Die Entwicklung der Übergangs- und Hochmoore im südbayerischen Voralpengebiet zwischen 1969 und 2013
(Giselher Kaule) In den Jahren 1969 bis 1972 wurden die Hochmoore Süddeutschlands und der Vogesen inventarisiert, typisiert und naturschutzfachlich bewertet. 2010 bis 2013 erfolgte mit Unterstützung des Landesamts für Umwelt (LfU) eine Wiederholungskartierung der voralpinen und alpinen Moore Bayerns. Die Ergebnisse und Empfehlungen für die drei Naturraum-Hauptgruppen sind nun verfügbar (LfU 2015).
1974 veröffentlichte G. KAULE eine Untersuchung der Hochmoore Süddeutschlands und der Vogesen. 2010 bis 2013 konnten mit Unterstützung des Landesamts für Umwelt (LfU) die Moore des Bayerischen Voralpengebietes und die Alpenmoore erneut untersucht werden.
Die untersuchten knapp 45 Jahre Moorentwicklung sind ein ausreichender Zeitraum, um die Richtung der Sukzession von Pflanzengesellschaften sicher nachweisen zu können und kurzfristige Fluktuationen zu integrieren. Insgesamt wurden 350 Moore mit 2.500 abgegrenzten Flächen (Polygonen) in einem geografischen Informationssystem ausgewertet. Die Zusammenfassung der Ergebnisse und die Empfehlungen wurden nun als Umwelt Spezial-Heft vom LfU veröffentlicht. Die Ergebnisse werden in zahlreichen Karten und Tabellen dargestellt. Die wichtigsten Ergebnisse und Empfehlungen für die übergeordneten Habitatgruppen werden im Folgenden zusammengefasst, Details können dem Bericht entnommen werden:
1.1 Habitatgruppe Offene Hochmoore – Wachstumskomplexe und deren Degradationsstadien
1974 wurden 580 ha intakte Hochmoorweiten dokumentiert, von denen 98 % bis zur Wiederholungskartierung stabil geblieben sind. Insgesamt zeigte sich eine deutliche Abhängigkeit vom regionalen Niederschlagsregime: Unter 1.000 mm Jahresniederschlag wurde keine Moor-Regeneration beobachtet. Vielmehr degradierten sie ohne Eingriffe bei einer mittleren Niederschlagsmenge von unter 1.000 mm/Jahr zu Hochmoorheiden, so am nördlichen Rand des voralpinen Hügel- und Moorlandes. In niederschlagsreicheren Gebieten entwickelten sich von den damals dokumentierten 1.000 ha Hochmoorheiden rund 600 ha zurück zu Hochmooren, wobei zirka 350 ha eine Zunahme an Torfmoosen (Sphagnum) aufwiesen. Im Bereich ab 1.100 mm/Jahr Niederschlag blieben größere Moorweiten relativ stabil, ohne Wasser-Rückstau aus angrenzenden Flächen regenerierten sie jedoch erst ab mehr als 1.200 mm/Jahr. Zwischen 1.100 und 1.300 mm/Jahr verlief die Regeneration deutlich langsamer als bei höheren Niederschlägen und war stark von guten Startbedingungen abhängig.
Oberhalb 1.300 mm/Jahr konnte zwischen 1970 und 2010/13 regelmäßig eine starke Zunahme torfbildender Vegetation verzeichnet werden, doch sehr tiefe Gräben können sogar noch bei sehr hohen Niederschlagsmengen von um 1.600 mm/Jahr eine Regeneration zu Hochmoor verhindern.
Daraus ergibt sich, dass wachsende Hochmoore ein hohes Maß an Eigenstabilität aufweisen. Torfmoose haben bei guten Wachstumsbedingungen einen hohen Konkurrenzvorteil vor anderen Moosen und Gefäßpflanzen. Sie sind ein effizientes Kapillarsystem, was die Stabilität von Moorflächen auch bei Niederschlagsmengen gewährleistet, in dem die Neuentwicklung ansonsten nur durch flankierende Maßnahmen wie Wassereinstau erfolgen kann.
1.2 Habitatgruppe Torfstiche
Die 1974 dokumentierten kleinbäuerlichen Torfstiche waren damals bereits teilweise regeneriert. Sie haben sich inzwischen zu artenreichen, sekundären Lebensraumkomplexen weiterentwickelt. Industrielle Abbaugebiete regenerierten sich dagegen in Abhängigkeit von ihrer Überflutung sehr unterschiedlich. Der zur Regeneration notwendige flache Wasserstand ist fast ausschließlich bei einer Kammerung der Flächen gegeben. Da in Torfstichsohlen ein lateraler Wasserzufluss erfolgen kann, entwickeln sich unter oligotrophen Bedingungen im gesamten Untersuchungsgebiet Schwingrasen. Das Extrembeispiel ist das ehemalige Torfabbaugebiet Haspelmoor (bei Fürstenfeldbruck) bei zirka 920 mm Niederschlag pro Jahr, wo dies noch zu beobachten ist.
1.3 Habitatgruppe Übergangsmoore (Schwingrasen und Streuwiesen)
Die Sukzession von brachliegenden Streuwiesen war 1974 bereits genauso bekannt wie der beschleunigte Abbau durch Entwässerung, aber die schnelle Sukzession von Kalkflachmoor-Schwingrasen (vorwiegend in Kesselmooren) zu Übergangsmooren mit Hochmoor-Torfmoosen war damals nicht abzusehen. So sind im Untersuchungszeitraum die Schwingrasen und Streuwiesen mit Braunmoos-Komplexen um 80 % zurückgegangen, so dass sie inzwischen zu den größten Seltenheiten gehören.
1.4 Habitatgruppe Bewaldete Moore
Die Latschenfilze des Chiemgaus sind stabil geblieben. Die eine weit größere ökologische Amplitude umfassenden Spirkenfilze der Naturräume westlich der Isar sind dagegen zumeist deutlich dichter mit Gehölzen bewachsen, aber in der Fläche stabil geblieben. Eine sehr ausgeprägte Entwicklung haben die Forste und Wälder mit Fichte auf Hochmoortorf durchlaufen: Durch Vernässung nach Verfall der Gräben und die folgende natürliche Auflichtung haben sich 50 % dieser artenarmen Forste zu Beerstrauch-Fichten-(Birken-) Wäldern entwickelt und beherbergen zum Teil inzwischen auch Torfmoose. Waldkiefernfilze konnten sich vorwiegend in Torfstichen entwickeln.
1.5 Habitatgruppe Gebirgshochmoore
In den Hochmooren der Alpen sind fallweise die großen Schlenken und Kolke mit dem Torfmoos Sphagnum majus durch angelegte Salzlecken für Hirsche und die damit verbundenen Trittschäden stark geschädigt.
2. Empfehlungen für die Moorentwicklung Bayerns
Insgesamt lassen sich aus der Ausarbeitung zahlreiche konkrete Handlungsansätze ableiten, die neben naturschutzfachlichen Verbesserungen auch wesentlich zum Klimaschutz beitragen könnten:
- Durch Wiedervernässung könnten die Emissionen von Klimagasen deutlich verringert werden. Ein hohes Potential bietet der Ansatz in Heiden, wenn die vorhandenen Schlitzgräben geschlossen würden. Dies ist besonders im Ammer-Loisach-Hügelland bedeutsam.
- Leider findet noch immer in zahlreichen Flach- und Übergangsmooren eine Drainageoptimierung statt, die zu Emissionen von Klimagasen führt. In sehr nassen Wiesen sollten die Fördersätze für Agrarumweltmaßnahmen (Erschwernisausgleich) unter der Auflage des Einsatzes sehr leichter Maschinen erhöht werden.
- Die Funktion von Mooren und Moorböden als natürliche Rückhaltegebiete für Hochwasser sollte gestärkt und der derzeit erhebliche Nährstoffeintrag verringert werden. Es sollten Gebiete für integrierte Maßnahmen zum Hochwasserschutz und der Verbesserung der Gewässergüte ausgewiesen werden, wobei die Umgebungsnutzung und der Naturschutz einbezogen werden muss.
- Beweidung kann in extensiver Form für Moore eine alternative Nutzung zur Pflege und Entwicklung darstellen, wobei dies im Einzelfall geprüft werden muss.
- Die Entwicklung von naturnahen, standorttypischen Moorwäldern wird im Kontext einer Wiedervernässung als auszubauender Schwerpunkt für die nächsten Jahrzehnte gefordert.
- Nährstoffarme Moorkomplexe können nur in Moorlandschaften mit extensiver Nutzung und deutlich verbesserter Gewässerqualität entwickelt und langfristig erhalten werden. Hier wurden Gebiete für entsprechende Leitprojekte identifiziert.
Mehr:
LfU (= Bayerisches Landesamt für Umwelt; 2015): Die Entwicklung der Übergangs- und Hochmoore im südbayerischen Voralpengebiet (2015) – Broschüre, 129 S., Augsburg; www.bestellen.bayern.de/shoplink/lfu_nat_00308.htm.
Zitiervorschlag: Kaule, G. (2015): Die Entwicklung der Übergangs- und Hochmoore im südbayerischen Voralpengebiet zwischen 1969 und 2013 . – ANLiegen Natur 37/2; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/moore/.