Für mehr Gehölze im Moor? Beitrag zur phytophagen Käferfauna von Hoch- und Zwischenmooren
(Peter Sprick) Den Übergängen zwischen Wald und Offenland in Hochmoor- und Zwischenmoor-Gesellschaften kommt bei phytophagen Käfern eine zentrale Bedeutung zu. Anstelle einer (wie oft üblich) flächigen Entfernung der Gehölze wird eine kleinräumige, abgestufte Pflege empfohlen.
Zwischen 2007 bis 2010 wurde die phytophage Käferfauna des Otternhagener und des Helstorfer Moores im Norden Hannovers untersucht. Bei beiden Mooren handelt es sich um Hochmoore, die bis vor 57 Jahren durch Handtorfstiche abgetorft wurden und durch zahlreiche Torf-Abfuhrdämme stark gekammert sind, wodurch diesen Mooren heute ein zentraler, uhrglasförmig gewölbter Moorkörper fehlt. Gehölze (Moor-Birke Betula pubescens, Hänge-Birke Betula pendula und Wald-Kiefer Pinus sylvestris) dringen in unterschiedlichem Umfang vor allem entlang der Torfdämme bis ins Zentrum der Moore vor. Bei den Untersuchungen stellte sich heraus, dass seltene und bemerkenswerte Blatt- und Rüsselkäferarten zum einen im von Gehölzen locker bewachsenen Randbereich mit Zwischenmoorcharakter, zum anderen aber auch in den zentralen Hochmoorgesellschaften vertreten waren. Es zeigten sich deutliche Unterschiede hinsichtlich der beteiligten Taxa.
Als artenreich besiedelt erwiesen sich auch zum Teil sehr große Ohren- und Grauweidengebüsche im unmittelbar angrenzenden Niedermoorbereich sowie Zitterpappeln (Populus tremula) aus einem Bruchwald. Auf den jungen Schösslingen der Espe wurde Rutidosoma globulus – eine kleine, monophage, flugunfähige, in Norddeutschland sehr seltene, disjunkt verbreitete Rüsselkäferart – gefunden, wodurch der Bruchwald mit seinen Zitterpappel-Vorkommen als ursprünglich charakterisiert werden kann.
An typischen Pflanzenarten der Hochmoore (hier vor allem Andromeda polifolia, Erica tetralix, Eriophorum angustifolium, Eriophorum vaginatum, Sphagnum spp., Vaccinium spp.) siedelten keine beziehungsweise nur sehr wenige mono- oder oligophage Arten. Nur einer der wenigen hier vorkommenden Spezialisten, der auch in Sandheiden an Heidekraut (Calluna vulgaris) lebende Kleinrüssler Micrelus ericae, wurde als bemerkenswerte Art eingestuft. Nur Limnobaris dolorosa, eine weitere Rüsselkäferart, die in den untersuchten Mooren an Eriophorum angustifolium und Carex rostrata lebt, wurde hier gefunden.
Insgesamt spielen für viele der gefundenen Arten Gehölze eine große Rolle. In den zum Teil sehr bultigen Zwischenmooren wurden an Birke – zum Teil häufiger, zum Teil nur als Einzelexemplare – eine seltene Springrüsslerart (Orchestes jota), ein seltener Kleinrüssler (Coeliodinus nigritarsis) und eine hochmoortypische Erdflohart (Altica aenescens) beobachtet. Die beiden Letzteren leben monophag auf Moor-Birke (Betula pubescens). Dagegen waren die polyphagen Blattkäfer aus den Unterfamilien Donaciinae (1 Art) und Cryptocephalinae (bis zu 8 Arten) auch im eigentlichen Hochmoor gut vertreten, zum Teil lag hier sogar ihr Schwerpunkt. Diese Flächen lassen sich als Mosaik aus Hoch- beziehungsweise Zwischenmoor-Gesellschaften mit lichten Gehölzbeständen (inklusive pflegebedingt kurzgehaltenen Gehölzen und Torfdammgehölzen) charakterisieren. Im Falle des hochmoortypischen Schilfkäfers Plateumaris discolor mag ein Vorkommen von Gehölzen nicht erforderlich sein, auch wenn man die Käfer nicht selten auf blühenden Kiefern findet.
Bei den im Moor vorkommenden Cryptocephalus-Arten (Fallkäfer) ist jedoch ein Reifungsfraß an Birke oder bei zwei Arten auch Kiefer erforderlich, um den Entwicklungszyklus durchlaufen zu können. 4 der 8 nachgewiesenen Fallkäfer-Arten wurden als bemerkenswert eingestuft: Cryptocephalus pini und Cryptocephalus quadripustulatus (von Pinus) sowie Cryptocephalus biguttatus und Cryptocephalus decemmaculatus von Jung-Birken und Birkengebüschen. Die Attraktivität von nach der Biotoppflege austreibenden Birkengebüschen für phytophage Käfer im Moor war auffallend. Die Enge der Bindung der genannten Blattkäferarten an den Lebensraum Hoch- und Zwischenmoor ist dabei unterschiedlich, sie reicht von stenotop (Cryptocephalus decemmaculatus, Plateumaris discolor) bis zu Zwei- oder Mehrbiotopbewohnern.
Allerdings sollten diese Ergebnisse aufgrund geringer Datenlage nicht ohne nähere Prüfung auf andere Regionen oder Moorkomplexe übertragen werden. So gibt es in Deutschland nur in bestimmten Regionen vorkommende Hochmoorbewohner sowie Unterschiede in der Zusammensetzung der Hochmoor-Pflanzengesellschaften, die zu unterschiedlichen Ergebnissen hinsichtlich der Bewertung einer Pflanzenart als Wirt für phytophage Käfer führen können.
Für die Biotoppflege kann gefolgert werden, dass vor allem in den zum Zwischenmoor gehörenden Randgebieten, aber auch innerhalb des eigentlichen Hochmoores größere Areale festgelegt werden sollen, in denen bewusst ein Mosaik aus lichten Moorgehölzen und Hoch- oder Zwischenmoor-Gesellschaften durch geeignete Pflegemaßnahmen erhalten wird. Im Gegensatz zu weniger veränderten, uhrglasförmig gewölbten Mooren, an denen Gehölze nur am Rand zugelassen werden, sollten in derartigen Komplexen die Gehölze nicht vollständig beseitigt werden. Auch eine buchtige Gestaltung von Waldrändern solle angestrebt werden, um die Grenzlinien zu verlängern und windgeschützte Bereiche beispielsweise für hochmoortypische Tagfalter zu schaffen. Insbesondere kleinräumige Pflegemaßnahmen, die lokal zu einer vielfältigen Lebensraumstruktur führen, wirken sich günstig auf die Käferfauna aus.
Mehr:
Sprick, P., Gärtner, E. & Schmidt, L. (2013): Bemerkenswerte Kurzflügelkäfer (Staphylinidae), phytophage (Chrysomelidae, Curculionoidea) und diverse Käfer aus der Hannoverschen Moorgeest – 1. Beitrag zur Käferfauna (Coleoptera). – Telma 43: 123–162.
Zitiervorschlag: Sprick, P. (2015): Für mehr Gehölze im Moor? Beitrag zur phytophagen Käferfauna von Hoch- und Zwischenmooren. – ANLiegen Natur 37/2; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/moorkaefer/.