Biodiversität steigert den Ertrag landwirtschaftlicher Flächen
(BH) Blühstreifen und Buntbrachen sind nur bedingt geeignet, um Populationen von gefährdeten Arten zu erhalten. Trotzdem können sie die Artenvielfalt und die Ökosystemdienstleistungen in der intensiv genutzten Landschaft fördern. In einer Schweizer Studie wurde nun gezeigt, dass mehrjährige, artenreiche Buntbrachen effektiv für eine natürliche Schädlingskontrolle eingesetzt werden können und damit der Ertrag in angrenzenden Weizenfeldern um etwa zehn Prozent gesteigert werden kann.
Blühstreifen und andere Maßnahmen naturschutzorientierter Bewirtschaftung haben dann einen schweren Stand, wenn sie die landwirtschaftlich nutzbare Fläche oder die Nutzungsintensität einschränken und damit den Ertrag reduzieren. Daher werden sie in der Regel nur dann in die Bewirtschaftung integriert, wenn Förderprogramme die erwarteten Ertragseinbußen kompensieren (zum Beispiel im Rahmen von Agrarumweltmaßnahmen). Dabei können solche Maßnahmen Ökosystemdienstleistungen wie Bestäubung oder natürliche Schädlingsbekämpfung fördern und zum Beispiel die Dichte der Schädlingsräuber erhöhen. Mehrjährige, artenreiche Blühflächen bieten beispielsweise zum einen über längere Zeit ungestörte Habitate für viele Arten und zum anderen Pollen und Nektar, die viele räuberische Arthropoden (Gliederfüßer) als zusätzliche Futterquellen benötigen (HAALAND et al. 2011; TSCHUMI et al. 2016).
Eine Auswertung mehrerer Studien zeigt, dass vor allem verbreitete Arten von Blühflächen profitieren, während seltene Arten nur teilweise einen Nutzen daraus ziehen können (HAALAND et al. 2011). In Bayern werden über das Kulturlandschaftsprogramm (KULAP) noch Saatgutmischungen subventioniert, die zu großen Teilen aus Kulturpflanzen beziehungsweise Neophyten bestehen. Besonders spezialisierte Tierarten können diese Kulturpflanzen allerdings oft weder als Habitat noch als Nahrung nutzen (KLEIJN et al. 2015). Auf der anderen Seite können Blühflächen, wenn sie auf bisher intensiv genutzten Flächen angelegt werden, dazu beitragen, die Artenvielfalt in der verarmten Landschaft insgesamt zu erhöhen (HAALAND et al. 2011). Über die Auswirkungen dieser Begleitmaßnahmen auf den landwirtschaftlichen Ertrag ist bisher noch wenig bekannt. In einer Schweizer Studie wurde deshalb kürzlich untersucht, wie effektiv Buntbrachen in der Schädlingskontrolle auf Weizenfeldern sind, welche Auswirkungen sie auf den Ertrag haben und welche Eigenschaften von Blühstreifen für diese Funktionen besonders wichtig sind (TSCHUMI et al. 2016).
In der Studie von TSCHUMI et al. (2016) wurden 20 Weizenfelder in der Schweiz untersucht. Zehn der untersuchten Felder grenzten jeweils an Buntbrachen. Zehn Referenzfelder wurden von intensiv bewirtschafteten Flächen gesäumt. Die Buntbrachen waren im Durchschnitt vier Jahre alt und wurden mit einer Blühmischung, bestehend aus 24 bis 41 Arten einheimischer Kräuter, Leguminosen und Gräser, eingesät. Die Buntbrachen wurden weder gedüngt noch mit Pestiziden behandelt. Einmal jährlich wurde wechselweise die Hälfte jeder Buntbrache gemäht. Im Fokus der Studie standen zwei Käferarten aus der Gattung der Getreidehähnchen (Oulema sp.). Diese Arten sind bekannte Getreideschädlinge, die üblicherweise durch Pestizide bekämpft werden.
Die Dichte der Getreidehähnchen war in Feldern neben Buntbrachen deutlich geringer als in solchen, die keine angrenzenden Buntbrachen aufwiesen. Es wurden um 44 Prozent weniger Eier und um 66 Prozent weniger Larven der Schädlinge gefunden. Im Ergebnis wurden auf Flächen mit angrenzenden Buntbrachen rund 40 Prozent weniger Schäden am Getreide festgestellt. Der durchschnittliche Ertrag lag um 10 Prozent höher. Kraut- und blütenreiche erwiesen sich im Vergleich zu vergrasten und blütenarmen Buntbrachen am effektivsten. Einjährige Blühstreifen haben übrigens einen ähnlichen Effekt auf die Schädlinge, wie die hier untersuchten mehrjährigen Blühstreifen. Die Auswirkungen von einjährigen Blühstreifen auf den Ertrag wurden bisher noch nicht untersucht. Mehrjährige Brachen bieten jedoch den Vorteil, dass sie nur einmal angelegt werden müssen und so Geld und Aufwand sparen und sich gleichzeitig die Artenvielfalt mit dem Alter oft erhöht (HAALAND et al. 2011; TSCHUMI et al. 2016).
Buntbrachen können bei richtiger Pflege und Artenzusammensetzung also nicht nur positive Effekte für die Biodiversität haben, sondern durch natürliche Schädlingskontrolle auch die Produktivität angrenzender Felder steigern. Durch eine funktionierende natürliche Schädlingskontrolle kann zudem der Pestizideinsatz reduziert werden. Pestizide haben einen negativen Effekt auf die Artenvielfalt der Felder und vernichten neben den Schädlingen oft auch die natürlichen Gegenspieler der Zielarten. So zeigt zum Beispiel eine Studie von KRAUSS et al. (2011), dass Pestizide, die präventiv gegen Blattläuse eingesetzt wurden, deren Dichte in Triticale-Feldern nur vorübergehend reduzierten. Die Anzahl der Blattläuse schnellte nach der Behandlung in kurzer Zeit wieder nach oben. Die Blattlausräuber hingegen erholten sich über den gesamten Beobachtungszeitraum nicht wieder von der Pestizidbehandlung. Entsprechend wurden in gespritzten Triticale-Feldern weniger Blattlausräuber und in der späteren Saison tendenziell sogar mehr Blattläuse als in ungespritzten Feldern gefunden.
In einer weiteren Schweizer Studie auf Rapsfeldern wurde gezeigt, dass insbesondere die Kombination aus einer verbesserten Bestäubung und einer effektiven Schädlingskontrolle ohne Pestizideinsatz zu höheren Erträgen führt (SUTTER & ALBRECHT 2016). In Käfigversuchen wurde die Individuenzahl von Rapsglanzkäfern kontrolliert reduziert und es wurden zusätzlich Erdhummeln als Bestäuber eingeführt. So konnten insgesamt Ertragssteigerungen von 23 Prozent erzielt werden. Wichtige Botschaft dieser Studie ist, dass der Effekt der einzelnen Maßnahmen nur vergleichsweise gering ausfiel (sieben beziehungsweise sechs Prozent). Erst in Kombination der Ansätze konnte die maximale Ertragssteigerung erreicht werden. Eine Schädlingsbekämpfung, der auch Bestäuber zum Opfer fallen, kann somit das Ertragssteigerungspotential nicht ansatzweise ausschöpfen. Die Studie zeigt auch, dass die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Förderung von Bienen und anderen Bestäubern fehlschlagen kann, wenn nicht gleichzeitig auch die Schädlingskontrolle beachtet wird.
Ein nachhaltiges Management von mehreren Ökosystemleistungen und hoher Artenvielfalt kann also ein vielversprechender und kostengünstiger Ansatz zur ökologischen Intensivierung bei gleichzeitiger Reduzierung des Pestizideinsatzes in der Landwirtschaft sein. Auf der anderen Seite können einfache produktionsbegleitende Maßnahmen die vielen gefährdeten Arten zu einem großen Teil nicht stützen. Diese Arten sind nach wie vor auf andere Hilfsmaßnahmen beziehungsweise intakte natürliche oder naturnahe Lebensräume angewiesen (KLEIJN et al. 2015). Einen Beitrag zur Erhaltung dieser gefährdeten Arten bieten etwa Förderprogramme, die gezielt dort fördern, wo diese Arten noch vorkommen und wo es auch geeignete Standorte gibt. Dabei handelt es sich oft um Flächen, welche für die landwirtschaftliche Nutzung ohnehin weniger attraktiv sind.
Mehr:
HAALAND, C., NAISBIT, R.E. & BERSIER, L.-F. (2011): Sown wildflower strips for insect conservation: a review: Wildflower strips for insect conservation. – Insect Conservation and Diversity 4(1): 60–80.
KLEIJN, D., WINFREE, R., BARTOMEUS, I., CARVALHEIRO, L. G., HENRY, M., ISAACS, R., KLEIN, A.-M., KREMEN, C., M’GONIGLE, L. K., RADER, R., RICKETTS, T. H., WILLIAMS, N. M., LEE ADAMSON, N., ASCHER, J. S., BÁLDI, A., BATÁRY, P., BENJAMIN, F., BIESMEIJER, J. C., BLITZER, E. J., BOMMARCO, R., BRAND, M. R., BRETAGNOLLE, V., BUTTON, L., CARIVEAU, D. P., CHIFFLET, R., COLVILLE, J. F., DANFORTH, B. N., ELLE, E., GARRATT, M. P. D., HERZOG, F., HOLZSCHUH, A., HOWLETT, B. G., JAUKER, F., JHA, S., KNOP, E., KREWENKA, K. M., LE FÉON, V., MANDELIK, Y., MAY, E. A., PARK, M. G., PISANTY, G., REEMER, M., RIEDINGER, V., ROLLIN, O., RUNDLÖF, M., SARDIÑAS, H. S., SCHEPER, J., SCILIGO, A. R., SMITH, H. G., STEFFAN-DEWENTER, I., THORP, R., TSCHARNTKE, T., VERHULST, J., VIANA, B. F., VAISSIÈRE, B. E., VELDTMAN, R., WARD, K. L., WESTPHAL, C. & POTTS, S. G. (2015): Delivery of crop pollination services is an insufficient argument for wild pollinator conservation. – Nature Communications 6: 7414.
KRAUSS, J., GALLENBERGER, I. & STEFFAN-DEWENTER, I. (2011): Decreased Functional Diversity and Biological Pest Control in Conventional Compared to Organic Crop Fields. – PLOS ONE 6(5): e19502.
SUTTER, L. & ALBRECHT, M. (2016): Synergistic interactions of ecosystem services: florivorous pest control boosts crop yield increase through insect pollination. – Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences 283(1824): 20152529.
TSCHUMI, M., ALBRECHT, M., BÄRTSCHI, C., COLLATZ, J., ENTLING, M. H. & JACOT, K. (2016): Perennial, species-rich wildflower strips enhance pest control and crop yield. – Agriculture, Ecosystems & Environment 220: 97–103.
Zitiervorschlag: Hoiß, B. (2016): Biodiversität steigert den Ertrag landwirtschaftlicher Flächen – ANLiegen Natur 38/1; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/oekosystemdienstleistungen/.