Sinkende Stickstoffeinträge aus der Luft erhöhen Artenvielfalt auf extensivem Grünland
(Monika Offenberger) Hohe Stickstoffeinträge aus der Atmosphäre führen zu insgesamt weniger Pflanzenarten und weniger typischen Grünlandarten auf Wiesen und Weiden. Eine Schweizer Studie zeigt, dass umgekehrt die Zahl der Grünlandarten auf stark geneigten, nährstoffarmen Standorten wieder zunimmt, wenn dort der Stickstoffeintrag über mehrere Jahrzehnte deutlich abgenommen hat. Die Autoren sehen darin ein positives Signal für den Naturschutz, mahnen jedoch weitere Reduktionen der Stickstoffemissionen sowie den kontinuierlichen Nährstoffentzug durch Mahd oder Beweidung an.
Stickstoffemissionen und daraus resultierende Nährstoffeinträge verändern die Pflanzenartenzahl und -zusammensetzung betroffener Ökosysteme: Hohe Stickstofffrachten vermindern die Biodiversität, weil auf magere Böden angepasste Pflanzen von konkurrenzstarken Arten, insbesondere von schnellwüchsigen Gräsern, verdrängt werden. Drei Schweizer Wissenschaftler gingen der Frage nach, ob dieser Prozess reversibel ist. Motiviert wurden sie durch eine erfreuliche Tatsache: In der Alpenrepublik ist dank technischer Verbesserungen bei der Verbrennung fossiler Energieträger und aufgrund reduzierter Massentierhaltung die „Düngung aus der Luft“ mit Stickoxiden und Ammoniak zwischen 1990 und 2015 um rund 28 Prozent zurückgegangen. „Wir wollten wissen, ob sich diese Veränderungen auch im Pflanzeninventar von naturnahem, ungedüngtem Grünland widerspiegeln“, erklärt Studienleiter Peter Kammer von der Pädagogischen Hochschule Bern. „Die Artenzahl per se sagt nicht viel aus“, so der Pflanzenökologe. „Deshalb lag unser Fokus auf den oligotrophen Grünland-Arten, die für ungedüngte, extensiv genutzte Wiesen und Weiden typisch sind. Denn das sind ja gerade die Arten, die man aus naturschutzfachlichen Gründen erhalten will“.
Das Forscher-Trio griff auf botanische Daten zurück, die zwischen 2001 und 2015 im Rahmen des Biodiversitätsmonitorings Schweiz (BDM) erfasst worden waren und stellte sie den im selben Zeitraum am jeweiligen Ort angefallenen Stickstoffeinträgen gegenüber. In die Auswertung gingen 147 extensiv bewirtschaftete Wiesen und Weiden in unterschiedlichen Landesteilen und Höhenlagen ein; in drei Erhebungen von 2001–2005, 2006–2010 und 2011–2015 wurden dort jeweils 1- bis 2-mal pro Jahr auf 10 m2 großen Probeflächen alle Pflanzenarten aufgenommen. Insgesamt konnten 707 Spezies nachgewiesen werden; je Fläche kamen davon mindestens 29 und maximal 73 vor. Um neben der puren Präsenz von Arten auch quantitative Daten zu bekommen, untersuchte Peter Kammer zwischen 1992 und 2013 zusätzlich zu den BDM-Flächen die Vegetationsentwicklung auf einer steilen Trockenwiese im Raum Bern; dort war die Stickstoff-Deposition im Beobachtungszeitraum um 24 Prozent zurückgegangen.