Mähgutverwertung in Kommunen – Eine Chance für Artenschutz und regionale Wertschöpfung
(Lennart Dittmer) Die Abfuhr des Mähguts von öffentlichen Flächen führt zu einem Nährstoffentzug und erhöht gleichzeitig die Artenvielfalt. Eine Machbarkeitsstudie der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) fasste sinnvolle Verwertungsmöglichkeiten für das Mähgut zusammen und identifizierte Kommunen als besonders taugliche Umsetzungspartner. In einem Fortsetzungsprojekt werden nun Kommunen auf ihrem Weg zur Mähgutverwertung begleitet.
Spätestens seit den Gesetzesänderungen im Zuge des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“ werden bayerische Straßenbegleitflächen, aber auch andere öffentliche Grünflächen, stärker nach den Zielen des Artenschutzes bewirtschaftet. Im Zuge des Biotopverbundes sollen dabei unter anderem auch blütenreiche Verbindungskorridore entstehen.
Vielerorts werden bereits biodiversitätsschonende Pflegeregimes auf kommunalen Grünflächen etabliert. Besonders wirksam sind dabei die Reduktion der Mahdhäufigkeit sowie der Einsatz von tierschonenden Mähtechniken wie Balkenmäher. Wird zusätzlich gebietseigenes Saatgut oder besser samenreiches Mähgut im Zuge einer Mähgutübertragung ausgebracht, wird auch der Blühaspekt schnell sichtbar.
Die Abfuhr der gemähten Wiesenaufwüchse sorgt allerdings über die Zeit für eine besondere Blühwirkung, weil Nährstoffe nach und nach von der Fläche abtransportiert werden, bis sich Blütenpflanzen gegen nährstoffliebende Gräser behaupten. Nebenbei wird das Mähgut zur regionalen Verwertung und Wertschöpfung frei.
Dies bietet sich besonders für kommunale Gebietskörperschaften an, da hier neben Wegrändern zum Beispiel auch Friedhöfe, Parkanlagen, Gewässerränder oder Sportplätze gepflegt werden. Lokal ansässige Landwirte können dabei perspektivisch, zum Beispiel über die Tierhaltung, die Biogasproduktion oder die Kompostierung einbezogen werden oder zumindest bei der Pflege unterstützen, was Nebenerwerbszweige eröffnet und Bauhöfe entlastet.
Hürden bei der Schnittgutverwertung
Begibt man sich allerdings auf die Suche nach Gemeinden, die bereits heute nennenswerte Mähgutmengen abtransportieren und verwerten, sind vorzeigbare Beispiele deutschlandweit rar gesät. Die größte Hürde bei der Etablierung von Verwertungswegen ist die Abfalleigenschaft des anfallenden Mähguts wegen des angenommenen „Entledigungswillens“, was hohe Ansprüche an Verwertungsanlagen zur Folge hat. Zusätzlich können allerdings auch erhöhte Fremdstoffgehalte (besonders entlang von vielbefahrenden Straßen) oder Problempflanzen im Mähgut problematisch für den potenziellen Verwerter sein. Zu allem Überfluss sehen sich Unterhaltspflichtige darüber hinaus mit vergleichsweise hohen Annahmekosten an zentralen Kompostieranlagen konfrontiert.
Erprobung in zwei Gemeinden
Ein zweijähriges, wissenschaftliches Projekt der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau unterstützt nun zwei Gemeinden (Landkreis Aichach-Friedberg: Sielenbach; Landkreis Main-Spessart: Karlstadt am Main) auf ihrem Weg zur Mähgutverwertung. Die finanziellen Mittel wurden vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus bereitgestellt.
Im Projekt werden moderne, fernsteuerbare Raupengeräteträger auf ausgewählten kommunalen Flächen auf ihre Tauglichkeit und Wirtschaftlichkeit hin untersucht. Verwertungspfade mit Aussicht auf eine breitere Umsetzung und kreative Kleinstverwertungsformen werden getestet. Durch die Verwendung einer Grünpflege-App wird erprobt, inwiefern hierbei ein planerischer Mehrwert entsteht. Gegebenenfalls können noch fehlende Features für die Verwertungsproblematik an Softwareentwickler weitergegeben werden.
Die Haupthürde „Fremdstoffe im Mähgut“ wird angegangen, indem Müll entlang von Straßen mit unterschiedlichen Verkehrsaufkommen systematisch gesammelt wird, Schnee als „Müllfangzäune“ erprobt sowie die Müllaufnahme eines Ökomähkopfes mit luftstromoptimierter Absaugung untersucht wird. Ziel ist es, Strategien zur reduzierten Müllaufnahme beim Mähen in die Praxis zu kommunizieren. Zusätzlich werden erste Testversuche den Grad der Verschmutzung von Straßenmähgut mit Mikroplastikpartikeln aufdecken.
Unterstützt durch die Wildlebensraumberatung für das öffentliche Grün an der LWG, soll ein Kommunikationsnetzwerk zur Mähgutverwertung in Kommunen entstehen, ein „Werkzeugkasten“ für kreative Kleinstverwertungsformen bereitgestellt und Erkenntnisse des Projekts mit praktischem Nutzen in einem Merkblatt zusammengefasst werden.
Projektleitung: Martin Degenbeck
Projektbearbeitung: Lennart Dittmer
Laufzeit: 01.01.2024–31.12.2025
Autor
Lennart Dittmer
Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG)
lennart.dittmer@lwg.bayern.de
Lennart Dittmer (2024): Mähgutverwertung in Kommunen – Eine Chance für Artenschutz und regionale Wertschöpfung. – Anliegen Natur 46/2; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/maehgutverwertung-artenschutz/.
Zum Download der Notizen in der Rubrik Forschung für die Praxis:
Anliegen Natur 46/2 (2024): 2 Seiten als Volltext herunterladen (pdf barrierefrei 0,4 MB).
Für einenTeil der Kommunen mag sich da zwar eine positive Entwicklung abzeichnen , aber für die übergeordneten Straßenkategorien (Staatsstraße, Bundesstraße u vor allem BAB) trifft dies mit Sicherheit (zumindest in Bayer ) nicht zu. Vor allem die Behandlung der Grünflächen, Gehölze wie Grasland gleichermaßen, sind überwiegend als katastrophal einzustufen.
Vielleicht wäre da mal ein Aktionsfeld für die ANL 😎
Grüße, Detlef Roßmann (Dipl.-Ing. Landespflege)
Lieber Herr Roßmann, vielen Dank für den Kommentar.
Wir sehen hier einen erfreulichen Start im Sinne der S-Kurve von Innovationen: demnach beginnen Innovationen oder Veränderungen immer mit sehr wenigen, die sie umsetzen. Diesen folgt dann eine neugierige Minderheit, bevor eine „kritische Masse“ und eine Mehrheit etwas umsetzt oder annimmt.
Vor allem am Anfang braucht es daher Zeit und Geduld, nachdem etwas wie im Rahmen des Projektes angestoßen wurde.
Wir an der ANL haben das Thema mindestens auf dem Schirm und greifen es bei Gelegenheiten gerne auf.
Herzliche Grüße
Sonja Hölzl