf zurück, dass weniger Pfotenabdrücke erfasst wurden, dadurch, dass die Tunnel höher platziert waren).
WIPFLER et al. (2024) befassten sich im Regnitztal südlich von Bamberg damit, inwieweit Haselmäuse auch Schilfrohrbestände als Lebensraum nutzen, wo sie bereits beobachtet wurden beziehungsweise angebrachte Nistmöglichkeiten annahmen (WIPFLER et al. 2020). Dort sind die etwa einen Hektar großen Schilfrohrbestände umgeben von Gehölzen, insbesondere Weide (Salix fragilis, S. purpurea, S. viminalis), Schwarzerle (Alnus glutinosa) und Zitterpappel (Populus tremula) sowie verschiedenen Feldgehölz-Arten wie die Hasel. Um die Haselmäuse zu untersuchen, wurden im Jahr 2022 zwischen Mai und Juli acht Individuen besendert und ihre Aktivitäten durchschnittlich 26 Nächte und 26 Tage aufgenommen. Dabei kam heraus, dass die Haselmäuse die Schilfrohrbestände in vergleichbarem Umfang wie die angrenzenden Gehölze für ihre nächtlichen Aktivitäten, aber auch tagsüber zum Ruhen (nur Männchen) nutzten. Damit lagen 41,1 % der Verortungen von den nächtlichen Aktivitäten im Schilf- und 50,7 % im Gehölzbestand beziehungsweise ruhten sie zu 42,5 % im Schilf und zu 45 % im angrenzenden Wald (12,5 % der Verortungen waren in Übergangsbereichen).
In einigen Fällen frequentierten die Tiere auch geflutete Bereiche mit genügend dichter und kletterbarer Vegetation. Die gefundenen Nester (N = 21) bestanden hauptsächlich aus Schilf (Blättern und Stengeln), gefolgt von Weidenblättern, Baumrinden, anderen Blättern und Moos. Die Forschenden fanden auch ein sehr gut getarntes Nest im Schilfrohrbestand.
Für die Autoren begründet sich die dokumentierte Nutzung von Schilfbereichen durch den Schutz vor Prädatoren (durch Wasseranteil schwer zugänglich, gut getarnte Nester im Schilf) und dem Vorhandensein von Nahrungsressourcen sowie Nistmaterialien. Sie vermuten zudem eine Vermeidungsstrategie gegenüber Gelbhals- und Waldmäusen: Die bewegliche erste und fünfte Zehe, die das Emporklettern an Schilfrohren erleichtert, könnte hierbei der Haselmaus von Vorteil sein.
Für die Praxis der Eingriffsregelung ergibt sich dadurch die Forderung, die Haselmaus auch in Schilfbeständen zu prüfen.
Mehr:
PHILLIPS, B. B., CROWLEY, S. L., BELL, O. et al. (2022): Harnessing practitioner knowledge to inform the conservation of a protected species, the hazel dormouse Muscardinus avellanarius. – Ecological Solutions and Evidence 3(4): e12198.
SCOPES, E. R., BENNIE, J. J., BROOME, A. et al. (2024): Variation in hazel dormouse (Muscardinus avellanarius) presence in hedge and scrub habitats. – Ecological Solutions and Evidence 5(2): e12329.
WIPFLER, R., STRÄTZ, C. & OBERMAIER, E. (2020): Haselmaus-Untersuchungen mit selbstgebauten Niströhren – Ergebnisse zu bevorzugten Vegetationsstrukturen. – Anliegen Natur 42(2): 73–78; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/doc/an42210wipfler_et_al_2020_haselmaus_nistroehren.pdf.
WIPFLER, R., STRÄTZ, C. & STEINBAUER, M. (2024): Hazel dormice use reed beds for nocturnal activity and daytime resting. – Journal of Vertebrate Biology 73(23118): 1–9.
Autorin
Sonja Hölzl
Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege
sonja.hoelzl@anl.bayern.de
Sonja Hölzl (2025): Lebensräume für die Haselmaus – vom Wald über Hecken und Feldgehölzen bis zum Schilfrohrbestand. – Anliegen Natur 47/1; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/lebensraeume-haselmaus/.