Mähgutübertragung voranbringen
(Sonja Hölzl, Laura Korbacher) Im Vergleich zu Ansaaten mit Regiosaatgut wird Mähgutübertragung trotz ihrer zahlreichen Vorteile wenig angewandt. Darunter versteht man das Ausbringen von Mähgut einer naturschutzfachlich wertvollen Spenderfläche auf eine weniger artenreiche Empfängerfläche, um die Artenvielfalt zu steigern. Mit genau dieser Anwendungslücke haben wir uns im Rahmen einer Tagung beschäftigt. Damit Mähgutübertragung von einem breiten Netzwerk an Akteurinnen und Akteuren getragen werden kann, bedarf es intensiven Erfahrungs- und Wissensaustausch und einen klaren rechtlichen Rahmen. Damit dies in der Praxis zum Standard wird, gilt: kommunizieren, ausprobieren, einfordern und fördern.
Wir ließen die Teilnehmenden der Tagung „Mähgutübertragung: Flächen, Anwendung, Akteure“ vom 26. bis 27. Juli in Augsburg anhand von Leitfragen die Methode der Mähgutübertragung (MGÜ) – also Mähgut einer naturschutzfachlich wertvollen Spenderfläche auf einer weniger artenreichen Empfängerfläche auszubringen, um die Artenvielfalt zu steigern – und ihre aktuelle und zukünftige Rolle sowie Rahmenbedingungen erkunden. Die spannenden Antworten stellen wir hier in kompakter Form vor.
Erkunden: Was macht die MGÜ aus? Was ist entscheidend für den Erfolg?
Allgemein wurde die MGÜ als schonend, zielgerichtet und praxisnah beschrieben. Da keine technische Aufbereitung und Spezialgeräte nötig sind, ist sie zudem kostengünstig und kommt natürlichen Prozessen nahe, da Samen über geringe Distanzen verfrachtet werden. MGÜ ist grundsätzlich einfach umzusetzen und auch auf kleinen Flächen möglich, erfordert allerdings Fachwissen (Ausgangszustand beurteilen, Flächen vorbereiten, Zeitpunkte, Nachpflege) sowie Vorausplanung und Organisation (Koordination der Zusammenarbeit der Akteure, Zeitmanagement, Suche nach geeigneten Spenderflächen).
Aus naturschutzfachlicher Sicht hat die MGÜ eine hohe Erfolgsquote bei allen Grünlandtypen, fördert artenreiche Landschaften und vermindert Bodenerosion. Nicht zuletzt werden naturräumlich lokale Herkünfte dabei unterstützt, sich zu etablieren und aufeinander abgestimmte Lebensgemeinschaften entstehen zu lassen. Auch aus wirtschaftlicher Sicht kann MGÜ punkten, denn potenziell profitieren zwei Flächenbesitzende. Es entsteht so eine Wertschöpfung innerhalb der Region. Artenreiches Grünland wird wesentlich inwertgesetzt. Darüber hinaus fördert MGÜ die Kooperation zwischen Naturschutz und der Landwirtschaft.
Visionen: Wie sollte MGÜ in 5–25 Jahren angewendet werden? Wie sollten die Rahmenbedingungen (in der Praxis, rechtlich, Akzeptanz, Wissen) aussehen?
In dieser Vision wird MGÜ standardmäßig bei Ausgleichsvorhaben oder Wiederbegrünung (verpflichtend beziehungsweise mit Prüfpflicht) angewandt und ist eine bekannte Maßnahme bei den Akteurinnen und Akteuren, die mit ihren ökonomischen und ökologischen Vorteilen den Einsatz von Regiosaatgut weitgehend ersetzt. Damit steht MGÜ in der Meinung der Beteiligten auch autochthonem zertifiziertem Saatgut nicht nach und hat durch sorgfältige Auswahl der Spenderflächen und den engen räumlichen Bezug Vertrauen in dessen Qualität erlangt. Dies wird ermöglicht, indem der rechtliche Rahmen klar ausgelegt und die Erhaltungsmischungsverordnung unkompliziert angewandt wird. Das Spenderflächenkataster ist zentral organisiert und mit ausreichend Spenderflächen bestückt.
Um das landkreisübergreifende Spenderflächenmanagement besteht zukünftig ein Netzwerk an Akteurinnen und Akteuren sowie Flächenbesitzenden, die Zugriff auf Flächeninformationen haben und Erfahrungen austauschen können. MGÜ spielt in diesem Kontext auch eine wesentliche Rolle für Ausgleichsflächenverbünde, Kommunen und Bauhöfe und im Betriebszweig einiger Landwirte. Darüber hinaus wird sie auch in der Umweltbildung thematisiert.
Das Netzwerk wird von Rahmenbedingungen gestützt, die sich unter anderem durch weniger bürokratische und rechtliche Hürden charakterisieren, beispielsweise in der Antragstellung für Landwirtinnen und Landwirte. Außerdem werden hochwertige Flächen erhalten und alle an MGÜ Beteiligten entsprechend honoriert. Das gilt auch für Weidetierhalter, die finanziell dabei gefördert werden, dass sie ihre Flächen mit Arten anreichern. Diese Wertschätzung könnte sich zum Beispiel auch dadurch ausdrücken, dass der naturschutzfachliche Wert von Grundstücken finanziell mitbewertet wird. Die langfristige Pflege von mit MGÜ angelegten oder angereicherten Flächen und eventuelles Nachsteuern ist durch ein funktionierendes Ausgleichsflächensystem sichergestellt.
Gestalten und Handeln: Was kann jede und jeder konkret unternehmen, um diese Vision zu erreichen?
Diese zahlreichen Antworten und Ideen zeigen unsere Möglichkeiten, bereits jetzt und in der Zukunft zu handeln. Dazu zählen:
Kommunizieren und austauschen! Um MGÜ als Methode mehr zu etablieren, wurde eine intensive Kommunikation und der aktive Austausch zwischen Kolleginnen und Kollegen sowie mit anderen Beteiligten vorgeschlagen. Dies schließt den Wissens- und Erfahrungstransfer sowie Gespräche mit potenziellen Partnern ein, um Bewusstsein zu schaffen und aufzuklären. Nicht zuletzt kann MGÜ profitieren, wenn sie in der Bildung für nachhaltige Entwicklung und für Kommunen sowie in der Ausbildung sowohl im Naturschutz als auch in der Landwirtschaft stärker thematisiert und durch Öffentlichkeitsarbeit weiter unterstützt wird.
Machen und ausprobieren! Zu den Motivationen gehörte ebenfalls: nach geeigneten Flächen in Eigeninitiative zu suchen und für das zentrale Spenderflächenkataster zu melden, der aktive persönliche Einsatz, dass MGÜ vermehrt angewendet wird sowie, dass Monitoring und eine Erfolgskontrolle umgesetzt wird. Eine weitere Möglichkeit, um MGÜ voranzubringen, war beispielsweise auch, diese im eigenen Garten anzuwenden. Auch andere Übertragverfahren können erprobt werden, zum Beispiel indem man ein Ausbürst-Gerät anschafft.
Einfordern und fördern! Dazu gehörte etwa, die Auflagen in Stellungnahmen und Projektakquisen entsprechend anzupassen und MGÜ für Ausgleichsmaßnahmen verstärkt vorzuschlagen und einzufordern. Ebenso nahmen sich die Teilnehmenden vor, Anreize aufzuzeigen, Akteure der Infrastruktur einzubinden und gegebenenfalls selbst Anreiz- und Austauschstrukturen zu schaffen. Als weiterer Ansatz wurde genannt, Allmenden als mögliche Spenderflächen einzuführen und MGÜ von dort gemeinschaftlich zu koordinieren. Auch waren die Teilnehmenden motiviert, an den politischen Rahmenbedingungen mitzuwirken, indem sie sich an Wahlen beteiligen oder den fachlichen Austausch mit der Politik einfordern.
Autorinnen:
Sonja Hölzl, Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege
sonja.hoelzl@anl.bayern.de
Laura Korbacher, Bayerisches Artenschutzzentrum im Landesamt für Umwelt
laura.korbacher@lfu.bayern.de
Sonja Hölzl & Laura Korbacher (2024): Mähgutübertragung voranbringen. – ANLiegen Natur 46/1; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/maehgutuebertragung_/.
Zum Download der Notizen in der Rubrik Landschaftsplanung und -pflege:
Anliegen Natur 46/1 (2024): 2 Seiten als Volltext herunterladen (pdf barrierefrei 0,2 MB).