Wie der Borkenkäfer geeignete Habitate für die Mopsfledermaus schafft
(Mareike Kortmann, Johanna Hurst & Robert Brinkmann) Aktuelle Untersuchungen im Nationalpark Bayerischer Wald haben gezeigt, dass durch Borkenkäferbefall abgestorbene Fichten ideale Habitate für die Mopsfledermaus (Barbastella barbastellus) bieten. Die Auflichtung der Bestände, die damit einhergeht, schafft zudem geeignete Jagdgebiete. An den toten Fichten bilden sich durch abplatzende Rinde sogenannte Rindentaschen, die als Wochenstuben genutzt werden. In starken Befallsjahren kommt es immer wieder vor, dass einzelne Bäume oder Baumgruppen bei der Waldpflege übersehen werden, die als Biotopbäume im Bestand verbleiben können. Die Ergebnisse erschienen in der Fachzeitschrift „Animal Conservation“ (KORTMANN et al. 2017).
Seit über drei Jahrzenten dürfen Borkenkäfer in der Kernzone des Nationalparks Bayerischer Wald ehemalige Wirtschaftswälder in die Wildnis der Zukunft umwandeln. Ermöglicht hat dies das Motto des Nationalparks „Natur Natur sein lassen“. Waren die Folgen solcher Borkenkäferausbrüche in den Anfängen noch relativ unklar, bestätigte sich durch die Forschung im Park jedoch mehr und mehr, dass Borkenkäferflächen Teil natürlicher Prozesse sind, durch die viele Tier- und Pflanzenarten Lebensraum gewinnen. Vor allem Totholzbewohner, wie seltene Käfer und Pilze, zählen zu den Gewinnern auf den offenen, lichtdurchfluteten Flächen. Im Gegensatz dazu ist die Reaktion von Arten, die nicht direkt an Totholz gebunden sind, oft deutlich schwerer vorhersehbar.
Die Mopsfledermaus (Barbastella barbastellus) ist eine europaweit geschützte Fledermausart, die Wälder von Italien bis Finnland bewohnt. Diese, auf den Fang von Nachtfaltern spezialisierte Fledermausart, zieht ihre Jungen in Quartieren auf, die vor allem tote Bäume bereitstellen. Im Gegensatz zu vielen anderen Arten nutzt Sie dafür allerdings keine alten Spechthöhlen, sondern bezieht Quartiere unter abstehender Rinde.
Hohe Jagdaktivität auf Käferflächen
Auf Borkenkäferflächen im Nationalpark Bayerischer Wald wurde nun von Mitarbeitern des Nationalparks in Zusammenarbeit mit dem Freiburger Institut für angewandte Tierökologie und durch Förderung des Bundesamts für Naturschutz (BfN) untersucht, wie die Mopsfledermaus auf Änderungen in der Waldstruktur reagiert. Dafür wurde die Jagdaktivität sowie die Wahl von Quartieren für die Aufzucht der Jungtiere, sogenannte Wochenstuben, untersucht.
Die Jagdaktivität der Mopsfledermäuse wurde mit Hilfe von „Batcordern“ ermittelt, die Fledermausrufe automatisch während der ganzen Nacht aufzeichnen. Die Anzahl der aufgezeichneten Rufe wurde dabei als Indiz für die Jagdaktivität genommen. Insgesamt wurden Batcorder über 10 Nächte an insgesamt 119 Probestellen aufgestellt und sie zeichneten dabei 1.857 Rufe der Mopsfledermaus auf. Im Vergleich mit der Waldstruktur konnte gezeigt werden, dass die Mopsfledermäuse in Borkenkäferflächen eine höhere Jagdaktivität haben. Das scheint vor allem an der Auflichtung zu liegen, die der Mopsfledermaus mehr Beute verschafft.
Wochenstuben an abgestorbenen Fichten
Im Laufe der Studie konnten zudem sechs weibliche Tiere mit Sendern ausgestattet werden. Durch anschließende Telemetrie wurden 16 verschiedene Bäume ausfindig gemacht, die Wochenstuben enthielten. Diese Bäume lagen zwischen wenigen Metern bis zu einem Kilometer auseinander. Während der Abenddämmerung konnten an den einzelnen Quartieren bis zu 21 Individuen beim Ausfliegen beobachtet werden. Wochenstuben der Mopsfledermaus wurden in diesem Projekt ausnahmslos unter Rindenschuppen von Fichten gefunden, die dem Borkenkäfer zum Opfer gefallen waren. Zudem suchten sich die Tiere Bäume als Quartier aus, die von vitalen, unbefallenen Fichten umgeben waren. Da Muttertiere während der Aufzucht ihres Nachwuchses sehr sensibel sind, könnte ihnen die Deckung dieser Bäume in der Dämmerung als Schutz gegen natürliche Feinde wie dem Waldkauz dienen. Kleine Inseln abgestorbener Fichten in sonst vitalen Beständen scheinen daher besonders gut geeignete Quartiermöglichkeiten für die Mopsfledermaus zu bieten. Im Durchschnitt waren die Fichten mit Wochenstuben zudem deutlich dicker als Nachbarbäume. Ihr Brusthöhendurchmesser lag im Durchschnitt bei etwa 60 cm im Vergleich zu etwa 45 cm der Vergleichsbäume. Dies bestätigt die Bedeutung von dicken, alten Bäumen für den Naturschutz – nicht nur für Holzbewohner wie Käfer und Pilze.
Praxishinweise
Auch außerhalb von Schutzgebieten bietet es sich daher an, auf die Räumung einzelner befallener Bäume zu verzichten. Dies bietet sich in der Praxis vor allem für die bereits abgestorbenen Bäume an, bei denen der Befall übersehen wurde und die Borkenkäfer bereits ausgeflogen sind. Üblicherweise werden diese Bäume bei Waldpflegemaßnahmen aufgearbeitet. An den belassenen, abgestorbenen Bäumen entwickeln sich relativ schnell Rindenschuppen als wichtige Strukturen für die Mopsfledermaus. Diese Maßnahme hilft auch anderen Fledermausarten, wie zum Beispiel der Bartfledermaus (Myotis brandtii), die ebenfalls Quartiere hinter abstehender Rinde nutzen.
Mehr:
KORTMANN, M., HURST, J., BRINKMANN, R., HEURICH, M., SILVEYRA GONZÁLEZ, R., MÜLLER, J. & THORN, S. (2017): Beauty and the beast: how a bat utilizes forests shaped by outbreaks of an insect pest. – Animal Conservation.
Kortmann, M., Hurst, J. & Brinkmann, R. (2018): Wie der Borkenkäfer geeignete Habitate für die Mopsfledermaus schafft. – ANLiegen Natur 40/1; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/mopsfledermaus/.