70 % der heimischen Nutztierrassen gefährdet
(Andreas Zehm) Die Rote Liste der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) stuft 52 der 74 (= 70,3 %) einheimischen Nutztierrassen als gefährdet ein. Die jährlich erhobenen Bestandszahlen aller in Deutschland gezüchteten Nutztierrassen zeigen, dass sich die Situation der Schafrassen etwas verbessert hat, während die Gefährdung der Schweine- und Ziegenrassen zunahm. Zusammenfassend zeigt sich, dass sich wenige, züchterisch intensiv bearbeitete und spezialisierte Rassen inzwischen den Markt, sowohl in Bezug auf die Nachfrage der Landwirte nach Nutztieren als auch in Form der Produkte im Supermarktregal, aufteilen. Seltene Rassen werden vor allem noch von Liebhabern gehalten, sind aber für den Markt nahezu nicht mehr relevant. Insgesamt bedroht die Intensivierung der Landwirtschaft also nicht nur die wildlebende Vielfalt, sondern wendet sich zunehmend auch gegen sich selber. Die Landwirtschaft so Chancen verliert, sich auf sich ändernde Rahmenbedingungen, zum Beispiel veränderte Verbraucherwünsche oder Haltungsbedingungen, einstellen zu können. Hierzu braucht sie ein breites Spektrum verschiedener Nutztierrassen, aus dem sie die geeigneten Tiere auswählen kann. Nutztierrassen, die unter heutigen Bedingungen prädestiniert sind, müssen dies nicht unbedingt auch in Zukunft sein.
Die Ergebnisse für die Artengruppen:
- Schafe: Das Krainer Steinschaf, das Leineschaf und das Weiße Bergschaf konnten in eine niedrigere Gefährdungskategorie eingestuft werden, da sich die Bestände (auch durch Haltungsprämien) gut entwickeln konnten.
- Pferde: Insgesamt sind Pferde die am wenigsten gefährdete Rassengruppe (57 % ungefährdet). Die Gefährdung des Schwarzwälder Kaltblut hat sich aufgrund erfolgreicher Fördermaßnahmen reduziert.
- Schweine: In der Schweineproduktion dominieren zunehmend Hybridformen international agierender Zuchtunternehmen, wodurch Herdbuchzuchten einheimischer Schweinerassen weiter zurückgehen und es in Deutschland keine ungefährdete einheimische Schweinerasse mehr gibt. Waren vor wenigen Jahren die Deutsche Landrasse und das Deutsche Edelschwein noch weit verbreitet, mussten diese Rassen nun ebenfalls als bedroht eingestuft werden.
- Ziegen: Im Gegensatz zu 2010 muss inzwischen selbst die Bunte Deutsche Edelziege als gefährdet eingestuft werden. Damit gibt es in Deutschland keine ungefährdete Ziegenrasse mehr.
- Rinder: Von 21 einheimischen Rassen sind 15 gefährdet, aber die Situation bleibt insgesamt auf verbesserungsbedürftigem Niveau stabil.
- Geflügel: Von den 45 betrachteten Rassen wurden 32 (71 %) als gefährdet bis extrem gefährdet eingestuft.
Tierart | PhänotypischeErhaltungs-population | Erhaltungs-population | Beobachtungs-population | Nichtgefährdet | gesamt |
---|---|---|---|---|---|
Pferd | 4 | 2 | 4 | 13 | 23 |
Rind | 1 | 9 | 5 | 6 | 21 |
Schwein | 0 | 2 | 3 | 0 | 5 |
Schaf | 0 | 5 | 14 | 3 | 22 |
Ziege | 0 | 0 | 3 | 0 | 3 |
gesamt | 5 | 18 | 29 | 22 | 74 |
Tabellenbeschriftung: Übersicht der Gefährdungssituation einheimischer Groß-Nutztierrassen; in Anzahl Rassen (Quelle: BLE 2013).
Vereinzelt finden sich in den Rassebeschreibungen neben einer Definitionen der Rassen auch Zusatzinformationen zur Entwicklung des Bestände. Dass es wirksame Instrumente gibt, die Vielfalt an Nutztierrassen zu erhalten, zeigen Erfolge bei manchen Schafrassen.
Mehr:
BUNDESANSTALT FÜR LANDWIRTSCHAFT UND ERNÄHRUNG (Herausgeber, 2013): Rote Liste Einheimische Nutztierrassen in Deutschland. – Broschüre: 178 Seiten
www.genres.de/haus-und-nutztiere/gefaehrdung.
Zitiervorschlag: Zehm, A. (2014): 70% der heimischen Nutztierrassen gefährdet. – ANLiegen Natur 36/1, S. 17–18; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/nutztierrassen-gefaehrdet/.